Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Hemingway – über ihn Seite 2 von 12

Ernest Hemingway, herzlichen Glückwunsch zum 125. Geburtstag!

Ernest Hemingway im April 1956 in Cabo Blanco. Foto: Modeste von Unruh. Archiv Dr. Stock (colorized).

Am 21. Juli 1899 wird er in Oak Park, einem biederen Vorort von Chicago, geboren. Zum 125. Geburtstag von Ernest Hemingway ein Blick auf das angespannte Verhältnis des amerikanischen Nobelpreisträgers zu den Deutschen

Von Wolfgang Stock

Er kann ein paar Brocken Deutsch, nichts Weltbewegendes, am liebsten Schimpfwörter wie Schieber und Schweinehund. Die Ausdrücke hat er bei seinen mehrmonatigen Winteraufenthalten im österreichischen Schruns aufgeschnappt und sie hier und da in seine Prosa eingebaut. Genau 291 deutsche Wörter und Begriffe findet man in Ernest Hemingways Werk. Ein wunderbarer Fundus, um Widerlinge zu beschreiben oder seiner Wut ein wenig Luft zu machen.

Der Amerikaner aus Chicago und das Land der Germanen – es ist sicherlich keine Liebe auf den ersten Blick, wie bei Spanien und Italien. Vielmehr gestaltet sich die Beziehung zwischen Ernest Hemingway und Deutschland so wechselhaft wie das Wetter im April. Kühl, manchmal stürmisch und dazwischen ein paar Sonnentage. Die Deutschen sind bei einer Allensbach-Umfrage gefragt worden, wer die zwei bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts seien. Am meisten genannt: Thomas Mann und Ernest Hemingway. Es gibt sie also, die Verehrung und Zuneigung der Deutschen zu dem bärtigen Autor, der am 21. Juli 1899 in einem Vorort von Chicago geboren wurde und der seit Juli 1961 auf dem Dorffriedhof von Ketchum in Idaho begraben liegt.

Trotz literarischer Bewunderung schlägt dem Nobelpreisträger von 1954 reichlich Ablehnung entgegen, in Deutschland polarisiert kein anderer Autor derart. Als Prototyp eines Egomanen und politisch Inkorrekten zieht Ernest Hemingway die Kritik an wie ein Magnet. Besonders an seinem Charakter wird kein gutes Haar gelassen, es geht weniger gegen das Werk. Der Stierkampf-Liebhaber sei ein eigensüchtiger Sprücheklopfer, ein Hallodri durch und durch, ein Macho aus der Mottenkiste, ein grausamer Tierquäler, ein Deutschland-Hasser obendrein.

Schauen wir uns die Sache von seiner Seite an. Zu Ende des Ersten Weltkriegs wird der Sanitätsfahrer Hemingway im italienischen Fossalta schwer verwundet, getroffen von österreichischen Granatsplittern. Im Frühjahr 1933 verbrennen die Nazis seine Bücher, er steht auf der Schwarzen Liste. Und im Zweiten Weltkrieg sieht er als Kriegsreporter das Grauen an der Front im Hürtgenwald bei Aachen. Auch persönlich setzten die Deutschen dem US-Schriftsteller zu. In den Vogesen wird im Oktober 1944 sein ältester Sohn Jack von der Wehrmacht festgenommen und ein halbes Jahr im Kriegsgefangenenlager Moosburg an der Isar inhaftiert. Alles keine gute Grundlage für überschäumende Sympathie.

Neugier ist immer da gewesen. Von Dezember 1921 bis zum März 1928 lebt Ernest Hemingway mit Ehefrau Hadley in Paris. Seinen Unterhalt bestreitet der Jungvermählte mit journalistischen Artikeln, er hat einen Vertrag mit der kanadischen Zeitung Toronto Star als Europa-Korrespondent. Von Paris aus bereist der junge Reporter den Kontinent, mehrmals erkundet er Deutschland. Dabei arbeitet sich der US-Amerikaner fleißig an Stereotypen über die Germanen ab. Wir sahen Mütter, die ihren rosigwangigen Kindern Bier aus großen Halbliterkrügen zu trinken gaben. In Bayern, so möchte man rasch anfügen, sind es Einliterkrüge!

