Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Hemingway – von ihm Seite 2 von 3

Von Hemingways ‚Bohemia‘ zur Leprakolonie

Ernest Hemingway auf dem Cover des kubanischen Wochenmagazins Bohemia.

Als The Old Man and the Sea, Ernest Hemingway hat die Erzählung um die Jahreswende 1950/1951 geschrieben, auf den Markt kommt, da schlägt die Story in den USA ein wie eine Bombe. Am 1. September 1952 erscheint der kurze Roman zunächst in voller Länge im Magazin LIFE, die Zeitschrift hat dem Schriftsteller 30.000 Dollar für den Vorabdruck gezahlt.

Das großformatige Magazin wird den Kioskverkäufern zwischen San Francisco und Boston aus der Hand gerissen. LIFE sorgt mit dieser Ausgabe für einen nie erreichten Auflagenrekord: Innerhalb von zwei Tagen werden in den Vereinigten Staaten 5,2 Millionen Hefte verkauft.

Ein paar Tage später erscheint dann die Buchausgabe mit 127 Seiten beim New Yorker Verlag Charles Scribner’s Sons. Das Publikum in Amerika schließt Ernest Hemingways Erzählung von dem alten Fischer Santiago, dem Jungen Manolín und dem Fisch schnell ins Herz. The Old Man and the Sea wird einer der größten Bucherfolge aller Zeiten. 

Über 3.800 Briefe erhält der Schriftsteller zur Finca Vigía, von Lesern, die seine Novelle verschlungen haben und ihm nun danken. Und weil bei einer Anzeige für Ballantine-Bier sehr auffällig seine Adresse auf Kuba zu erkennen gewesen ist, werden die Tausende Briefe nicht an den Verlag in New York, sondern direkt nach San Francisco de Paula geschickt.

Der Postbote des armen kubanischen Dorfes hat einen

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The Sun Also Rises

Das Cover der US-amerikanischen Originalausgabe von The Sun Also Rises.

Am 17. Februar 1926 unterzeichnet Ernest Hemingway in New York seinen ersten Vertrag mit Scribner’s and Sons für sein Werk The Sun Also Rises. Im österreichischen Schruns, im Winterurlaub, legt der Amerikaner letzte Hand an sein Erstlingswerk, er hat mit dem Roman über einen Aufenthalt in Spanien Ende Juli 1925 in Valencia begonnen und ihn im September in Paris fertiggestellt. Im April 1926 endlich lässt er das Manuskript seinem Lektor Max Perkins in Manhattan zukommen.

Das Werk erscheint in den USA bei Scribner’s im Oktober 1926 unter dem Titel The Sun Also Rises, ein Jahr später wird der Londoner Verlag Jonathan Cape das Werk unter dem Titel Fiesta publizieren. Es ist das erste richtige Buch Hemingways, wenn man von ersten Versuchen in kleineren Verlagen absieht. Der Roman schlägt – bei Lesern wie bei Kritikern – ein wie eine Bombe. Ein neuer Stil wird geboren, sachlich, lakonisch, nah am Leben. Mit The Sun Also Rises tritt ein Revolutionär auf, der mit dem Pathos der Klassiker bricht.

The Sun Also Rises erzählt von den Erlebnissen des Schriftstellers im Paris der 1920er Jahre und von einer Reise ins baskische Pamplona. In der Stadt an der Seine verkehrt der junge US-Amerikaner in den avantgardistischen Zirkeln der Metropole, in Pamplona nimmt er am Encierro der San Fermines teil, den Festtagen rund um das Bullenrennen. Die moderne Metropole und die traditionsbehaftete Provinz, zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Hemingways Aufmerksamkeit.

Die Generation der Intellektuellen nach dem schrecklichen Ersten Weltkrieg und zwischen den Weltwirtschaftskrisen wird oft als lost generation bezeichnet, weil sie so desillusioniert und so ruhelos durchs Leben wankt. Ernest Hemingway gibt mit diesem großen Roman einer verunsicherten Generation eine neue Wertschätzung und vor allem eine neue Sprache. Von den ratlosen Lesern wird der Mann aus Chicago als Lichtgestalt empfangen, weil endlich einer aufhört mit dem scheinheiligen Geschwurbel der Altbekannten.

Merkwürdigerweise bricht der junge Autor nicht rigoros mit dem Althergebrachten. Dem Buch stellt er

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Poem to Mary

Als Kriegsberichterstatter erlebt Ernest Hemingway im Winter 1944/45 die blutigen Kämpfe am deutschen Westwall. Monatelang wird in der waldigen Schneelandschaft der Nordeifel gekämpft.

