Ernest Hemingways Brief vom 21. Mai 1956 an die Fotografin Modeste von Unruh aus dem peruanischen Fischerdorf Cabo Blanco.

Der Schriftsteller setzt sich an den kleinen Tisch und verfasst ein Schreiben an Modeste von Balás-Piry. Er befindet sich in Cabo Blanco, im Norden Perus, und der Kalender zeigt den 21. Mai 1956. Der Nobelpreisträger spricht die deutsche Fotografin Modeste von Unruh mit ihrem Ehenamen an, so wie er auf ihrer Visitenkarte steht. Auf dem mauven Briefpapier des Cabo Blanco Fishing Clubs schreibt der bärtige Amerikaner einen herzlichen Gruß an seine Fotografin und übermittelt ihr nochmals seinen Dank.

Er findet, dass die Fotos auf der Miss Texas die Marlin-Jagd glänzend einfangen und er, der wilde Naturbursche, steht im Mittelpunkt von all dem. Über den Schnappschüssen, die in der Hamburger Zeitschrift Kristall erscheinen sollen, weht ein Hauch von Draufgängertum und Verwegenheit, so soll ihn die Welt sehen.

Die Fotos der Modeste von Unruh halten seinen Triumph fest, sie schmeicheln seiner durch das Alter verletzten Eitelkeit. Die Bilder aus Cabo Blanco künden der Welt von seiner Vitalität, einerlei, wie es in ihm drinnen aussieht. Die Botschaft vom Sieg des alternden Mannes richtet sich nicht nur an die Welt da draußen, die Botschaft geht vor allem an ihn selbst.

Denn das Bulletin seines kubanischen Hausarztes Doktor José Luis Herrera Sotolongo spricht eine klare Sprache. Doch die Fotos lindern seine Pein ein wenig, zwar nicht den Schmerz des Körpers, aber den der Seele. Deshalb richtet Ernest Hemingway herzliche Worte des Dankes an Modeste von Balás-Piry, in einem eng beschriebenen Brief, über eine volle Seite.

Zunächst bittet er die junge Fotografin, sie veröffentlicht unter ihrem Mädchennamen Modeste von Unruh, um weitere Abzüge. Dann spricht er seine Anerkennung aus. I wish you could have been with us all the time, with your beautiful camera and your good luck. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die ganze Zeit bei uns gewesen wären, mit Ihrer wundervollen Kamera und Ihrem guten Glück.

The good luck, das gute Glück, das sich von der Fotografin auf den Autor überträgt, weil sie hilft, den großen Fisch zu fangen. The good luck beschreibt jenen Glücksmoment, der sich einstellt, wenn man sein Ziel erreicht und seinen Traum verwirklicht. Ernest Hemingway sucht sein Leben lang nach the good luck, am Meer, auf seiner tropischen Finca oder sonst wo.

Modeste von Unruh hütet den handgeschriebenen Brief von Ernest Hemingway sorgsam. Auch als sie später, im Jahr 1969, mit der Familie von Peru nach Deutschland zurückkehrt, wegen der besseren Schulbildung für die beiden Söhne. In Bad Gandersheim bei Hannover eröffnet sie ein eigenes Foto-Studio. Leider werden in den 1970er Jahren viele Fotos und Negative bei einem Brand in ihren Geschäftsräumen vernichtet, doch der Brief des Ernest Hemingway überlebt.

Als Rentnerin dann, ihr Ehemann Dr. László von Balás-Piry ist bereits verstorben, wird sie den kostbaren Besitz zu Geld machen. Zur Finanzierung einer teuren Reise mit ihrer Schwester Nina nach Namibia, wo Verwandte leben, verkauft sie im Jahr 2003 den Hemingway-Brief und einige verbliebene Originalfotos an einen vermögenden Radiomanager in den USA.

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