Klamaukig gerät auch die Schilderung, wie Hemingway in Triberg von den Bürokraten in den Amtsstuben ein Angelschein verwehrt wird. Und er sich trotzdem auf den Weg macht zu seinem Forellenbach im Schwarzwald. Wir stellten fest, dass man selbst auf einem der wilderen und abgelegeneren Wege keine zwanzig Schritte gehen konnte, ohne auf sechs bis acht Deutsche zu stoßen, die mit rasierten Schädeln, nackten Knien, Hahnenfedern am Hut, Sauerkraut im Atem, Wanderlust im Blick und einer gegen ihre Beine klappernden Sammlung von Aluminiumgeschirr des Weges zogen.

Seine Leserschaft merkt, dieser junge Autor vermag pointiert zu schreiben, pflegt zugleich mit Vergnügen die Vorurteile. Gemahl speist zuerst, Weibchen kriegt die Krümel! heißt die Überschrift seiner launigen Reportage über eine Bahnfahrt von Frankfurt nach Köln. Besser als jede akademische Sozialstudie beleuchtet Hemingway, wie grobschlächtig sich deutsche Ehemänner gegenüber ihren Frauen benehmen. In seinen frühen Zeitungsartikeln mag er, dick aufzutragen. Das Publikum daheim wird seine Impressionen mit Kurzweil goutiert haben. 

Als ehrgeiziger Korrespondent nimmt der Amerikaner seine Profession ernst, ihn zeichnet ein enormer Arbeitseifer aus. Man mag es kaum glauben, bei seinem Lebenswandel. Obwohl er sich zahlreichen Verlockungen dahingibt, die auf einen kernigen Burschen am Wegesrand lauern, schreibt Ernest Hemingway emsig. Er recherchiert gründlich, baut Kontakte auf und geht textlich in die Details. Diese Disziplin sollte er bis zum Ende seines Lebens bewahren.

Die Kabinettstückchen aus Deutschland für den Toronto Star, allesamt aus dem Jahr 1922, sind aus einem weiteren Blickwinkel aufschlussreich. Denn sie zeigen eine stilistische Eigenart, die den 23-Jährigen schon damals auszeichnet. Auch wenn er manches überzeichnet, der junge Journalist entwickelt in seinen Texten eine

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Ernest Hemingway – Ein Mensch, der mit bösen Geistern kämpft

Ernest Hemingway
Curtis L. DeBerg
Wrestling with Demons – In Search of the Real Ernest Hemingway. Curtis L. DeBerg begibt sich auf die Suche nach dem wahren Ernest Hemingway. Foto: W. Stock, Juli 2024.

Eine dramatische Lebensstation dieses Menschen spielt sich ab in dem beschaulichen venezianischen Dorf Fossalta di Piave. Im Ersten Weltkrieg gerät der 18-jährige Sanitätsfahrer Ernest Hemingway auf einem Uferdeich unter Beschuss durch österreichische Artillerie. Was genau geschah in dieser Nacht des 8. Juli 1918 am Fluss der Piave?

In der Dunkelheit – schwerst verwundet und ein halbes Jahr Rekonvaleszenz vor sich – zerbricht etwas im Inneren dieses unbedarften Teenagers. Das Kapitel über Fossalta ist das Herzstück des neuen Buches von Curtis L. DeBerg. Der Autor schiebt in seinem Werk eine provokante Frage nach: Was wäre, wenn die Verletzung, die Ernest Hemingway in dieser Nacht erlitt, eine völlig andere wäre, als jene die eine Mörsergranate geschlagen hat? 

Denn ein junger italienischer Soldat stirbt vor Hemingways Augen. Ernest befindet sich gegen ein Uhr nachts auf dem Uferdeich. Er will Fedele Temperini, einem 26-jährigen Rekruten aus dem toskanischen Montalcino, gerade ein paar Mitbringsel überreichen, da schlägt nur drei Armlängen von den beiden eine Mörsergranate ein. Unbeabsichtigt hat der italienische Soldat mit seinem Körper den Amerikaner vor dem Beschuss abgeschirmt und ihm so das Leben gerettet. Ist Fedele Temperini der wahre Held in Fossalta?

Ernest Hemingways Erzählung geht anders. Er will die Hauptfigur sein und brüstet sich damit, einen einheimischen Soldaten auf der Schulter aus der Schusslinie geschleppt zu haben. Was ist die Wahrheit? Curtis DeBerg wägt mit zahlreichen Informationen die möglichen Szenarien ab. Das wahrscheinlichste Szenario entlarvt Hemingways Version als Big Lie. Noch eine Narbe in der Seele dieses Großsprechers und Prahlhans? Einiges spricht dafür. 