Diese Schlacht im Hürtgenwald bei Aachen zwischen US-amerikanischen Boden-Divisionen und der Wehrmacht ist so schrecklich, dass Ernest Hemingway meint, seine Gefühle am besten in Versen ausdrücken zu können. Poem to Mary nennt er seine Lyrik, denn er hat gerade seine neue Liebe Mary Welsh kennengelernt.

Und sein Second Poem an Mary geht so:

Now sleeps he
With that old whore Death
Who, yesterday, denied her thrice.
Do you take this old whore Death
for thy lawful Wedded wife?
Repeat after me
I do, I do, I do.
Sixty seven times

Auf Deutsch hört sich dieser dichterische Versuch über den Krieg auch nicht gerade besser an.

Nun schläft er
mit dieser alten Hure Tod
der gestern sie dreimal verleugnete.
Nimmst du diese alte Hure Tod
zu deiner dir rechtmäßig angetrauten Frau?
Sprechen Sie mir nach
Ich will, ich will, ich will.
Siebenundsechzig Mal.

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Worum geht es bei Hemingways ‚Der alte Mann und das Meer‘?

Der alte Mann und das Meer
Ein Klassiker: Der alte Mann und das Meer.

Er war ein alter Mann, der allein in einem kleinen Boot im Golfstrom fischte, und er war jetzt vierundachtzig Tage hintereinander hinausgefahren, ohne einen Fisch zu fangen. So verdichtet lässt Ernest Hemingway seine wohl berühmteste Erzählung beginnen. Am 85. Tag fängt der alte Fischer Santiago dann einen Marlin, der so wuchtig ist, dass er ihn nicht an Bord seiner kleinen Schaluppe hieven kann. Er vertäut das Tier deshalb längs an eine Seite des Bootes.

Auf der mühsamen Rückfahrt in sein kleines Dorf vor Kubas Küste wird das einfache Holzboot von einem Schwarm Mako-Haie angegriffen, die Raubtiere fressen den erlegten Marlin bis auf das Gerippe ab. Am Abend kommt der Fischer mit einem Skelett an der Seite seines Bootes in sein Fischerdorf. Der Fischer Santiago hat den Kampf verloren, aber er ist nicht besiegt.

In Würde verlieren. Gerade darum geht es Ernest Hemingway. Am Beispiel des alten Mannes, der geschlagen und mit leeren Händen, in sein armes Dorf zurückkommt. Aber er ist nicht besiegt. Santiago strahlt trotz seiner Niederlage eine menschliche Größe aus, gerade auch weil er sich nicht besiegt gibt und am nächsten Tag mit seinem kleinen Boot wieder herausfahren wird. Und jeder Mensch, das will uns Ernest Hemingway mitteilen, kann seine Würde wahren.

Ernest Hemingway hat sein Gleichnis vom würdevollen Scheitern des einfachen Fischers so beeindruckend erzählt, dass die Menschen – egal ob in Süd oder Nord, ob Hochschullehrer oder Fabrikarbeiter, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau – seine Botschaft unterbewusst verstanden haben. Ein schlichter und braver Mensch – also eigentlich wir – muss sich in der Welt behaupten. Er kämpft um seine Würde.

Der Fischer fährt 84 Tage hinaus ohne einen Fisch zu fangen, so wie uns Menschen vielleicht 84 Jahre bleiben, in denen wir uns auf unserem Meer abstrampeln. Und den Sinn suchen. Oder mehr. Schlagen Sie einmal nach, wofür das Symbol des Fisches seit Jahrhunderten steht. Dicke Bücher sind darüber geschrieben worden, Ernest Hemingway kommt mit verständlichen 120 Seiten aus.

Über allem steht das Meer. Für Ernest Hemingway gleicht das Meer einer heiligen Macht, keine menschliche Kraft kann diesem gewaltigen Meer etwas anhaben, es steht über allem. Ersetzen wir das Meer deshalb doch einfach mal durch

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Ratschläge an den Sohn

Ernest Hemingway, bekanntlich ein göttlicher Prosaist und oft ein kümmerlicher Poet, versucht sich trotz allem hin und wieder an den Versen. Von ihm gibt es ein, nun ja, sagen wir, recht unkonventionelles Gedicht, vielleicht ist die Umschreibung Gedicht schon ein wenig hochgegriffen.

Advice to a Son, auf Deutsch Ratschläge an den Sohn, nennt er selbst das Werk, es scheint mehr eine Spottschrift über Gott und die Welt. Ein unkonventionelles Pamphlet, das jedoch sein Denken und seine Ideale skizziert.

