Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Spanien Seite 3 von 6

Der schönste Hemingway-Satz: Alte Gesichter

Die einst jungen Gesichter waren jetzt alt wie meins, aber keiner hatte vergessen, wie wir einmal waren. Die Augen hatten sich nicht verändert und keiner war fett geworden. Kein Mund war verbittert, ganz gleich, was die Augen inzwischen alles gesehen hatten.“ Ernest Hemingway

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Ernest Hemingways Doppelgänger

Der falsche Ernest Hemingway bei einer Corrida. Kenneth H. Vanderford schaut sich einen Stierkampf in Murcia an. Credit Line: Archivo General Región de Murcia.

Im Sommer 1960 kommt ein gesundheitlich schwer angeschlagener Ernest Hemingway nach Spanien. Der Schriftsteller kann nicht mehr, wie in den Jahren zuvor, wochenlang von Stadt zu Stadt zu ziehen, von einer Corrida zur nächsten. Und prompt wird Kenneth H. Vanderford, ein amerikanischer Aficionado mit grauem Bart, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Hemingway aufweist, mit dem Nobelpreisträger verwechselt. Es ist nicht das erste und auch nicht das letzte Mal.

Kenneth Hale Vanderford, 1908 im Norden Indianas geboren, wird nach seinem Studium Lehrer für Spanisch und Französisch in Texas und Florida. Im Jahr 1940 erhält der Amerikaner einen Doktortitel von der University of Chicago. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitet er für den Geheimdienst seines Landes, danach reist er durch Lateinamerika, arbeitet in Venezuela, Argentinien und Bolivien. Er hat genug Geld verdient und wählt 1959 Madrid zu seinem Altersruhesitz.

Zwei Sachen hat Kenneth H. Vanderford mit Ernest Hemingway gemeinsam. Eine gewisse Ähnlichkeit in der Physiognomie und im Auftreten, sowie die Vorliebe für den Stierkampf. Im Juli 1959 hat er am Encierro der Sanfermines teilgenommen, dem Bullenlauf in Pamplona. Da ist es zum ersten Mal geschehen: Vanderford sitzt in einem Café als drei nordamerikanische Touristen vorbeikommen und Mister Hemingway um ein Autogramm bitten. Vanderford kann dem Schabernack nicht widerstehen. Er unterschreibt.

Und der richtige Hemingway sitzt nur ein paar Ecken weiter. Fortan halten ihn die Leute etliche Male für den berühmten Schriftsteller. „Wann erscheint Ihr nächsten Buch“, bekommt er als Frage zu hören. Mit Kappe und in kurzem Hemd findet man ihn auf der Plaza de Toros und – so schreibt Sports Illustrated in einem Portrait – er sieht mehr nach Hemingway aus als Hemingway selbst.

Van, wie Vanderford von seinen Freunden genannt wird, macht sich einen Spass daraus, Spanier und Landsleute zu foppen. Er treibt den Jokus auf die Spitze, indem er sich

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Teo Davis und Ernest Hemingway

Teo Davis und Ernest Hemingway am Pool in La Cónsula, Málaga im Sommer 1959. Credit Line: Creative Commons.

Mary und Ernest Hemingway, von New York kommend, erreichen Anfang Mai 1959 mit dem Atlantikkreuzer Constitution die Küste Südspaniens. Von der andalusischen Hafenstadt Algeciras geht es dann zwei Stunden mit dem Auto Richtung Costa del Sol zur La Cónsula in den Hügeln über Málaga. Die beeindruckende Finca gehört seinem Freund William Nathan Davis, den alle Welt Bill ruft und der vom Hemingway Negro genannt wird, er und Negro haben sich vor langer Zeit Mexiko kennengelernt.

