Ernest Hemingway liest die New York Times, 1949, Finca Vigía, San Francisco de Paula, Kuba;
Photo by George Leavens

Ernest Hemingways Faible für gute Photos rührt daher, dass er als visueller Mensch durchs Leben geht. Erstaunlich für einen Autor, der sich doch eher mit der sprachlichen Abstraktion von Begebenheiten und Bildern beschäftigen sollte. Doch als der liebe Gott diesen Ernest Hemingway formte, da hat er eine schnelle Leitung vom Auge in den Bauch gelegt.

Bild zu Gefühl, so läuft das bei ihm. Die Leitung in den Kopf nutzt er auch ab und an, aber wer sich so zudröhnt wie er, der knipst an manchen Stellen auch gerne mal das Licht aus. Vom Auge in den Bauch, genauso arbeiten die Photographen, jedenfalls wenn sie gut sind und wenn auch ihre Photos gut werden sollen. Ernest mag deshalb die Zunft der Photographen, nicht nur weil sie seine Eitelkeit mästen.

Er sieht sie als Kollegen, auf Augenhöhe, als Künstler mit der gleichen Aufgabe, mit der gleichen Herausforderung und wohl auch mit den gleichen Zweifeln wie er. Viele Photographen lässt er deshalb nah an sich heran, mehr als vielleicht nötig, und auch mehr als vielleicht zuträglich. Doch oft lohnt es sich, die wirklich guten Photographen kitzeln dann noch etwas heraus aus ihm. Oder sie fangen die richtige Sekunde ein.

So wie dieser George Leavens, fast ein Kumpel, der auch auf Kuba wohnt und über die Jahre wundervolle Photos von der Insel und seinen Bewohnern geschossen hat. Ernest Hemingway mag den Australier vom Jahrgang 1912 sehr. Denn auch George liebt das Meer und ist zudem ein fantastischer Tiefseetaucher.

Mit der Familie kam George Leavens als Jugendlicher nach Kalifornien, dann ging er als junger Kerl nach New York und bekam eine Anstellung beim Magazin HOLIDAY. In den späten 40er Jahren lebte er auf Kuba, wo er die alltägliche, aber auch die exotische Seite der Karibik auf seinen Photos festhielt.

George Leavens hat eines von Hemingways Lieblingsphotos geschossen, im Jahr 1949. Ein Bild, auf dem der Schriftsteller in der Finca Vigía im Schlafzimmer auf dem Bett liegt und die New York Times liest, und die Times, naja, ist seine einzige Bekleidung.

George Leavens hat diesen kurzen Augenblick in heiterer Art und Weise getroffen, so wie auch ein wenig Glück zum Leben eines jeden Photographen gehört. Zum richtigen Zeitpunkt auf den Auslöser drücken. Und einen Ernest Hemingway einfangen, wie er leibt und lebt. Nicht als bewunderte Ikone, sondern als kerniger Mann, der dem Leben, wo immer er weilt, ein Stück Wildheit abtrotzt.

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