Auf jeden Fall vergrößern die Vorkommnisse im Veneto des Juli 1918 die inneren Qualen des sensiblen jungen Mannes. Er, der sich für unverwundbar hält, hat dem Tod in die Augen geschaut. Es ist erst der Anfang. Diese arme Seele wird in ihrem Leben gegen genug böse Geister ankämpfen müssen. Fossalta ist lediglich der Auftakt einer Trauma-Karriere: der Hass auf die Mutter, drei zerbrochene Ehen, Depressionen und Krankheiten, Alkoholismus und schließlich Selbstmord.

Curtis L. DeBerg – ein Wirtschaftswissenschaftler, der über drei Jahrzehnte eine Professur an der California State University in Chico inne gehabt hat – folgt seit langer Zeit den Spuren des Jahrhundert-Schriftstellers. Auch von diesen Schauplätzen und ihren Besonderheiten berichtet das Buch. Heute lebt DeBerg in Miami oder im südfranzösischen Hendaye, viel näher an Ernesto kann man nicht kommen. Seine These zu dem Schriftsteller: Ein Leben, das sich über den Kampf mit den bösen Geistern erklärt. Kommt hinter diesem Konflikt etwa der wahre Hemingway zum Vorschein?

Wrestling with Demons mit über 400 Seiten ist ein Kaleidoskop, so bunt wie das Leben des Nobelpreisträgers von 1954. Ein solcher Mix aus Tatsachen sowie fiktiven Briefen und Dialogen, dazu die Hinzunahme der eigenen Biografie, ist ein Ritt über die Rasierklinge. Dass die packend geschriebenen Gedankengänge von Professor DeBerg die Bodenhaftung nicht verlieren, dafür sorgt glücklicherweise sein wissenschaftliches Temperament. Mit Literaturverzeichnis, Fußnoten und Stichwortverzeichnis, der Hemingway-Biograf nimmt uns mit auf eine Abenteuerreise mit rasanten Perspektiven, überaus kurzweilig und stets mit schlüssigem Nachweis.

Eine wunderbare Nachwirkung bringt die Beschäftigung mit Ernests Drama am Böschungsdamm der Piave hervor. Endlich erhält

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Warum wird Ernest Hemingway so gehasst?

Eigentlich ein umgänglicher Bursche. Ernest Hemingway in Cabo Blanco, April 1956. Foto: Mario Saavedra-Pinón (colorized).

Millionen mögen ihn, weltumspannend reicht die Verehrung für diesen Nobelpreisträger, viele bewundern die Kraft und Abgeklärtheit seiner Erzählungen und Romane. Auch seine dem Lebensgenuß zugewandte Persönlichkeit wird bestaunt, bisweilen mit einem leichten Heben der Augenbraue. Jedenfalls vermag dieser Autor so gut und bahnbrechend zu schreiben, dass noch heute seine Bücher im Stapel verkauft werden. Obwohl er doch schon seit über 60 Jahren auf einem kleinen Dorffriedhof ruht, in Ketchum, am Rande der Rocky Mountains.

Doch es gibt nicht nur Fans. Wenige Schriftsteller müssen solch eine tiefe Antipathie über sich ergehen lassen wie Ernest Hemingway. Es ist nicht ausschließlich Ablehnung und Kritik, die ihm entgegenschlägt. Blanker Hass ist darunter auszumachen. Gerade fortschrittliche Intellektuelle und neumodische Medienleute arbeiten sich in den Feuilletons, in den Podcasts und in Gesprächsrunden an diesem kernigen Mannsbild gerne ab. Vielen gilt er als so eine Art Donald Trump der Literatur. Im Groben kommt das Feuer gegen Ernest Hemingway aus zwei Richtungen. Von ganz links und ganz rechts.

Linke Zeitgenossen verachten ihn, denn er ist das glatte Gegenteil von woke. Er lebt politisch unkorrekt, plaudert frei heraus, ohne Rücksicht auf Gepflogenheiten und gutes Benehmen. Er ist ein Großkotz, wie er im Buche steht. Dazu gilt er nicht nur als wohlhabend, vielmehr ist er stinkreich, was für einen Schriftsteller eh schon Makel genug ist. Seine Häuser sind herrschaftliche Residenzen oder riesige ländliche Anwesen. Das Ehepaar Hemingway unterhält dafür eine Armada von Bediensteten, vom Koch über den Gärtner bis zur Wäscherin. Auto fährt er, aber nicht von eigener Hand, Juan heißt sein Chauffeur.