Auf La Cónsula fühlen sich die Hemingways pudelwohl. Die zwölf Hektar weite Grünanlage, akkurat gepflegt wie ein mittelalterlicher Klostergarten, mit ihren Pinien, den Akazienbäumen, grünen Palmen, all dies erinnert das prominente Ehepaar an die Finca Vigia, ihr eigenes Zuhause auf Kuba. Der Schriftsteller ist nach Spanien gekommen, um die Erinnerung aufzufrischen und um alte Freunde zu treffen. Die einstmals jungen Gesichter waren jetzt alt wie meins, aber keiner hatte vergessen, wie wir einmal waren. Viel Zeit wird ihm wohl nicht mehr bleiben, der grau gewordene Autor ahnt es. 

Bill Davis und seine Frau Anne sind großzügige Gastgeber. Das imposante Landgut der US-Amerikaner, südwestlich von Málaga im Stadtteil Churriana, Richtung Alhaurin de la Torre, ist immer voller Freunde und Gäste. Die Familie Davis lebt mit zahlreichen Bediensteten in dem langgestreckten Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert, das früher eine diplomatische Vertretung gewesen ist. Das Ehepaar hat zwei Kinder, die Tochter Nena und den Sohn Timothy, genannt Teo.

Oft unterhält sich Hemingway sich mit dem jungen Teo, morgens am Pool, er erzählt von Kuba und von seinen Reisen. Der Nobelpreisträger hat rapide abgebaut in den letzten Monaten, seit geraumer Zeit quält ihn eine Sehnsucht nach den glücklichen Jahren. Sonst hat er es nicht so mit Kindern, aber zu dem achtjährigen Teo findet er einen guten Draht. Die eigene Vergänglichkeit im Blick, sieht er in dem Kind, wie er selbst einmal gewesen ist, vor ewiger Zeit, damals an den Seen und in den Wäldern im Norden Michigans.

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Auf der Terrasse vor diesem Pool – heute außer Betrieb – albern Teo Davis und Ernest Hemingway. La Cónsula, Málaga 2019; Foto: Wolfgang Stock

Timothy Davis wird am 18. April 1951 geboren, in Paris, er wächst in Südspanien auf. Er besucht das feine Eton College in England, geht dann mit 21 Jahren in die USA. Beim Houston Chronicle findet er einen ersten Job, zieht weiter nach Los Angeles. Er schreibt Drehbücher, versucht sich als Produzent, sein beruflicher Weg erweist sich als stolperig. Jedoch besitzt er

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Una vida con la muerte al hombro

Der 60. Geburtstag unter dem Kreuz. Mary Welsh schießt diesen Schnappschuss, zwei Jahre vor seinem Tod, auf dem andalusischen Landgut ‚La Cónsula‘. Málaga/Spanien, im Juli 1959. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Ernest Hemingway liegt nachts am Pazifik in seiner stickigen Kammer im Bett, mutterseelenalleine im Dunklen, und kann nicht einschlafen. Denn er muss immerzu nachdenken. Er grübelt über das Leben, über den Tod, über sich. Er liebt das Leben, doch genau genommen kann er nicht begreifen, was das Leben eigentlich ist. So viele Fragen treiben ihn um. Warum kommen wir auf diese Welt? Wieso kann ich denken und fühlen? Welche Kraft treibt uns an? Manchmal kommt ihm das Leben vor wie eine Illusion, wie ein tiefer Traum, aus dem man plötzlich erwacht. Für all seine Fragen kennt er keinen Empfänger und auch keine Antworten. Was bleibt, ist ein unergründliches Rätsel.

So wie er sich als Schriftsteller ebenfalls ein Rätsel bleibt. Wie schafft es ein Mensch, so gut zu schreiben wie er? Und wieso verblasst diese Fertigkeit mit der Zeit, warum entfliegen alle Gedanken und Erinnerungen, so als habe jemand den Dimmer einer Lampe nach unten gezogen? Und wie kann es sein, dass irgendwann das Licht ganz ausgeknipst wird? Ein Mensch, der tot umfällt, ist ja immer noch da, aber wo ist sein Leben hingegangen? Spielt sich die menschliche Existenz etwa nur im Kopf ab? Vielleicht, so denkt er, werden wir das Rätsel des Lebens niemals lösen, vielleicht ist der Mensch zu klein dazu.

