Die Plaza de Toros in Ronda, eine der ältesten Stierkampf-Arenen der Welt, bildet noch heute das Zentrum der weißen Stadt in den Bergen Andalusiens. Der Sandsteinbau mit der auf Säulen ruhenden Arkadengalerie ist eine architektonische Augenweide. Foto by W. Stock, 2019

Gut 6.000 Besucher kann die Plaza de Toros in Ronda fassen, bei einer Stadt mit nur 30.000 Bewohnern bleibt es da nicht einfach, die Arena vollzukriegen. Sie gilt als eine der ältesten und auch eine der schönsten ihrer Art, die kreisrunde Anlage wird zum Vorbild für zahlreiche Stierkampf-Arenen in der Welt. Außer an Tagen, an denen eine Corrida stattfindet, ist die Plaza de Toros im Zentrum von Ronda täglich für Besucher geöffnet.

Die Plaza de Toros de Ronda wurde in den Jahren von 1783 bis 1789 von dem Architekten José Martin de Aldehuela erbaut. Die Plaza hat über zwei Jahrhunderte den Puls der Stadt bestimmt. Es war in Ronda, wo der Matador Pedro Romero vor zweihundert Jahren, zusammen mit seinem Kollegen José Delgado – genannt Pepe Hillo – aus Sevilla, die heute geltenden Stierkampf-Regeln festlegte. Die Tauromaquia o arte torear à caballo y à pie gilt als Beginn des neuzeitlichen Stierkampfes.

Neben den Romeros stammt auch die Torero-Dynastie der Ordoñez aus Ronda, Vater Cayetano und Sohn Antonio. Hemingway-Kenner wissen Bescheid. Die Rivalität mit Sevilla ist immer groß gewesen. Und noch heute kann man in Ronda den Stierkampf erleben, andere Landstriche, wie Katalonien, haben das Spektakel längst mit einem Verbot belegt. In Barcelona wurde aus der Stierkampfarena eine Shopping Mall.

Zwar gibt es heutzutage in Ronda nicht allzu viele Corridas, jedoch jedes Jahr in der ersten Septemberwoche feiern die Andalusier ihre Corrida Goyesca, einen Stierkampf im Goya-Stil. Toreros aus der ganzen Welt kommen dazu nach Ronda, um diesem einzigartigen Spektakel, einer Idee von Antonio Ordóñez, beizuwohnen. Die Stierkämpfer, als auch Teile des Publikums, verkleiden sich in traditionellen Goya-Kostümen im Stil des 18. Jahrhunderts. 

Spanien, das ist spätestens seit dem blutigen Bürgerkrieg in den 1930er Jahren klar geworden, ist in zwei Spanien zerfallen. Dabei ist nicht nur das politisch linke und das rechte Spanien gemeint, sondern auch das moderne und traditionelle Spanien. Der Bruch Spaniens mit der bigotten Diktator des General Francos nach 1975 fiel radikal aus, der Wandel zur modernen Gesellschaft bleibt tief zu spüren. Francisco Franco, der bekanntlich hochbetagt im Bett starb, dient über die Jahre der Transición und noch heute als Antipode.

Die Abkehr vom Althergebrachten, vom Paternalismus, von den alten Traditionen und von den Glaubenssätzen wurde gleichgesetzt mit der Abkehr von der Despotie. Das war nicht falsch, denn den Franquismus kann man durchaus als Herrschaft des Militärs, des Katholizismus und der andalusischen Latifundistas sehen.

Das Pendel schlug in Spanien kräftig in die andere Richtung aus. Der Abschied von den Überlieferungen der Väter und Großväter ging einher mit dem Aufstieg von religiös aufgeladenen Chimären. Die neuen Jakobiner setzen alles daran, die alten Sitten und Gebräuche Spaniens auszuradieren, nichts soll an den kleinen, dicken Diktatur und an die Anpassung der Gesellschaft erinnern. Sogar die Gebeine des Despoten sollen nun, 45 Jahre nach seinen Tod, aus ihrer angestammten Grabstätte verlegt werden.

