Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Hemingway – über ihn Seite 3 von 11

10 Restaurant-Tipps: Am Tisch mit Ernest Hemingway

Platz 9: Christiania Restaurant, Ketchum
Das Christiania Restaurant in Ketchum, in den Rocky Mountains. Hier nimmt Ernest sein letztes Abendmahl. Am 1. Juli 1961.
"Best of all he loved the fall.
The leaves yellow on the cottonwoods
Leaves floating on the trout streams
And above the hills the high blue windless skies
…Now he will be a part of them forever."
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Ernest Hemingway ist kein Literat für den Elfenbeinturm. Ohne Bodenhaftung fühlt sich dieser kernige Naturbursche nicht wohl, ebenso wenig beim Plausch innerhalb der intellektuellen Crème de la Crème. In der Ferne findet er den Balsam für seine Seele, mitten unter bescheidenen Fischern, zünftigen Schankwirten und bodenständigen Ladenbesitzern, in den Restaurants mit den vorzüglichen Speisen. Auf Kuba, vor den Keys, in Barcelona und Andalusien, in Venedig oder Paris. 

In den Restaurants schreibt Hemingway und hier findet er seine Themen. Er grübelt nach über die wichtigen Themen seiner Welt: Über die Lust am Leben und über die wahre Liebe. Hier macht er sich ebenso seine Gedanken über das Sterben. Die Liebe, das Leben und der Tod – es sind Herausforderungen, die jeden umtreiben. Und es sind die Themen seiner Bücher. Diese Vertrautheit zum Individuum und zu dessen Nöten mag erklären, warum dieser Nobelpreisträger solch enorme Spuren hinterlassen hat, während man sich an die Namen anderer Nobelkollegen jener Jahre kaum mehr erinnern kann. 

Ernest Hemingway, der sich von Freunden gerne Papa rufen lässt, ist nicht unbedingt ein Schreiber für die gebildete Hautevolee. Im Gegenteil. Er geht hinaus in die Welt und hinein in das Leben. Und so tut sich ein beschwingtes Panorama auf vor Ernest Hemingway. Gaumenfreude in allen Variationen, Bier und Wein, ein nie gekanntes Schlaraffenland. Kneipen, Cafés, Bistros, Brasserien, Restaurants. Dazu Pâtisserien und  Boulangerien. Speisen und Getränke – besser geht es nicht auf dieser Welt.

Insbesondere wenn man sich vor Augen hält, dass in seiner Heimat in jenen Jahren eine freudlose Prohibition herrscht. Zu zahlreich sind die kulinarischen Versuchungen, denen ein Amerikaner wo auch immer ausgesetzt wird. Doch er baut nicht nur die Lokalitäten auf als Szenerie, vielmehr fügt er sie in aller Selbstverständlichkeit ein in seinen Alltag. All die wunderbaren Orte und Plätze der Lebensfreude werden somit zu Akteuren seiner Erzählungen.

Beispielsweise entwickeln die Kellner in seinen Erzählungen ein Eigenleben, sie werden von diesem Schriftsteller behandelt wie antike Götterboten. In der Kurzgeschichte Ein sauberes, gutbeleuchtetes Café – die Geschichte spielt zwar etwas später in Spanien, ist von der Machart für Hemingway allerdings schlechthin stilbildend – rücken sie mit einem Mal zu Hauptakteuren auf.

Ernest entwickelt ein gutes Gespür für Menschen. Andernorts ein Job für Aushilfen, verfügt ein Garçon in den eleganten Pariser Restaurants und Brasserien über eine Stellung, die von Kultiviertheit und Tradition geprägt ist. Er kleidet sich auch nicht wie vom Flohmarkt, sondern umhegt den Gast in einem weißen Hemd mit Binder, einer Weste und einer Schürze. Diese Gepflogenheit mag

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Ernest Hemingway geht den mühsamen Weg

Ernest Hemingway – ein Kämpfer.

Dieser Riese ist ein Kämpfer. Ernest Hemingway hat bei unzähligen Gelegenheiten Mut und Tapferkeit bewiesen. Schon als junger Mann von 18 Jahren hat er das Idyll der Vorstadt verlassen und das Abenteuer gesucht. Am eigenen Leib hat er erforschen wollen, wo die Grenzen des Menschen liegen.  