Er vermag dem antiken Philosophen Epikur nicht zu folgen, der darauf hinweist, solange wir leben, sei der Tod ja abwesend. Und unseren eigenen Tod werden wir nicht überleben. Epikurs frohe Botschaft: So lange wir leben, ist unser Tod nicht da. Für Ernest Hemingway jedoch ist der Tod zu jeder Zeit und an jedem Ort gegenwärtig, er vermag den Gedanken an ihn nicht abzuschütteln. Der bärtige Amerikaner begreift nicht, was vor der Geburt war, und vor allem, was nach dem Ableben kommt. Der Tod gehört immer irgendwie dazu, wenn er nachdenkt, alles läuft auf ihn hinaus, der Tod steht als rot blinkendes Warnschild ständig an seinem Wegesrand.

Die Natur mündet im Tod, es gilt von Kindesbeinen an. We are all bitched from the start. Das Sterben beginnt mit der Stunde der Geburt. Ernest Hemingway weiß um die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz, von dem Tag an, an dem wir auf die Welt kommen, klebt uns allen die Scheiße an den Hacken. Ihm schwant, wie schwer das Sterben für einen Mann wird, der voll im Leben steht. Man braucht viel

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Ernest Hemingway trifft auf Martha Gellhorn

Martha Gellhorn mit Ernest Hemingway 1937 im Spanischen Bürgerkrieg. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston

Der Schriftsteller lebt von 1931 bis 1939 mit seiner zweiten Ehefrau Pauline Pfeiffer und den beiden gemeinsamen Kindern Patrick und Gregory in dem herrschaftlichen Haus an der Whitehead Street von Key West. Eigentlich könnte Ernest Hemingway sein Leben genießen, er hat beruflich Erfolg, die Familie ist gesund und munter, er selbst befindet sich körperlich in einer guten Verfassung. Alles in allem sind es vergnügte Tage, Wochen und Monate in Südflorida.

We have a fine house here, and the kids are all well, schreibt er in einem Brief, das Haus sei schön und die Kinder wohlauf. Gleichwohl brodelt es in seinem Innersten: Er verhält sich zunehmend reizbar und wirkt angespannt, denn er fühlt sich nicht am Ziel. Freunde bemerken an ihm eine innere Getriebenheit und eine emotionale Ruhelosigkeit. Und auch die Ehe mit der bedrückten Pauline köchelt nur lau vor sich hin.

Ernest Hemingway, auf seinem luxuriösen Anwesen in Key West, will zur Jagd nach Wyoming aufbrechen. Doch zwei Begebenheiten werden die tropische Behaglichkeit ins Wanken bringen. Zum einen erreicht ihn die Nachricht, dass in seinem geliebten Spanien mit dem Putsch reaktionärer Offiziere der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Und zum anderen prallt er auf eine neue Frau, ach was, ein blonder Marschflugkörper auf zwei Beinen donnert auf ihn zu.

Eine wunderschöne 28-jährige Amerikanerin aus Missouri tritt zu Weihnachten 1936 in sein Leben. Martha Gellhorn, auf Urlaubsreise mit Mutter und dem Bruder Alfred in Miami, macht einen Abstecher mit dem Bus nach Key West. Am späten Nachmittag betritt die junge Frau das Sloppy Joe’s in einem schwarzen Kleid, das ihre langen goldblonden Haare noch mehr strahlen lässt. Martha, schlank, mit einem ebenmäßigen jugendlichen Gesicht, zieht sogleich die Blicke aller Männer in der Kneipe auf sich. 