Was allerorten gesagt oder getuschelt wird, es interessiert ihn nicht die Bohne. Gegen all das Lästern setzt der Mann aus einem Vorort von Chicago ein gesundes Selbstbewusstsein und eine schnoddrige Ungeniertheit. Über ein Jahrzehnt hat er eine feste Geliebte, die zuvor als Prostituierte gearbeitet hat, recht ungewöhnlich für einen Nobelpreisträger der Literatur. Dieser Mann hat Prinzipien, jedoch es sind seine eigenen. Er zeigt Haltung, es ist aber seine Haltung.

Die Linken sagen deshalb, er sei ein Rechter. Allerdings läuft er niemandem hinterher. Und so scheint Mister Papa in keine Schublade zu passen. Links, rechts, oben, unten. Sinnlos zu beschreiben, wo dieser Künstler einer bodenständigen Avantgarde einzuordnen ist. Selbstbewusst würde Ernest Hemingway wahrscheinlich antworten: vorne. Das mag sogar stimmen, andere Klassifizierungen greifen einfach zu kurz. Aus diesem Grund langweilen all die Vorwürfe. Denn sie werden dem bärtigen Jahrhundert-Schriftsteller nicht gerecht. Es bleibt bei faden Schablonen, die eine Diskussion nicht weiterbringen. 

Die Rechten wiederum meinen, er sei ein Linker. Ein linker Bourgeois, so zetern sie aus der rechten Ecke. Er habe für die linke Republik gekämpft im Spanischen Bürgerkrieg. Im Zweiten Weltkrieg sei er zumeist besoffen seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter nachgegangen. Er habe deutsche Soldaten auf dem Gewissen (was schon lange widerlegt ist). Er habe seine Frauen betrogen (was stimmt, er soll da allerdings nicht der Einzige sein auf diesem Globus). Fidel Castro habe er hofiert (was eine von den Castristen gepflegte Mär ist).

Ohne Zweifel, sein Charakter besitzt auch dunkle Seiten. Die wunderbare Literatur kann nicht alles entschuldigen. Er bechert zu viel, behandelt seine Frauen schlecht, mit Familie tut er sich schwer. Er lästert, poltert und donnert einfach drauf los. Und er flunkert und bauscht auf, dass sich die Balken biegen. Aber, wer mag da den ersten Stein werfen? Reicht dies für all den Hass? Fehltritte und Irrtümer gibt es gleichermaßen bei anderen in Hülle und Fülle.  

Solch ein Hass, der Ernest Hemingway entgegenschlägt, scheint mir zu einem großen Teil auch ein

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Ernest Hemingway und die Heilung am Meer

Wie klein der Mensch ist am Meer! Auch an dieser Bucht mit diesem tiefblauen Ozean ist Ernest Hemingway gewesen. Der Pazifik vor Acapulco, Mexiko. Foto: W. Stock, 1992.

Das Leben dieses Schriftstellers erschließt sich über das Meer. Das Meer hat mein Schreiben beeinflusst wie nichts anderes, meint Ernest Hemingway. La Mar es la gran influencia en mi vida. Das Meer sei der entscheidende Einfluss auf sein Leben. Er sagt es dem kubanischen Fernsehreporter Juan Manuel Martínez auf Spanisch, der ihn auf Finca Vigía interviewt, nachdem die Nachricht von der Verleihung des Nobelpreises die Runde gemacht hat. 

Trato de comprender la mar, formuliert Ernest Hemingway bei dieser Gelegenheit im kubanischen Fernsehen, ich versuche, das Meer zu verstehen. Ein Schriftsteller will das Meer verstehen. Diese Auffassung überrascht, denn die meisten Autoren wollen die Welt verändern oder zumindest den Menschen ergründen. Ernest Hemingway indes will das Meer verstehen. 

Darum zieht es ihn an Orte, die dem Meer nahe sind. Nach Finca Vigía, nicht weit von Cojímar und dem Golfstrom, nach Venedig, wo sich sein Zimmer im Gritti gleichsam weit in das adriatische Meer schiebt, nach La Cónsula bei Málaga, an die Sonnenküste Andalusiens, nach Barcelona am Mittelmeer, nach Acapulco in Mexiko, nach Cabo Blanco am Pazifik Perus, nach Key West, das ja ebenfalls umrahmt wird vom Meer. 

Sein Wunsch ist immer und überall, nahe dem Meer zu leben. Deshalb liebt er jene Landstriche, die ohne das Meer nicht vorstellbar sind. Der Autor fühlt sich angenommen in den Städten am Meer, die ihre eigene Tradition hochhalten und dennoch den offenen Brückenschlag in die Ferne bilden. Ich bin ein Mann des Meeres, pflegt er zu sagen und man hört diesen Satz oft von ihm. Auch in vielen seiner Werke singt er das Loblied auf das große Meer. 

