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Fossalta di Piave, im September 2009;
Photo by W. Stock

In Mailand, im Hospital des American Red Cross in der Via Manzoni, wird er geröntgt und man entfernt ihm aus den Beinen 227 kleine Splitter – eigene, Hemingways Zählung. Manche Nerven bleiben taub für den Rest seines Lebens. Nur einem neuen Wundwaschverfahren hat er es zu verdanken, dass sein Bein nicht amputiert werden muss.

Hemingway hat dem Tod ins Angesicht geschaut. Fosslta war ein Wendepunkt in seinem Leben. Vielleicht weniger Wendepunkt, sondern mehr Verstärkungspunkt. Fossalta hat irgendetwas in ihm zerstört, etwas, von dem er ahnte, dass es irgendwann kaputt gehen würde. Du trägst den Tod auf den Schultern, das würde ihm später ein spanischer Freund sagen.

Denn die schlimmste Verletzung passierte nicht an Bein und Knie, sondern im Kopf. Die österreichische Granate hat seine heile Welt in Stücke gerissen, den jungen und gesunden Mann plagen in Folge nun Todesängste, Albträume, Schlaflosigkeit und Angstzustände.

Was als Abenteuer angelegt war, endet in einer großen Desillusion. Das Sterben ist kein Abenteuer und auch kein Spaß. Das Sterben ist Schmerz, Ekel, eine Qual, das Sterben ist eine Dreckssache.

Schmerzlich wird Ernest Hemingway sich der Zerbrechlichkeit und Endlichkeit des Lebens bewußt, ein Leben, das manchmal nur ein paar Zentimetern vom Tod getrennt ist. Der 18-Jährige hat seine Unschuld verloren, die Unschuld des Jungen am Leben.

Die Erlebnisse aus Fossalta hat Hemingway später in einigen Werken verarbeitet oder einfließen lassen. In der Nick Adams Story So, wie du niemals sein wirst lässt er sein Alter Ego nach Fossalta zurückkommen, und als die Schlacht vorüber ist, merkt er, wo er gelandet ist. Was für eine Dreckscheiße! Es wußte, es war alles verfluchte Scheiße.

Erst 30 Jahre nach dem Vorfall bei Fossalta kehrt Hemingway in die Lagunenlandschaft zurück. Venetien, das blieb Zeit seines Lebens eine große Liebe. Und so symbolisiert Venetien die Extreme des Daseins: Paradies und Hölle, Pinienduft und Mörsersplitter, Naturidyll und kaltes Todestrauma.

Diese Zweideutigkeit manifestiert sich auch am Denkmal auf Fossaltas Damm. Vorne als Inschrift berichtet es vom verwundeten Ernest Hemingway und auf der Rückseite des Denkmals, dem Fluss zugekehrt, findet sich eine Hemingway-typische Liebeserklärung an diesen Landstrich. Io sono un ragazzo del basso Piave. Ich bin ein Junge aus der Piave-Ebene.

 

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