Der Schriftsteller springt aus seinem Hocker an der Theke, nähert sich dem Tisch der Gellhorns, schnappt sich ungefragt einen Stuhl und setzt sich zu der Familie. Ernest Hemingway, stellt er sich vor, Sie müssen den doppelten Daiquirí probieren. Mutter Gellhorn nickt kurz. Vier Papa Dobles, ruft der Autor dem schwarzen Barkeeper Al Skinner zu. Zwischen Martha und Ernest knistert es, von der ersten Sekunde an.

Ein ungewöhnliches Pärchen hat sich da im Sloppy Joe’s gefunden. Hier die blassgesichtige und chic gekleidete Intellektuelle, dort der groß gewachsene sonnengebräunte Hallodri, dem das ungekämmte Haar wild über die Stirn ins Gesicht fällt und der seine Fischershorts mit einem einfachen Hanfstrick gebunden hat. Auf den ersten Blick sieht der wohlhabende Schriftsteller in seiner Kluft aus wie

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Ist Ernest Hemingway ein katholischer Autor?

Ernest Hemingway, zwei Jahre vor seinem Tod, in La Cónsula bei Málaga. Spanien, im Juli 1959. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Er ist kein gläubiger Mensch, dieses Friede, Freude, Eierkuchen gehört nicht in die Welt dieses kernigen Mannes. Sein Verhältnis zur offiziellen Religion bleibt zwiegespalten. Religion ist Aberglaube, tönt er groß und relativiert dann, und ich glaube an Aberglaube. Häufig macht er sich über den herkömmlichen Gottesglauben lustig. Doch vieles, was Ernest Hemingway schätzt, überschüttet er gerne mit Spott und Hohn.

Ernest Hemingway, er hat es oft genug gesagt, glaubt nicht an Gott. Er hat Freunde in der Priesterschaft, doch für einen tiefen Gottesglaube fehlt ihm die Demut. Allerdings fällt auf, für einen Atheisten redet dieser Mann verdammt oft über Gott. Und für einen Ungläubigen kann der Amerikaner erstaunlich viel mit dem Glauben und seinen Ritualen anfangen.

Auch wenn er eine andere Begrifflichkeit verwendet, katholische Riten und Kategorien wie Sünde, Buße, Selbstkasteiung, Vergebung, Sakrament oder Pilgertum bleiben ihm nicht fremd, besonders in Andalusien. Die Rituale der Religion dienen als Anker für die Seele in Not. Auch er sucht in der Bedrängnis den Zuspruch, auf seine Weise.

Manche seiner Texte lesen sich wie Gebete, die Inhalte erinnern bisweilen an eine Beichte. So verwundert es nicht, dass Ernest Hemingway mit der Novelle über einen alten Mann und den Fisch eine Erzählung von alttestamentarischer Vehemenz verfasst hat. Der alte Mann und das Meer, mit Dutzenden von Anspielungen an religiöse Topoi, kann auch gelesen werden als eine biblische Parabel. Die stilistischen Ähnlichkeiten zwischen dem Alten Testament und Hemingways Werk sind erstaunlich.

Er war ein alter Mann, der allein in einem kleinen Boot im Golfstrom fischte, und er war jetzt vierundachtzig Tage hintereinander hinausgefahren, ohne einen Fisch zu fangen. Das ist der Anfang von Der alte Mann und das Meer. „Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird“, heißt es in Matthäus 4,2 Die Versuchung Jesu. Und bei Hiob 1,1 Ijobs Rechtlichkeit steht: „Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Ijob. Dieser Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse.“

Es ist nicht nur der Stil, der überrascht, sondern auch die Hauptfigur. Kann es sein, dass Ernest Hemingway im Fischer Santiago eine Menschwerdung Jesus Christus andeuten will? Dieser einfache Fischer mit seinen zerschundenen Händen, der am Ende der Erzählung den Mast seines Bootes, wie Christus das Kreuz, über der Schulter mühevoll hinauf in sein Dorf zieht.

