(c) Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba

Als ich 1982 für einige Monate in Mexiko lebe, schalte ich eines Abends das Fernsehgerät an, um mir auf Televisa die Hauptnachrichten mit Jacobo Zabludovsky anzuschauen. Gerade ist ein neuer Präsident gewählt worden, und das krisengeplagte Land dürstet nach Zuversicht. Was denn von diesem Miguel de la Madrid Hurtado zu halten sei, werden in einem Beitrag einige prominente Persönlichkeiten gefragt.

Nun, antwortet ein bärtiger US-Amerikaner mit rauchiger Bassstimme und dickem Gringo-Akzent, auf den neuen Präsidenten setze er große Hoffnungen. Und damit liegt der Interviewte, der US-Regisseur John Huston, ja gar nicht mal falsch. Denn dieser Präsident De la Madrid läutet in Mexiko Reformen ein, um dem Abstieg und dem Chaos, das ihm sein linkspopulistischer Vorgänger José Lopez Portillo hinterlassen hat, einigermaßen Herr zu werden.

Zu dieser Zeit weilt John Huston schon länger in Mexiko. In Puerto Vallarta am Pazifik, wo er im Jahr 1964 den Film The Night of the Iguana gedreht hat, lebt er in dem Land, das er wie sein eigenes liebt. John bleibt ein großer Freund Mexikos. Er residiert nicht nur viele Jahre in dem Land, sondern hat auch einige der schönsten Filme mit mexikanischem Kolorit gedreht – so Der Schatz der Sierra Madre, nach B. Traven, der auch in Mexiko lebte, oder Unter dem Vulkan.

John Huston ist keine Hollywood-Pappnase, sondern ein europäisch infizierter Rebell. Kino sieht er als eine Kunstform, die neben Unterhaltung ruhig auch literarischen Anspruch und Gesellschaftskritik einbringen darf. John hat den film noir in den USA zu Glanz geführt, sein Der Malteser Falken gilt cineastischen Kennern noch heute als handwerkliches Meisterstück.

Ernest Hemingway und John Huston, das passt. Nicht nur physiognomisch. Der bärtige Ernest und der bärtige John haben einiges gemeinsam. Beide feiern schon in sehr jungen Jahren riesige Erfolge, beide gelten als Erneuerer ihrer Genres, beide lieben die Latino-Kultur, jeder der zwei besitzt eine raumfüllende Präsenz, beide sind Abenteurertypen und beide bilanzieren einen beachtlichen Frauenverschleiß. Ernest und John werden Freunde, mehr noch, Brüder im Geiste.

Warum ich soviel über John Huston in Hemingways Welt plaudere? Nun, als Ernest Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur erhält, dann fliegen die Glückwunsch-Telegramme zu seiner Finca Vigía nur so ein. Präsidenten, Schauspieler und Kollegen freuen sich mit. Doch der schönste Glückwunsch zu den Nobelpreis-Ehren schickt jener John Huston. Nur drei Wörter. John Huston telegrafiert am 29. Oktober 1954 an Ernest Hemingway: Great, Papa, great!

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