Mary Welsh, die aparte Mrs. Hemingway Nummer 4.
Photo by Modeste von Unruh

Im September 1921, mit jungen 22 Jahren, heiratet Ernest Hemingway zum ersten Mal. Drei weitere Hochzeiten werden folgen. Der Übergang zwischen den einzelnen Ehen erfolgt fließend, praktisch lebt der Schriftsteller immer mit einer Frau zusammen – auch wenn es nicht dieselbe gewesen ist. Dieses eheliche Band ist eine Konstante in einem ansonsten ruhelosen Leben, Ernest Hemingway braucht stets eine Frau an seiner Seite.  

Doch über der vierten Ehe von Ernest Hemingway scheint nicht nur die Sonne der Glückseligkeit. Die selbstbewusste Mary Welsh gibt ihrem Mann fleißig Kontra, und dies ist das Letzte, was Ernest braucht. Die von ihm zu oft verletzte Mary setzt ihrem Gatten ziemlich zu, sie nimmt unter vier Augen kein Blatt vor den Mund. In der Öffentlichkeit allerdings lassen weder Miss Mary noch Ernest ein böses Wort über den anderen fallen.

Die tapfere Miss Mary muss als Ehepartner einiges ertragen, seine Trunksucht, die schlimmen Wutausbrüche und vor allem seine zahlreichen Liebesabenteuer. Auch wenn der Schriftsteller seine Mary nach Strich und Faden betrügt, irgendwie braucht er diese Frau, vielleicht als Anker gegen seine Einsamkeit im Alltag, vielleicht auch, um nicht ganz abzurutschen.

Trotz aller ehelichen Turbulenzen darf man Mary Welsh wohl als Glücksfall für den launenhaften Schriftsteller bezeichnen. Obwohl, wenn man sich so umhört, auch dazu gibt es mehr als eine Meinung. Der Journalist Mario Saavedra aus Lima, der sie als auch ihn tagelang in Cabo Blanco beobachtet hat, empfindet ihr Auftreten und ihren Charakter als sehr „deutsch“, der Peruaner meint es nicht als Kompliment. 

Coram publico nimmt Mary Welsh sich in den Jahren der Partnerschaft mit dem Schriftsteller sehr zurück, es macht ihr nichts aus, sich intellektuell im Hintergrund zu halten. In den anderthalb Jahrzehnten ihres Zusammenlebens hat sie schnell gemerkt, dass es gegen die öffentliche Brillanz ihres Mannes eh kein Anleuchten gibt, sie versucht es deshalb erst gar nicht.

Aus Walker in Minnesota stammt Mary Welsh, sie hat an der Northwestern University studiert, sie ist neun Jahre jünger als Ernest, und eine Frau, die geschliffen auftritt und gut zuhören kann. Vor ihrer Ehe mit dem Schriftsteller arbeitet Mary Welsh als Journalistin, in London, wo die beiden sich zum Ende des Zweiten Weltkrieges dann auch kennengelernt haben. Die junge Amerikanerin gilt als lebenslustige junge Frau und wohnt mitten im Londoner Diplomatenviertel, sie ist hübsch anzusehen, es mangelt nicht an Verehrern.

Mary besitzt einen scharfen Verstand, eine umfassende Bildung und eine schnelle Auffassungsgabe, da hat sie ihrem Angetrauten einiges voraus. Ihr Langmut bleibt bemerkenswert, meist zeigt sie sich nachsichtig und toleriert die Laster ihres Ehemannes. Sie ermahnt ihn des Öfteren, es mit dem Alkohol und den Frauengeschichten nicht zu übertreiben. Nutzen tut es nicht viel, weder bei dem einen noch bei dem anderen. Resigniert sieht sie über die amourösen Eskapaden des Gatten grollend, aber dann doch mit Engelsgeduld hinweg.

Mary ist mehr als einmal drauf und dran, ihn zu verlassen. Sie kauft sich ein Apartment am New Yorker Central Park, um unabhängig zu sein. Doch die patente Mary trägt ihr Päckchen mit auffallender Contenance, denn sie ist eine gestandene Frau, die in ihrem Leben schon einiges erlebt hat. Als der Nobelpreisträger in seinen letzten Jahren dann krank wird, siegt ihr Pflichtgefühl.

Die Ehe der beiden steht oft genug auf der Kippe, auch Ernest ist nicht glücklich. Ich wünschte, ich könnte sie verlassen, wirklich, gesteht Ernest in seltener Offenheit seinem besten Freund Aaron Edward Hotchner, aber ich bin jetzt zu alt, um eine vierte Scheidung und die Hölle, die Mary mir bereiten würde, durchzustehen.

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