Manchmal setzt Hemingway seine Wörter – fast ist man geneigt zu sagen, seine Worte – wie

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Ernest Hemingways Vorwort zu Gustav Reglers ‚The Great Crusade‘

The Great Crusade wurde zuerst in den USA veröffentlicht, in der Übersetzung von Whittaker Chambers und Barrows Mussey.

Gustav Reglers beeindruckender Roman über den Spanischen Bürgerkrieg erscheint im Jahr 1940 im New Yorker Verlag Longmans, Green and Company. Der damals überzeugte Kommunist nennt seine Erzählung The Great Crusade. Der große Kreuzzug. Das Buch erhält einen Ritterschlag: Sein Freund Ernest Hemingway wird das Vorwort zu Das große Beispiel, so heißt das Original schließlich auf Deutsch, schreiben.

Im August 1939 bekommt Ernest Hemingway das dicke Manuskript von The Great Crusade auf seine Farm Finca Vigía bei Havanna übersandt. Der bärtige Amerikaner muss 4,32 Dollar Einfuhrgebühr bei der kubanischen Zollbehörde für die Sendung aus New York zahlen. Sogleich macht sich der prominente Autor in seiner tropischen Wahlheimat an die Lektüre des Textes.

Alsdann schreibt der damals schon weltbekannte Schriftsteller in aller Ausführlichkeit sein Vorwort. Es lohnt, diesen launigen Prolog ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Denn er zeigt einerseits die Haltung Ernest Hemingways zu diesem grausamen Bürgerkrieg auf, und er verrät andererseits auch einiges über den Charakter und über die Persönlichkeit des späteren Nobelpreisträgers.

In einem Krieg sollte man aber die Niederlage nicht zugeben – nicht einmal vor sich selbst, schreibt Ernest Hemingway zu Beginn seines fünfseitigen Vorwortes. Wer sie eingesteht, ist endgültig geschlagen. Das ist nicht weit von seinem Lebensmotto A man can be destroyed, but not defeated. Ein Mensch kann zerstört werden, aber nicht besiegt. Er wird sein Credo von Tapferkeit und Resilienz in seinen Veröffentlichungen noch häufig in den verschiedensten Tonarten durchkomponieren.

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Eine vorbildlich editierte Ausgabe von Gustav Reglers Das große Beispiel auf Deutsch ist bei der Büchergilde Gutenberg erschienen.

In seinem Geleitwort erzählt der US-Amerikaner jene Begebenheiten über die Spanienkämpfer, die auch für seine Zeitungsreportagen aus dem Bürgerkrieg so typisch sind. Es gab keinen Mann unter ihnen, der nicht trotz der ständigen Todesgefahr Witze gerissen und zur Bekräftigung darauf gespuckt hätte. Wir hatten den Spucktest eingeführt, als ich mich einer Kindheitserfahrung erinnerte: Wenn man wirklich Angst hat, kann man nicht spucken. In Spanien fehlte mir sehr oft die Spucke, und war der Witz auch noch so gut.

Ernest Hemingway zeigt sich von The Great Crusade angetan. Vor allem lobt er die literarische Aufrichtigkeit des deutschen Autors. Es gibt Ereignisse, die so  groß sind, dass ein Schriftsteller, der sie miterlebt hat, moralisch verpflichtet ist, sie so wahrheitsgetreu wie möglich zu berichten, ohne sich anzumaßen, sie durch Erfindungen zu verändern. Diese Redlichkeit zeichne Gustav Reglers Buch aus. Es kommt selten vor, dass Hemingway einen Maßstab, den er an das eigene Werk anlegt, auch bei einem Kollegen als erfüllt ansieht.

