Frank Sinatra, 1947. Foto: William P. Gottlieb.
Photo Credits: Wikimedia Commons, Public Domain.

Im Havanna der 1940er Jahre laufen genug gegelte Amerikaner herum, deren Nachnamen auf -a oder -o enden und deren Reichtum bedenklich nach Koks, Puff oder sonstigen niedlichen Sachen riecht. In diesen vorrevolutionären Tagen hören Havannas Nächte auf das Kommando der Bosse aus Chicago und New York, die amerikanische Mafia hat Kubas Hauptstadt unter sich fein aufgeteilt.

Über das Hotel Capri herrscht Nicholas di Constanzo, im Deauville hat Santo Trafficante junior das Sagen, Meyer Lansky macht das Hotel Riviera unsicher, sein Bruder Jack ist der Platzhirsch im Hotel Nacional. Ob Wettspiel, Prostitution oder Heroinschmuggel, die amerikanische Mafia ist in Havanna allgegenwärtiger als im Vatikan der liebe Gott.

Matrosen, Flugzeugpiloten, Anwälte stehen auf den Gehaltslisten der Mafia. Politiker und Polizisten sowieso. Aber wen man auch fragt, keiner weiß genaues. Den feinen Herrschaften ist nichts nachzuweisen. Nicht mal ein klitzekleiner Mord.

Am liebsten hängen die Spitzbuben im Hotel Nacional ab. Das Nacional ist ein achtstöckiges Gran Hotel im Vedado, ein architektonischer Stilmix aus Neoklassik und Art Deco, ein oller Schuppen aus dem Jahr 1930, groß und weitläufig und mit einem riesigen Garten wie in einem mittelalterlichen Kloster. Das Nacional ist das beste und wohl auch schönste Hotel der Stadt mit einem atemberaubenden Ausblick über den Malecón und hin zur Bucht von Havanna.

Im Februar 1947 organisiert Meyer Lansky im Nacional, dem dort das Casino gehört, ein rauschendes Fest für seinen Kumpan Lucky Luciano. Als Höhepunkt des Abends will man Frank Sinatra einfliegen lassen. Sinatra ist da 31, ein schmales Kerlchen, aber mit einem richtigen Schlag bei den Frauen. Auch als Schauspieler hat er Erfolg, doch vor allem als Sänger ist er seit seiner Zeit im Orchester des Tommy Dorsey ein gefeierter Star. In Havanna, vor der ehrenwerten Gesellschaft, soll Frank Sinatra seinen neuen Hit I’ve Got You Under My Skin zum Besten geben. Wenn das mal kein passender Song für diesen Anlass ist! Auf jeden Fall, man möchte eine Menge Spaß haben an diesem Abend.

Auch Ernest Hemingway geht den Prozenten bekanntlich nicht aus dem Weg. Und auch er mag das Nacional. Ab und an, wenn er von seiner Finca nach Havanna rein fährt, hockt er dort, am Tresen in einem der sieben Barräume des Hotels. Der Bar Sirena, wo er mit Vorliebe anzutreffen ist, hat er aus Zuneigung die blaue Holzschnitzerei eines Marlinfisches geschenkt.

Als die Fete der Cosa Nostra am 11. Februar 1947 steigt, kommt Frank Sinatra tatsächlich, geschützt von fünf Leibwächtern, und ein jeder, der in Havannas Halb- und Unterwelt etwas auf sich hält, findet sich zur munteren Sause ein. Da kommt Alberto Anastasia, auch Vito Genovese und Frank Costello wünschen allseits einen Guten Abend, Joe Profiacci, Tony Accardo, Tommy Luchese werden gesehen, Sam Giancana und auch die Fischetti Brüder mögen’s richtig krachen lassen.

Fehlt eigentlich nur Old Hem. Der persönliche Sekretär von Meyer Lansky wird flugs mit einem Brief zur Finca Vigía nach San Francisco de Paula geschickt. In dem Umschlag steckt eine knappe handgeschriebene Botschaft von Sinatra an Ernest Hemingway. My friend, there’s a whiskey waiting on my table for you, Frank.

Ernest Hemingway liest den Brief, antwortet aber nicht. Er streitet auch nicht. Wenn er jemand nicht mag, wenn er abgeschlossen hat mit etwas, dann sagt er nichts. Wenn er streitet, dann ist noch Hoffnung. Doch Ernest Hemingway will nicht streiten mit Sinatra.

In dieser Nacht singt Frank Sinatra für Lucky Luciano und seine Freunde. Hemingway kommt nicht. Er lässt nichts von sich hören. Und später sieht man Sinatra mit Mister Luciano durch Havanna ziehen, im Gran Casino Nacional beim Glücksspiel, auf der Pferderennbahn. Sinatra bleibt vier Tage und vier Nächte. Ernest Hemingway verkriecht sich in seinem Tropen-Paradies und das Schnulzengesäusel kann bleiben, wo es will.

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