Ernest Hemingway, Cabo Blanco, im Mai 1956; Photo by Modeste von Unruh

Ernest Hemingway,
Cabo Blanco, im Mai 1956;
Photo by Modeste von Unruh

Von Ernest Hemingway finden sich zahlreiche Portraitphotos, oft von Meistern ihres Fachs. Von Yousuf Karsh oder Alfred Eisenstaedt, um zwei ganz große zu nennen. Fesselnde Reportagephotos von Hemingway jedoch besitzen Seltenheitswert, denn der Schriftsteller lässt nur ungern Photographen mitkommen auf seine Abenteuertrips.

Die Photos der deutschen Photographin Modeste von Unruh legen ein packendes Zeugnis ab von diesem Jahrhundert-Schreiber. In ihrer deutschen Heimat wird die Hamburger Illustrierte Kristall die Photos aus dem fernen Cabo Blanco drucken, später auch der stern.

Ernest Hemingway hat zur jungen deutschen Photographin Zutrauen aufgebaut, es ist wie immer, wenn er jemanden mag. Dann öffnet er sich und spielt nicht die übliche Rolle des Raubeins und Nobel-Pudels. Hemingways Verhalten der Photographin gegenüber wirkt fast väterlich und bisweilen leicht kumpelhaft. Keineswegs distanziert oder gar macho-haft, wie sich Frau von Unruh erinnert.

Eines der schönsten Photos gelingt Modeste von Unruh an Land. Sie mag dieses Photo sehr, auch fast 60 Jahre später noch. Das Photo zeigt Ernest Hemingway im nahen Portrait, leicht von unten und von der Seite aufgenommen. Der Schriftsteller sitzt an einem Tisch, in der rechten Hand einen Kugelschreiber, und Hemingway schreibt. Das Gesicht wirkt auf den ersten Blick versunken, der konzentrierte Blick durch die rundliche Brille, die in ein feines Silber eingefasst ist, gilt dem Schreibpapier vor ihn.

Dies ist kein gestelltes Portrait, wie es so viele von dem Schriftsteller gibt, sondern ein spontanes Reportagephoto. Ernest Hemingway weilt im Cabo Blanco Fishing Club, im Frühstücksraum, und er signiert Fotos. Trotz aller Aufmerksamkeit, die im Gesicht Hemingways geschrieben steht, lässt sich auch eine gewissen Erschöpfung nicht übersehen. Seine Augen scheinen matt und müde, das ist Haar ungewaschen und das Ohr und die Lippen angeknabbert von den beißenden Sonnenstrahlen über dem Pazifik.

Einen merkwürdigen Kontrast zu Hemingways Charakterkopf bildet seine sehr freizeitliche Kleidung, das Seemanns-Polo, ein weißes Shirt mit dunklen Querstreifen. Der Nobelpreisträger als Matrose, so möchte man anmerken, oder ein Matrose als Nobelpreisträger.

Ernest Hemingway, so empfindet die junge Photographin, die in Lima lebte, umgibt eine Aura. Eine solche Ausstrahlung, solch ein Charisma, dieses gewisse Etwas – es hat nicht jeder Schriftsteller, und auch nicht jeder erfolgreiche.

Aber dieser Ernest Hemingway ist auch ein dankbares Objekt für einen Photographen. Wie jeder Mensch mit ausgeprägtem Charakter ist er sehr fotogen und seine Barttracht verleiht ihm zudem eine individuelle Note. Doch da ist noch ein Winzigkeit mehr. Es geht eine magische Wirkung von ihm aus, so ein Glanz, ähnlich wie eine verzaubernde Kraft. Wie auch immer, warum auch, schwer zu ergründen, es ist halt so, und auf den wirklich guten Photos mit Ernest Hemingway ist diese Verzauberung auch eingefangen.

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