Always put paper on the seat,
Don’t believe in wars,
All your friends will leave you
All your friends will die
So lead a clean and wholesome life
And join them in the sky. 

Das ist viel Wahres drin, wer will das bestreiten? Es hagelt noch weitere Ratschläge in diesem Poem, doch

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Es wird wieder Frühling werden

Auf Finca Vigía, seiner kubanischen Farm bei San Francisco de Paula, lebt Ernest Hemingway das Leben, von dem er immer geträumt hat. Hier mitten in den Tropen kann er der Mensch sein, der er immer sein wollte. Ein Schriftsteller, ein Frauenheld, ein Familienvater, ein Freund des Meeres. Und vor allem ist er ein Mensch, der mit jeder Pore merkt und spürt, dass er lebt, richtig lebt.

Das Leben fühlt sich wunderbar an, dieses unbekümmerte Leben auf dieser heiteren Insel, die er so sehr braucht, um den Akku für seinen hochtourigen Motor aufzuladen. Er braucht die Tropen für den Körper und noch mehr für seine Seele, Kuba wird sein Garten Eden mit ewigem Sonnenschein. 

Üblicherweise durchlebt ein Mensch ja den jahreszeitlichen Kreislauf der Natur. Auf seiner Finca Vigía jedoch herrscht unentwegt Hochsommer, der Frühling findet an einem Dienstagnachmittag statt, der Herbst schickt ein paar wilde Stürme und heftige Unwetter. Der Winter bleibt ein gänzlich unbekanntes Phänomen.

Immerfort sucht Ernest Hemingway diese Sonnensphären, seine Lieblingsplätze befinden sich fast alle in den Tropen oder in warmen Gefilden. Der Schriftsteller braucht die sommerliche, wolkenlose Natur, die ihn erwärmt. Der eisige Winter fühlt sich für ihn an wie ein kleiner Tod.

Part of you died each year
when the leaves fell from the trees
and their branches were bare against
the wind and the cold, wintery light.
But you knew there would always
be the spring, as you knew the river
would flow again after it was frozen.

Ernest Hemingway kennt

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Am liebsten mag er den Herbst

Das Hemingway Memorial oberhalb von Ketchum/Idaho;
Photo: W. Stock

An der Trail Creek Road oberhalb von Ketchum, fußläufig von dem Sun Valley Resort entfernt und von den Ausläufern der Rocky Mountains umringt, steht auf einem hüfthohen Mäuerchen vor einem Steilhang das mannshohe Denkmal für Ernest Hemingway. Der einfache Stein mit einer schönen Bronzebüste auf dem meterhohen Sockel mit Schieferplatten als Fundament ist im Jahr 1966 errichtet worden, Miss Mary hat den Platz ausgesucht.

Ernest Hemingway schaut auf die hohen schneebedeckten Berge und unter ihm rauscht der schmale Bachlauf des Trail Creek, wo er früher gerne zum Angeln weilte. Wahrscheinlich hat Ernest Hemingway schon im Jahr 1939 geahnt, dass seine Seele im Tal am Ausläufer der Rocky Mountains seine letzte Ruhe finden wird, als er das Epitaph für seinen Jagdfreund Gene Van Guilder schreibt, einen bei einem Jagdunfall im Hagerman Valley bei Twin Falls ums Leben gekommenen PR-Managers der Sun Valley Lodge.

Jene Verse prangen heute in goldenen Lettern auf einer Plakette aus schwarzem Schieferstein unter dem Denkmal:

Best of all he loved the fall
The leaves yellow on the cottonwoods
Leaves floating on the trout streams
And above the hills the high blue windless skies
…Now he will be a part of them forever

Als Bestes von allen liebte er den Herbst,
das gelbgefärbte Laub der Pappelbäume
Blätter, die auf den Forellenbächen treiben
Und über den Hügeln der hohe blaue windstille Himmel
…Jetzt wird er auf immer ein Teil von ihnen sein

Am meisten – als Bestes von allen – liebte er den Herbst. Ernest Hemingway, dessen Talent nicht gerade beim Dichten der Verse liegt, schreibt zum Tod des Freundes sein allerschönstes Gedicht. Seine Verse wachsen zusammen zu einer einfachen und melancholischen Poesie, die, wenn man recht zuzuhören weiß, zugleich von ungeheuerer Lebenslust durchsetzt ist.

Diese wunderbaren Verse auf den Jagdfreund dienen ihm vor allem als Spiegelbild. Den Menschen, den Ernest Hemingway dort so naturverbunden und mit erdhafter Hingabe skizziert, das ist er selbst. In diesem Gedicht hat er

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Across the River and into the Trees

AcrosslowAls das Werk im Jahr 1950 erscheint, wird es von der Kritik fast einhellig verrissen. Eine Eigen-Parodie Hemingways sei diese Erzählung wird in den Feuilletons geschrieben, ein peinliches Altherren-Geschwätz.