Das Vorwort zu Das große Beispiel spart einen heiklen Punkt nicht aus: das

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Ernest Hemingway und Gustav Regler

Ernest Hemingway mit dem Schriftsteller Gustav Regler (rechts) und dem russischen Autor Ilja Ehrenburg (links) Anfang April 1937 an der Front bei Guadalajara. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Im Spanischen Bürgerkrieg freundet sich Ernest Hemingway mit dem deutschen Schriftsteller Gustav Regler an. Der Sohn eines Buchhändlers aus dem saarländischen Merzig, ein Mann vom Jahrgang 1898 und damit ein Jahr älter als der Amerikaner, ist als Politkommissar der XII. Internationalen Brigade zugeteilt. Sympathisch und klug charakterisiert Gustav Regler den berühmten Kollegen aus Übersee nach einem Zusammentreffen an der Guadalajara-Front im April 1937: „Genauso verachtete er [Ernest Hemingway] Literaten und Intellektuelle, es haftete das Parfüm der Feigheit an ihnen; Mut aber war der Maßstab, den Hemingway zuerst an den Menschen anlegte.“

Als im Juni 1937 bei Huesca eine Granate der Franquisten das Auto trifft, in dem auch Gustav Regler sitzt, wird der deutsche Spanienkämpfer schwer verwundet. Nach langer Rekonvaleszenz, als Soldat fortan untauglich, schickt die spanische Regierung den mehrsprachigen Regler in die USA, um für das republikanische Sanitätswesen in Spanien Spenden zu sammeln. Regler, er trifft auch Albert Einstein, gelingt es, eine ansehnliche Summe zusammenzutragen.

Am 7. Februar 1938 kommen Gustav Regler und seine Ehefrau Marieluise Vogeler dann nach Key West. Ernest und Pauline Hemingway empfangen die Reglers mit offenen Armen in ihrem herrschaftlichen Haus. Der Deutsche wird überwältigt von der Wohlhabenheit der Hemingways. Er staunt nicht schlecht über das üppige Anwesen mit Swimmingpool und über den Diener, der zu den Mahlzeiten die Speisen aufträgt. Sein Bild eines Schriftstellers ist bisher ein ganz anderes gewesen, das eines armen Schluckers und Überlebenskünstlers. 

Das deutsche Ehepaar wohnt für einige Wochen im Gästetrakt des Hemingway-Hauses an der Whitehead Street. Gustav Regler reist auf einem spanischen Diplomatenpass, für Marieluise Vogeler hat Hemingway persönlich bei den US-Behörden gebürgt und ihre Reisekosten bezahlt. Der Ortswechsel vom Elend des Bürgerkrieges in den vergnüglichen Alltag Amerikas wirkt wie ein Schock. „Wir waren ohne Geld. Ohne Freund. (Hemingway war da, ein Fels, eine Treue, aber gerade der eine Fels zeigte die Wüste um uns her noch deutlicher.)“, schreibt Regler über den USA-Besuch.

Zurück in Europa wird Gustav Regler bei Kriegsausbruch 1939 in Frankreich im Pyrenäenlager Le Vernet interniert. Ernest Hemingway und andere Freunde lassen ihre Beziehungen spielen. In Paris, an Weihnachten 1939, setzt sich Martha Gellhorn, Ernest Hemingways neue Flamme, persönlich bei den Behörden für Regler ein. Nach seiner Freilassung im März 1940 nehmen Gustav Regler und seine Frau dann ein Schiff nach New York.

Ihr endgültiges Exil finden Gustav Regler und Marieluise Vogeler dann in Mexiko, zunächst in Ajusco, südlich der Hauptstadt, später in Coyoacán, einem pittoresken Vorort vom Mexiko-Stadt. Mit Verkäufen von Mieke Vogelers Bildern, sie ist die Tochter des Worpswedener Malers Heinrich Vogeler, hält das Ehepaar sich über Wasser. Über die Jahre, desillusioniert von seinen Jugendidealen, setzt sich Regler auch öffentlich von der kommunistischen Bewegung ab. Unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Paktes bricht er Anfang der 1940er Jahre endgültig mit der Kommunistischen Partei. Üble Nachreden und bösartige Schmähungen durch ehemalige Gesinnungsgenossen folgen stehenden Fusses.