Auf den ersten Blick mag es erstaunen, wie liebevoll und wie zärtlich dieser Rabauke und Trunkenbold über das Meer und über den Menschen am Meer schreiben kann. Er will das Meer verstehen. Ersetzen wird den Begriff Meer doch einfach durch den Begriff Evolution. Ernest Hemingway will das Wunder des Lebens ergründen. Damit er sich auch selber versteht. Das Meer trägt Geburt und Heilung in sich, es ist das Thema seines Schreibens. Leben und Untergang. Die Gesetzmäßigkeit dieses Kreislaufes der Natur, das Werden und Vergehen, das will er enträtseln und verstehen. 

Ernest Hemingway selbst wird am Meer ein anderer Mensch, vielleicht wird er hier auch erst so richtig zum Menschen. Die Zeit, die ich auf dem Meer vor den spanischen, afrikanischen und kubanischen Küsten verbracht habe, ist die einzige Zeit, die ich nicht verschwendet habe. Er kann sich so wunderbar erfreuen am Geheimnis des Daseins, ganz nahe am Meer, ganz nahe an sich.

So schön überfällt einen das Meer. Mit der Zeit wird man leichtsinnig am Ozean, auch sinnlich und draufgängerisch. Man nimmt endlich wieder den eigenen Körper wahr und entwickelt eine neue Lust am Leben. Deshalb fühlt sich Ernest Hemingway auf Kuba so wohl. Die Glut der Sonne kitzelt so manch verschüttete Begierde, der Mensch begibt sich in jene so selbstverständliche Natürlichkeit, die nur ein Ort am Meer ausstrahlen kann. Man muss nur den Mut aufbringen, sich in diese Körperlichkeit fallen zu lassen.

Wenn man länger am Meer lebt, dann kann man

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Eine spannende Hemingway-Biografie: Cabo Blanco

Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Zu beziehen über jede Buchhandlung oder bei amazon. Kostenlose Leseprobe (hier klicken)

Seit Herbst 2020 ist mein Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru im Buchhandel. Auf über 360 Seiten zeichnet das Paperback eine unbekannte Episode im Leben des Ernest Hemingway nach. Den fünfwöchigen Besuch des bärtigen Nobelpreisträgers in dem peruanischen Fischerdorf Cabo Blanco im April und Mai 1956.

Dabei ist dieses Buch mehr als eine Episoden-Beschreibung. Zusätzlich zu den Ereignissen in Cabo Blanco werden Rück- und Seitenblicke auf den turbulenten Lebensweg des US-amerikanischen Jahrhundert-Autors geworfen. So werden einzelne Mosaiksteine einer umfassenden Lebensschau zusammengefügt.

Um was geht es? Am 15. April 1956 brechen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary von ihrem kubanischen Wohnsitz Finca Vigía auf zu einer mehrwöchigen Reise nach Cabo Blanco. In dem kleinen peruanischen Fischerort sollen die Außenaufnahmen der Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer stattfinden. 

Gut 60 Jahre nach dem Besuch des Nobelpreisträgers ist Wolfgang Stock der Expedition nachgereist. Der deutsche Journalist und Buchautor entdeckt dabei eine Vielzahl an bisher unbekannten Begebenheiten und Fakten. Neben zahlreichen Dokumenten, Fotos und Spuren findet er Zeitzeugen, die sich lebhaft an Ernesto erinnern, ganz so als sei sein Besuch gestern passiert.

Das Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru ist packend und informativ geschrieben. Es rekonstruiert den Aufenthalt eines sympathischen Abenteurers mit Träumen und Hoffnungen. Es zeichnet aber auch das Bild eines gealterten Mannes, der mehr

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Paolo Conte: Hemingway

Oltre le dolcezze dell‘ Harrys Bar
E le tenerezze di Zanzibar
C’era questa strada
Oltre le illusioni di Timbuktu
E le gambe lunghe di Babalù
C’era questa strada

Questa strada zitta che vola via
Come una farfalla, una nostalgia
Nostalgia al gusto di Curaçao
Forse un giorno meglio mi spiegherò

Zazaza-zaza, zazazazaza
Zazaza-zaza, zazazazaza
Zazaza-zaza, zazaza-zaza, zazaza-zaza
Et alors, monsieur Hemingway, ça va?
Et alors, monsieur Hemingway, ça va mieux?

