Als Kriegsberichterstatter erlebt Ernest Hemingway im Winter 1944/45 die blutigen Kämpfe am deutschen Westwall. Monatelang wird in der waldigen Schneelandschaft der Nordeifel gekämpft.

Diese Schlacht im Hürtgenwald bei Aachen zwischen US-amerikanischen Boden-Divisionen und der Wehrmacht ist so schrecklich, dass Ernest Hemingway meint, seine Gefühle am besten in Versen ausdrücken zu können. Poem to Mary nennt er seine Lyrik, denn er hat gerade seine neue Liebe Mary Welsh kennengelernt.

Und sein Second Poem an Mary geht so:

Now sleeps he
With that old whore Death
Who, yesterday, denied her thrice.
Do you take this old whore Death
for thy lawful Wedded wife?
Repeat after me
I do, I do, I do.
Sixty seven times

Auf Deutsch hört sich dieser dichterische Versuch über den Krieg auch nicht gerade besser an.

Nun schläft er
mit dieser alten Hure Tod
der gestern sie dreimal verleugnete.
Nimmst du diese alte Hure Tod
zu deiner dir rechtmäßig angetrauten Frau?
Sprechen Sie mir nach
Ich will, ich will, ich will.
Siebenundsechzig Mal.

Die Wiederholung am Ende des Gedichtes soll an die 61 Soldaten und 6 Offiziere des 22. Infanterieregiments erinnern, die an der ehemaligen Siegfriedlinie im Hürtgenwald im Herbst 1944 gefallen sind.

Als Hemingway sein eigenes Gedicht laut gelesen hat, soll er geweint haben. Und auch dem Leser kommen die Tränen, allerdings eher wegen der Qualität der Verse. So wunderbar Ernest Hemingway die Prosa zu modulieren weiß, so blamabel fällt so manch poetischer Versuch von ihm aus. Weil – wie bei Poem to Mary – der Rhythmus nicht stimmt, die Wörter an der Oberfläche schwimmen und der Text keine Tiefenschärfe besitzt, kommt der Meister bei seinen Poemen nicht über Poesiealbum-Niveau hinaus.

Irgendwie scheint der harte Knochen Hemingway literarisch am Zweiten Weltkrieg zu verzweifeln. In A Farewell to Arms hat Ernest Hemingway noch seinen Lesern den Ersten Weltkrieg nahebringen können, mit For Whom the Bell Tolls präsentiert er dem bigotten Generalísimo Francisco Franco einen Denkzettel für den Spanischen Bürgerkrieg.

So etwas wie Leo Tolstois Krieg und Frieden hat nach dem Zweiten Weltkrieg deshalb alle Welt von Ernest Hemingway herbeigewünscht oder etwas in der Güteklasse von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues. Etwas ganz, ganz Großes jedenfalls. Einen epochalen Roman über den Zweiten Weltkrieg, nicht mehr und vor allem nicht weniger, hat man von Ernest Hemingway erwartet. Doch der hat ihn nicht geschrieben. Nur ein paar seltsame Gedichte.

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