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Noch heute finden auf der Plaza de Toros in Ronda die Stierkämpfe statt. Die moderne Welt findet dieses Spektakel mittelalterlich, die alte Welt hingegen staunt über Gendersternchen und Nasenpiercings. Foto by W. Stock, 2019

Selbstredend will die neue Modernität auch den Stierkampf verbannen, nicht nur weil der Diktator bei der Corrida so gerne in der Loge saß. Die neumodische Welt begreift den Stierkampf einfach nicht, wohl aber der Amerikaner Ernest Hemingway. Er sieht ihn als eine Art Theaterinszenierung, als eine Aufführung unter freiem Himmel, wo alle Tugenden vorgeführt werden, die den Menschen durch sein Erdenleben begleiten: die Gefahr, der Mut, Stolz und Würde, das Ehrgefühl und der Kampf gegen einen mächtigen Gegner.

Eine Corrida symbolisiert eigentlich die Konfrontation mit dem Tod, ein guter Torero kämpft nicht gegen das Tier, sondern gegen das Schicksal. Im Matador spiegeln sich all die Kühnheit und die Tapferkeit des Menschen gegen den wuchtigen Gegner. Diesen Widersacher des Lebens zu bezwingen, wenn wir ihn schon nicht im Tod bezwingen können, dann doch wenigstens für ein paar Minuten im Leben. Die Auflehnung mag sich letzten Endes als alberne Illusion am Sonntagnachmittag auf Barrera herausstellen, doch was wäre der Mensch ohne seine Torheiten?

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Pedro Romero aus Ronda gilt als der Ahnvater des Stierkampfes der Neuzeit. Er gießt das komplizierte Regelwerk des Kampfes gegen den Stier in seine noch heute gültige Form. Foto by W. Stock, 2019

Die Turbulenzen der modernen Welt engten schon in den 1950ern den Lebenstraum des Ernest Hemingway ein und er ist froh, in Spanien ein kleines Reservat für seine angestammte Gefühlswelt zu finden. In den Sommermonaten vor seinem Selbstmord im Juli 1961 – in den Jahren 1959 und  1960 –  kommt er, schon krank und leer, nach Spanien zurück. Im Sommer 1960 ist er endgültig am Ende, doch Ernest Hemingway befindet sich in seinem Spanien. In jenem Land, das er mehr liebt als seine Heimat, weil Spanien von Herz und Seele als seine Heimat gebraucht wird.

Die traditionsverbundene Lebensart Südspaniens erdet einen getriebenen Menschen, festigt einen Suchenden, der nach Beständigem dürstet und der mit dem Neumodischem nicht viel anzufangen weiß. Obwohl er mit der Kirche nicht viel am Hut hat, zeigt Ernest Hemingway oft seine Wertschätzung für den tiefen Glauben seines erzkatholischen Sehnsuchtlandes. Die althergebrachten Bräuche und die archaischen Riten der Katholiken – wie die Marienverehrung oder die bußfertigen Kapuzenmänner der Penitentes – faszinieren den Amerikaner durchaus. Als Schriftsteller, der über das Leben und den Tod schreibt, muss er eine Beziehung zum Übersinnlichen aufbauen.

Am Ende seines Lebens fühlt sich der Nobelpreisträger in die Enge getrieben, geographisch, literarisch, medizinisch und vor allem in Bezug auf seine Ideale und seine Lebensweise. Spanien sei das letzte gute Land, wie er sagt, er meint, gut für ihn. Die Gesellschaft zwischen Bilbao und Cádiz hat sich seitdem weiterentwickelt, das kann keinen wundern, man sollte dem alten Schlechten auch nicht nachtrauern. In der säkularisierten Moderne Spaniens jedoch ist für den Stierkampf wenig Platz – ebenso wie für Ernest Hemingway.

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