Das Sun Valley, umgeben von den Ausläufern der Rocky Mountains;
Photo: W. Stock, 2018

Im Spätsommer 1958 wird Ketchum Nebenwohnsitz der Hemingways, ein Jahr darauf dann der Lebensmittelpunkt des Ehepaares und schließlich auch Ernest Hemingways Todesort. Auch wenn Ernest Hemingway aus seinem kubanischen Paradies vertrieben ist, so bleibt der Umzug nach Ketchum eine versuchte Heimkehr zu den vitalen Jahren. Ähnlich wie die Finca Vigía wird auch das entlegene Ketchum für ihn zu einem Ort des inneren Rückzugs.

Die Turbulenzen der modernen Welt engen den Lebenstraum des Ernest Hemingway immer weiter ein und er ist froh, ein kleines Reservat für seine angestammte Gefühlswelt zu finden, weit weg von dem neumodischen Gewäsch der Nachkriegsjahre. The Last Good Country heißt eine Kurzgeschichte von ihm, die posthum veröffentlicht wird, am Ende seines Lebens fühlt er sich in die Enge getrieben, geographisch, literarisch, medizinisch und vor allem in Bezug auf seine Ideale und seine Lebensweise.

So ist es kein Wunder, dass Ernest Hemingway sich in die Abgeschiedenheit der Bergwelt Idahos einigelt in seinen letzten beiden Jahren. Auf dem Gipfel des Berges angekommen schauten die beiden zurück und sahen den See im Mondlicht. Die Nacht war klar genug, um den dunklen Punkt zu sehen, und dahinter die Anhöhe der fernen Küste. „Wir sollten ihm noch Lebewohl sagen“, meinte Nick Adams. „Lebewohl, See“, sagte Littless. „Auch ich liebe Dich.“

Am Ende seiner Tage merkt der Schriftsteller an sich allerdings ein aus der Zeit gefallen sein, eine anwachsende Verlorenheit seines Lebensbildes. Er hätte auch gut vier, fünf Jahrhunderte zuvor leben können, denn dieser puritanische Habitus der Großstädte Amerikas verstört ihn. Schon im Elternhaus ist ihm der calvinistische Ethos übel aufgestoßen, Kuba und Spanien mit dem unaufgeregten Alltag haben ihn endgültig gründlich versaut. 

Im September 1958 mietet das Ehepaar das kleine möblierte Haus von Marjorie Brass Heiss in Ketchum an, für 175 Dollar Monatsmiete, als die Familie Heiss im Dezember dann zurückkommt, wechseln Ernest und Mary zu einer Immobilie der Familie Witcher auf der Second Avenue. Währenddessen lässt das Ehepaar über einen Makler nach einer eigenen Bleibe suchen.

Dann, im April 1959, finden Mary und Ernest ein großes, imposantes Haus mit riesigem Grund oberhalb von Ketchum, das die Hemingways schließlich vollmöbliert für 50.000 Dollar von Henry Topping, einem vermögenden New Yorker Playboy, käuflich erwerben. Mary möchte ihrem Ehemann Halt bieten in diesen innerlich wie äußerlich turbulenten Tagen, sie will ihm die Zeit verschönern, denn sie weiß, wie es um ihn steht.

Als Rückzugsort eignet sich Ketchum hervorragend. Schriftsteller liebt das Majestätische der Berge Idahos, Ketchum liegt auf 1.800 Metern Höhe, weit oben im Gebirge, unterhalb des Sawtooth National Forest, und ist etwas mühselig nach stundenlanger Fahrt über den gottverlassenen Highway 20 von Boise über Fairfield zu erreichen. Der Trapper David Ketchum hat im Jahr 1880 jenes Territorium abgesteckt, das später dann als Siedlung seinen Namen tragen sollte. Der Landstrich gehörte früher den Schoschonen, dann fielen jene Glücksritter ein, die die Silberminen ausbeuteten und, als auch diese geleert waren, besann man sich auf den Tourismus.

Die Leute in dem abgelegenen Dorf machen nicht viel Aufhebens um den berühmten Schriftsteller, sie mögen ihn einfach, er gehört dazu. Ernest Hemingway ist zudem einer, der schnell warm wird mit den Menschen, die Leidenschaft zur Natur eint zudem. Ketchum ist nicht America, sondern Rural America, amerikanisches Hinterland, das ländliche Amerika der Rinderfarmen und Kornsilos, New York und Washington sind so fern wie der Mond.

Loading