Jenseits der Süße von Harrys Bar
Und der Zärtlichkeit Sansibars
Es gab diese Straße
Jenseits der

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Ernest Hemingway – ein Kriegsverbrecher? Diese Woche auf „spiegel.de“

Eine hohe Gesamt-Reichweite: 12,28 Millionen Menschen lesen jede Woche SPIEGEL-Inhalte. Im gedruckten Heft oder online auf spiegel.de.

Mehrfach hat sich Ernest Hemingway aufgeplustert und behauptet, im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten getötet zu haben. Erst sind es nur wenige Soldaten gewesen, die der Schriftsteller erschossen haben will,  später dann 26. Mit der Zeit steigt die Zahl der Todesopfer auf 122 Deutsche.

Was ist dran an diesen Selbstbezichtigungen des Nobelpreisträgers von 1954? Ist es Realität oder Fiktion? Das sind die Fakten: Bei den US-Streitkräften ist der damals schon berühmte Autor als Pressekorrespondent für die Zeitschrift Collier’s akkreditiert gewesen.

Nach der Landung in der Normandie ist Ernest Hemingway der US-Army über Paris bis an die Westfront gefolgt. Dort, in der Schnee-Eifel und im Hürtgenwald bei Aachen wird er Augenzeuge der blutigsten Schlacht des Zweiten Weltkriegs. 

Doch hat Ernest Hemingway im Krieg gegen die deutsche Wehrmacht wirklich den Finger am Abzug gehabt? Hat er ganz persönlich Schuld auf sich geladen? Oder ist er bloß ein Wichtigtuer, ein Sprücheklopfer und ein großer Maulheld?

So lauten die Fragen, die seit Jahren einer Klärung bedürfen. Denn hier und da werden die Anschuldigungen, die Ernest Hemingway selbst in die Welt gesetzt hat, aufgegriffen und politisch instrumentalisiert. Die Unschärfe um diesen Themenkomplex steht zudem einem nachhaltigen Wohlwollen zwischen Autor und Land irgendwie im Wege. 

In einem ausführlichen Artikel auf spiegel.de leuchte ich ab dieser Woche das oft gehörte Narrativ über von Hemingway getötete Deutsche in all seinen Facetten aus. Den Artikel kann

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Ernest Hemingway: Ein Ende in Würde?

Ernest Hemingway unterm Kreuz. In La Cónsula bei Málaga, im Sommer 1959. Zwei Jahre sollten ihm noch bleiben. Photo Credits: Ernest Hemingway Photograph Collection, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Erschwernisse und Verwehrungen pflastern des Menschen Lebensweg. Und am Horizont wartet auf jeden Einzelnen ohne sein Zutun der endgültige Niedergang. Ein Mann kann zerstört werden, aber nicht besiegt. Allgemein verständlich umschreibt Ernest Hemingway in der Der alte Mann und das Meer die Kraft, die man zum Leben braucht. A man can be destroyed but not defeated. Ein Mensch kann äußerlich zerstört werden und innerlich trotzdem stark bleiben.

Jeder von uns hat solch eine Situation schon erlebt. Ein Mensch kann eine Niederlage erleiden, er muss jedoch kämpfen bis zum Schluss. Beated but not defeated, man kann geschlagen werden, aber nicht besiegt. Solange ein Mann – der Nobelpreisträger von 1954 meint natürlich ein Mensch – sich nicht selber aufgibt, einerlei wie viele Tiefschläge er erlitten hat, solange kann er nicht besiegt werden.

Ein Mensch kann zerstört werden, aber nicht besiegt. Auf solche Weise würdigt dieser oft ungehobelte Wüterich aus Chicago den freien Willen von uns Männern und Frauen. Er möchte die Willenskraft des Einzelnen stärken, indem er der Eigenverantwortlichkeit des Menschen ein literarisches Denkmal setzt. Dieser merkwürdige Trunkenbold und Weiberheld vom Michigan See singt das wunderbare Loblied auf das wundersame Individuum.

Besiegt werde ich nur, wenn ich es zulasse. In Würde verlieren. Vor allem darum geht es Ernest Hemingway. Doch wie verliert man in Würde? Indem man sich mit einem Jagdgewehr das halbe Hirn wegpustet? Oder wie der alte Mann, der geschlagen und mit leeren Händen in sein Dorf zurückkommt? Jedoch nicht besiegt ist. Santiago strahlt trotz seiner Niederlage eine menschliche Größe aus, auch weil er sich nicht besiegt gibt.

