PapasKofferWelch eine hübsche Idee für einen Roman! Ernest Hemingway, so ging das Gerücht in den Literaturzirkeln, hatte in den Zwanziger Jahren einen Koffer im Pariser Hotel Ritz zurückgelassen, voll mit Manuskripten und Aufzeichnungen. Doch, wo war dieser Koffer abgeblieben? Die Jagd nach dem Koffer roch nach Abenteuer und Krimi. Auch literarisch.

Deshalb nahm ich mit Vorfreude das Buch von Gerhard Köpf mit dem Titel Papas Koffer in die Hand, als es im Jahr 1993 erschien. Nicht irgendeine Klitsche hatte den Titel verlegt, sondern der traditionsreiche Luchterhand Verlag, wo einst auch Günter Grass zu publizieren pflegte. Als Lektor des Buches zeichnete Klaus Siblewski, einer der großen Lektoren hierzulande, heute ein Professor für Literaturwissenschaft. Und auch der Autor Gerhard Köpf war nicht irgendwer. Der Mann besaß einen guten Namen als fleißiger Schreiber, er hatte Dutzende Bücher verfasst und war zudem auch Professor.

Als ich jedoch, damals vor zwei Jahrzehnten, das kleine Büchlein von knapp 190 Seiten in die Hand nahm, zu lesen begann, verflog meine Vorfreude ziemlich schnell und wurde durch tiefen Ärger abgelöst. Denn seitenlange Passagen des Buches hatte ich schon einmal gelesen, ganze Abschnitte des Buches kamen mir sehr bekannt vor. Sie stammten von mir.

Köpf hatte meine Kuba-Impressionen zu Ernest Hemingway frech aus meinen früheren Artikeln abgeschrieben. Und das seitenlang. Ein wenig hatte er geändert, hier ein kleines nichtssagendes Füllwort, dort ein verkürzter Satz. Jedoch im Kern blieben es meine Sätze. Interviews, die ich geführt hatte, gab Köpf als die seinigen aus. Wortwörtlich.

Mein Besuch auf Finca Vigía, mein Treffen mit Gregorio Fuentes, Hemingways Kapitän, La Bodeguita und die Floridita, das alles schrieb nicht Gerhard Köpf, sondern Wolfgang Stock. Sieben, acht Seiten, einfach abgekupfert. Als sei Köpf auf Kuba gewesen, wo es doch ich war. Ein klassisches Plagiat. Das war schon dreist.

Ich setzte meinen Anwalt gegen Autor und Verlag in Marsch. Luchterhand und Köpf antworteten ziemlich kleinlaut. Beide akzeptierten schnell meine Forderungen: eine Unterlassungserklärung, dem Buch wurde ein Errata-Zettel mit Hinweis auf mein Copyright beigefügt, Gerhard Köpf musste einen saftigen Schadenersatz zahlen, eine hübsche vierstellige Summe, an eine von mir ausgesuchte karitative Vereinigung.

Hemingways Koffer hat es tatsächlich gegeben. Doch die Geschichte ist längst aufgeklärt. Als der Schriftsteller im November 1956 nach Paris zurückkehrt, da findet er im Keller des Ritz noch zwei kleine Überseekoffer mit Notizbücher und Manuskriptseiten aus den Jahren 1921 bis 1926. Im Mai 1928 hatte Ernest Hemingway die beiden Koffer in dem Pariser Luxushotel eingelagert.

Nach Hemingways Tod erscheint 1964 auf Grundlage dieser Aufzeichnungen die Paris Impression A Moveable Feast, zu Deutsch, Paris – Ein Fest fürs Leben. Das ist das Buch, in dem wunderbare Sätze stehen, so wie diese Reminiszenz: So war Paris damals, als wir sehr arm und sehr glücklich waren.

Papas falscher Koffer bei Luchterhand hat dann auch seinen Nutzen entfaltet. Für die Waisenkinder in Mexiko. Er hätte seine Freude daran gehabt.

Loading