Die Rede ist von Across the River and into the Trees, in dessen Mittelpunkt der amerikanische Kriegsveteran Richard Cantwell steht. Colonel Cantwell, der beide Weltkriege mitgemacht hat, trifft im Gritti seine junge Geliebte, die wunderschöne Venezianerin Contessa Renata. Der Colonel ist todkrank, verbittert und kriegsmüde. Nur die Liebe zu Renata hält ihn wach, Hemingway ist trotz harter Schale ein Romantiker, die Liebe als das Heilmittel gegen die Wunden des Krieges.

Als Über den Fluss und in die Wälder erscheint, da halten nur wenige Literaturkritiker das Werk für gelungen. Die meisten können mit dem Roman über Venedig und die Lagune wenig anfangen. Die Geschichte um den Oberst Cantwell wird bei Kritik und Lesern als zu gekünstelt abgetan. Auch die Öffentlichkeit nimmt die Erzählung als Enttäuschung auf, Ernest wirkt tief gekränkt.

Man sollte jedoch

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In hoher Luft: Die Welt ist so schön…

HoheLuft

Hohe Luft: Die Welt ist so schön

Das wunderbare Philosophie-Magazin Hohe Luft macht seine Werbung auf mit einem bekannten Zitat von Ernest Hemingway. Sehr auffällig thront über der Anzeigenseite ein Spruch des bärtigen Nobelpreisträgers: Die Welt ist so schön und wert, dass man um sie kämpft.

Dieses Zitat stammt bekanntlich aus Hemingways Roman Wem die Stunde schlägt, der in der dunklen Zeit des Spanischen Bürgerkrieges spielt. In den Jahren, in denen die Welt gar nicht so schön aussah und in einer Zeit, in der das Kämpfen sich wirklich lohnte.

The world is a fine place and worth fighting for and I hate very much to leave it, so lautet die vollständige Textpassage aus For Whom the Bell Tolls. Wenn beides, Zitat und auch Romantitel, mal keine verdichtete Philosophie darstellen!

„Für alle, die Lust am Denken haben“, so beschreibt die Zeitschrift Hohe Luft ihr Motto. Dieser Abenteurer Ernest Hemingway entwickelte zwar mehr Lust am Machen denn am Denken, doch eine philosophische Grundierung mag man seinem Werk nicht absprechen.

Wenn ein Zitat noch nach 75 Jahren für Philosophen herhalten darf, dann zeigt dies, sein Urheber muss den richtigen Ton getroffen haben. Dass ein ungehobelter rauer Bursche wie Ernest Hemingway in diese grazile Weltsicht passt, nimmt man

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Ernest Hemingway und der Fisch

fisch Hemingway

Hemingway und sein Fisch

Der Vater hat ihn gelehrt zu Fischen. Und es hat ihn nie verlassen. Gerade das Fischen mit all seiner Einsamkeit und Abgeschiedenheit scheint für Ernest Hemingway der ideale Männersport.

Das Fischen – ebenso wie die Jagd – hat aus dem jungen Hemingway einen Naturburschen gemacht. Der Mann, auf sich gestellt und alleine, trägt seinen Kampf aus.

Doch warum kämpft man gegen den Fisch? Kann das Töten eines Tieres als Sport oder Freizeitvergnügen dienen? Es scheint schizophren, denn Zeit seines Lebens hat Ernest Hemingway die Schöpfung bewundert.

Sein Werk, gerade Der alte Mann und das Meer, kann als Verneigung vor der Natur gelesen werden. Doch Natur, man sollte es nicht idealisieren, bedeutet auch Kampf. Der Stärkere frisst den Schwächeren.

Warum liebt es Hemingway, Fische zu töten? Wo doch der Fisch im Katholizismus ein heiliges Tier ist. Im Christentum steht der Fisch für Leben und Wahrheit. Man denke nur an die wundersame Vermehrung der fünf Gerstenbrote und der zwei Fische zur Speisung der Fünftausend. Der Fisch symbolisiert aber auch die unter Wasser verborgene Wahrheit, die es zu fangen, also ans Licht zu holen gilt. Petrus ist von Beruf Fischer. Später Menschenfischer.

Man erinnert sich an Der alte Mann und das Meer, welches auch als eine an biblische Symbolik erinnernde Parabel gelesen werden kann. Kann es nicht sein, dass Hemingway im Fischer Santiago eine

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