Der kubanische Fischer wird am nächsten Tag mit seinem einfachen Boot wieder herausfahren. Vielleicht wird er wieder verlieren. Es liegt nicht in seiner Hand. Mehr als den Versuch kann er nicht lenken. Aber der alte Fischer lässt sich seine Würde nicht nehmen. Und jeder Mensch, genau dies will uns Ernest Hemingway mitteilen, kann seine Würde wahren. Selbst wenn die Niederlage grenzenlos erscheint. 

Ein schlichter und braver Mensch – also eigentlich wir – muss sich in der Welt behaupten. Er kämpft um seine Würde. Dieser Schreiber hat sein Gleichnis vom würdevollen Scheitern des einfachen Fischers so beeindruckend erzählt, dass wir alle fasziniert sind. Die arme Seele Ernest Miller Hemingway selbst jedoch bringt die Kraft nicht auf, dem Vorbild seiner Romanfigur zu folgen. 

Don Ernesto hat sich anders entschieden. Es bleibt zu respektieren. Doch kann man in Würde aus eigenem Entschluss abtreten? Im christlichen wie im humanistischen Dogma folgt die Menschwerdung höheren Prinzipien. Kein Mensch kann sich selbst ins Leben setzen, jeder Mensch wird ohne sein Zutun in die Welt geworfen. Und so wie diesem Werden eines Menschen eine Magie innewohnt, so besitzt

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10 Tatsachen über Ernest Hemingway, die Sie überraschen werden

8. Ernest Hemingway überlebt zwei Flugzeugunglücke. Nacheinander.
Am 23. Januar 1954 gerät die gemietete Cessna mit dem Ehepaar Hemingway an Bord im Nordwesten Ugandas, bei Murchison Falls, ins Trudeln. Der einmotorige Propellerflieger kracht mit einer Bruchlandung zu Boden.
Ein zweites Flugzeug, eine britische De Havilland Dragon Rapide, mit dem das verletzte Ehepaar am nächsten Tag nach Entebbe zurückkehren will, fängt beim Abflug Feuer. Ernest überlebt, mit schweren Verletzungen an Kopf und inneren Organen.
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Der fortwährende weltumspannende Radau um seine Person zeigt: Ernest Hemingway lebt. Obwohl er doch schon so lange tot ist. Wahrscheinlich ist dieser Mann deshalb nicht kaputtzukriegen, weil er nicht nur wie ein Titan schreibt, sondern weil er zudem ein ziemlich buntes Leben vorzuweisen hat. Seine Person und sein Tun kann man von seinem Werk nicht trennen. Er lebt wie eine seiner Romanfiguren und er stirbt auch so. 

Er hat seinen Standpunkt in aller Deutlichkeit in Der alte Mann und das Meer niedergeschrieben, und sein Ratschlag wird sogar auf T-Shirts und Kaffeetassen gedruckt. „Aber der Mensch darf nicht aufgeben“, sagte er. „Ein Mann kann vernichtet werden, aber nicht besiegt.“ So lautet seine wesentliche Botschaft an alle Menschen, die gegen die Widrigkeiten des Lebens kämpfen. A man can be destroyed but not defeated. Auch er wird kämpfen, solange noch Hoffnung da ist. 

Warum hat dieser Nobelpreisträger von 1954 solch tiefe Spuren hinterlassen, während man sich an die Namen anderer Nobelkollegen jener Jahre kaum mehr erinnern kann? Selbst Leute, die sonst keine Leseratten sind, kennen und schätzen ihn, erliegen der Faszination seiner Stories und seines Lebens. Dieser Schriftsteller ist fasziniert vom Menschen und die Menschen von ihm.

Das macht den Unterschied zu anderen aus, auch mit seiner Lebensgeschichte hat uns dieser Erzähler gepackt. Es macht ihn einzigartig unter allen Kollegen, Ernest Hemingway belässt es nicht beim Erzählen. Er schreibt nicht nur über das Auf und Ab des Lebens in seinen Büchern, sondern er stellt dem geneigten Publikum die Zerrissenheit der menschlichen Existenz unter Entblössung der eigenen Biografie ins Schaufenster des Weltpublikums.