Die Pleite im Spanischen Bürgerkrieg lastet schwer auf Hemingways Gemüt. Gustav Regler berichtet von einer verstörenden Begegnung. Der berühmte Kollege ist im Frühjahr 1942 zu Besuch bei den Reglers in Mexiko, man verlässt gerade den Tampico-Club, da drückt der Amerikaner unvermittelt seinen Freund

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Der schönste Hemingway-Satz: Spanien

Es war seltsam, wieder nach Spanien zu kommen. Ich hatte nie erwartet, in das Land zurückkehren zu dürfen, das ich außer meine Heimat mehr als jedes andere liebe, und ich wollte nicht zurückkehren, solange dort noch einer von meinen Freunden in Haft war.
Ernest Hemingway

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Ernest Hemingway – ein kämpferischer Weltenbummler

Eine Doppelseite von Ernest Hemingways Reisepass. Credit Line: Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba

Von seiner Zukunft besitzt der 17-jährige Schüler eine genaue Vorstellung. My name is Ernest Miller Hemingway. I want to travel and write, verrät er 1916 in seinem Notizbuch Memoranda an der Oak Park and River Forest High School. Der hochgewachsene Jugendliche aus einem Vorort von Chicago möchte in der Welt umherreisen und schreiben. Und Ernest Hemingway wird in seinem zukünftigen Lebensjahren diesen Traum verwirklichen.

Sein amerikanischer Reisepass braucht viele Seiten für all die Ein- und Ausreisestempel dieser Welt. USA, Kuba, Bahamas, Mexiko, Peru, Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien, Spanien, Österreich, Schweiz, Deutschland, Belgien, Bulgarien, Türkei, Hong Kong, China, Kenia, Uganda, Tansania. Die Liste kann nicht vollständig sein.

Wir reden nicht von heute, ICE, Jumbo Jet und Lufthansa Frankfurt nach Rio de Janeiro für 650 Euro, hin und retour natürlich. Wir müssen uns schon 100 Jahre in die Welt des jungen Hemingway zurückbeamen. Ernest fängt an im Mai 1918, kurz nach der Schule, als naiver Kerl mit achtzehn Jahren. Wochenlang auf dem Ozeandampfer von den USA nach Europa. Erster Weltkrieg, Italien, Ambulanzfahrer, Schlacht an der Piave. Sechs Monate Lazarett.

Es geht munter weiter im turbulenten Leben dieses Mannes. Bürgerkrieg in Spanien, Zweiter Weltkrieg, Aufstand in China, kubanische Revolution. Dazu Krankheiten, Abstürze mit dem viersitzigen Propeller-Flugzeug. Ernest Hemingway reist gerne dahin, wo es kracht und bummert. Das wird dann kein TUI-Urlaub, all inclusive, sondern mündet in harter Arbeit. Mit hohem Risiko für Leib und Seele. Und dieser Mann kommt nicht ohne Wunden nach Hause.

Der berühmte amerikanische Autor, im Jahr 1954 verleiht man ihm den Nobelpreis für Literatur, bereist gerne die versteckten Eckchen und die stürmischen Schauplätze unseres Erdballs. Dieser scheinbar ungehobelte Bursche, der nicht nur packende Reportagen und erstklassige Romane schreiben kann, ist zugleich bereit, dafür durch die große weite Welt zu preschen. Denn ihm ist klar, ein Frosch am Boden des Brunnens sieht nur einen kleinen Ausschnitt des Himmels.

Ein weiteres unterscheidet ihn von vielen Landsleuten: Der bärtige Rabauke lässt sich auf das Fremde ein mit Haut und Haaren. Die Welt ist so voll von so vielen Dingen, dass ich sicher bin, wir sollten alle glücklich sein wie die Könige. Ernest ist dafür bekannt, dass er die

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