Wenn man diesem Schriftsteller an den Fersen klebt, dann bekommt man über die Jahre überaus Kurioses zu Gesicht. Wanduhren, Kaffeebecher, Spazierstöcke, Sonnenbrillen, Seife, Rum-Sorten und Schnaps-Variationen, wo der Name Hemingway draufsteht. Auch wenn der Rummel um den Meister

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Ernest Hemingway vergöttert seine Katzen

Hemingway
Katzen 
Cats
Ernest Hemingway mit einer Katze auf Finca Vigía, im Herbst 1949. Fotografiert von Paul Radkai. By courtesy of Marton Radkai

Nach San Francisco de Paula, viele Nebenstraßen sind nicht asphaltiert, braucht man von Havanna eine halbe Autostunde, zum Meer sind es von dem Anwesen gerade einmal zehn Meilen. Etwas außerhalb dieses ärmlichen Dorfes wohnt der illustre Schriftsteller auf seiner Finca Vigía, mehr als zwanzig Jahre lang. Dort lebt er zusammen mit Ehefrau Nummer Drei und Ehefrau Nummer Vier, nacheinander natürlich, sowie mit sechs Hunden und achtunddreißig Katzen. 

Achtunddreißig Katzen. Das ist keine Zuneigung, es ist eine Hingabe mit Haut und Haaren. Liebevoll betreut der Nobelpreisträger in seinem kubanischen Refugium die Katzen, er sorgt sich um sie, streichelt und drückt sie ans Herz. Und der bärtige Autor spricht mit ihnen wie mit einem Menschen. Als guter Vater kümmert er sich fürsorglich um die Kreaturen. Der Schriftsteller ist ganz vernarrt in die Katzen.

Denn Ernest sieht seine Tiere als Seelenverwandte. Eine Katze ist redlich in ihren Gefühlen. Menschen, aus welchem Grund auch immer, können ihre Gefühle verbergen, aber eine Katze kann das nicht. Auch er kann seine Gefühlswelt schwer verheimlichen, er lässt seine Umgebung und eigentlich die ganze Welt teilhaben an seinem Inneren, und selbst an seinen Lastern.

All seine Katze kennt er beim Namen, er gibt ihnen Identität und Persönlichkeit. Einer seiner Lieblingskater heißt Cristobal Colón und dieser Christoph Kolumbus wird von ihm gekrault, selbst wenn er am Schreibpult steht und an einem Manuskript arbeitet. Eine andere Katze, eine Angora, ruft er Princesa, eine weitere Good Will, Feather Puss, Furhouse und Boise. Viele Katzen nennt er nach Berühmtheiten, so Zane Grey, dem Schriftsteller, oder Clark Gable, dem Schauspieler.

Die Katzen besitzen auf der Finca Vigía Narrenfreiheit, Ernest ist kein gestrenger Vater, er erlaubt so ziemlich alles. Die Tiere dürfen auf Tischen und Schränken streunen, auf der Küchenanrichte naschen, sich in den Hausschuhen und in den Safari-Stiefeln bequem machen, und überall in Haus umherstreifen und über das weitläufige Landgut stromern. Für die Katzen räumt der Autor eine ganze Etage des Arbeitsturms frei. Ernest schreibt im Obergeschoss, die Haustiere dürfen auf der unteren Ebene des Turms machen, was sie wollen.

Als Paul Radkai im Herbst 1949 auf die Finca Vigía kommt, gelingt es dem ungarischen Fotografen, die Liebe Hemingways zu seinen Tieren wunderbar einzufangen. Der Schriftsteller spielt mit den Katzen und die Fotos von der Farm zeigen einen ausgeglichen und doch melancholischen Ernest inmitten der heilen Landschaft. Die Tiere und der Mensch als Schöpfung der Natur, in Verbundenheit.

Dennoch bemerkt man eine zerbrechliche Gemütslage über diesen Momentaufnahmen aus dem tropischen Paradies. Wo das Leben ist, da lauert auch der Tod. Ernest wird seit Jahren von depressiven Schüben übermannt, da fällt er innerlich in sich zusammen, und auch der Alkohol vermag ihn immer weniger zu trösten. Die Katzen sind seine Medizin. Nur die Katzen, in ihrer Unbekümmertheit, frei von Sorgen, schenken dem Autor kurze Augenblicke des Glücks. 

Den Katzenfriedhof auf dem Anwesen, versteckt hinter den Steinplatten der rückwärtigen Veranda, lässt der Schriftsteller liebevoll instand halten. Die Grabstätten der Tiere sind mit Sorgfalt gestaltet, mit Kreuzen und Grabplaketten, so als würde es sich um Menschen handeln, die hier begraben liegen. Gerade in den Katzen sieht Ernest Hemingway das Idealbild von Zartheit und Lauterkeit, es sind zerbrechliche und unschuldige Glücksmomente.  

In seinem karibischen Garten Eden auf der geliebten Finca Vigía, in seinem Imperium inmitten der tropischen Vegetation, bei seinen Katzen, findet dieser suchende Mensch die

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