Schon als junger Sanitätsfahrer im Ersten Weltkrieg, wo sein Leben an der Veneto-Front auf dem Spiel stand. Und später war er überall dort, wo es krachte und knallte. Im Hürtgenwald in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs, in Spanien, wo sich Brüder und Freunde im Bürgerkrieg gegenseitig abschlachteten, und auf Kuba, wo Rebellen seit Jahren gegen korrupte Machthaber kämpften.

Ein unruhiger Charakter bummelt durch die Welt. Italien, Paris, Spanien, Afrika, Kuba. Sein Heimatland kriegt ihn nur sporadisch zu Gesicht. Auch schreibt er lieber über die Ferne. Er hätte Hausarzt in Oak Park werden können, so waren die Pläne der Eltern in Chicago. Doch er hatte andere Vorstellungen. Seine Suche gilt dem Kern der Evolution, er sucht tief und weit, draußen und drinnen.

Besonders am Wasser erhofft sich Ernest Hemingway Antworten auf seine Fragen. Am Meer und an den Flüssen denkt er über die wichtigen Themen seiner Welt nach: über die Freude am Leben und über die wahre Liebe. Und er denkt auch über den Tod nach. Liebe, Leben und Tod sind die Herausforderungen, die uns alle beschäftigen. Und sie sind die Themen seiner Bücher.

Die Nähe zum Menschen und seinen Fragen mag erklären, warum dieser Nobelpreisträger so große Spuren hinterlassen hat, während die Namen anderer Preisträger aus jenen Jahren kaum noch in Erinnerung geblieben sind. Und, auch das ist außergewöhnlich in der Weltliteratur, Ernest Hemingways Geschichten werden mit großer Hingabe verschlungen, vor allem von einfachen Menschen.

Selbst Männer und Frauen, die sonst keine begeisterten

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Goethe, Hemingway und ein kleiner Spießer

Johann Wolfgang von Goethe. 1749 in Frankfurt am Main – 1832 in Weimar.

Johann Wolfgang von Goethe und Ernest Hemingway laufen sich im Autoren-Himmel über den Weg und kommen ins Gespräch.

Ernesto, Du siehst blass aus.
Ich war gestern Nacht an der Bar mit Bukowski. Der Kerl kann saufen wie vier Bauarbeiter.
Du solltest es beim Valpolicella belassen, ich trinke jeden Abend ein Gläschen und halte mich jung.
Eine Flasche Valpolicella nehme ich zum Mittagessen, Johann. Abends brauche ich Johnny Walker.
Hast Du schon gehört, gestern haben sie Carlos Ruiz Zafón aus Barcelona aufgenommen.
Wirklich? Guter Schreiber, aber lausiger Trinker.
Man munkelt, er habe die Aufnahmeprüfung nur knapp bestanden.
Die sind in letzter Zeit strenger als früher.
Hast Du schon einen Blick in die heutige Presseschau geworfen, Ernesto? Wieder nichts über mich.
Johann, Du bist doch so oder so der Größte.
Über Dich wieder mengenweise. Heute heben sie Hemingways Welt hervor, ein Internet-Portal aus München, das sein zehnjähriges Jubiläum feiert.
Da steht derselbe Blödsinn drin wie in all den anderen Sachen.
Ernesto, ich wäre froh, wenn ein Blogger 500 Artikel nur über mich schreiben würde.
Ein Sesselpupser, dieser Blogger.
Aber er reist doch Deinen Lebensstationen nach und schaut an den Schauplätzen weltweit nach Spuren.
Selten dämlich! Wie kann man nur so viel Geld ausgeben?
Aber das ist ein studierter Mann, der Tom Wolfe kennt ihn, er war mal sein Verleger in Deutschland.

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Ernest Miller Hemingway. 1899 in Oak Park/Chicago – 1961 in Ketchum/Idaho. Grafik: Raúl Villarreal.

Johann, ich sag’s dir frei heraus: Ich mag diese Eierköpfe von Akademikern nicht.
Ich lese Hemingways Welt gerne, Ernesto, ich habe viel über Dich erfahren. Einmal, so hat er geschrieben, hättest Du an einem Tag drei Frau vernascht.
Was für ein kleiner Spießer, dieser Blogger!
Trotzdem Respekt, Ernesto, drei Frauen, das habe ich nicht vollbracht.
Um ehrlich zu sein, Johann, es war nicht nur einmal, ich habe es gleich mehrmals geschafft.
Über Schnee auf dem Kilimandscharo schreibt er, es sei die beste Kurzgeschichte aller Zeiten.
Ausnahmsweise hat er da recht. Obwohl Der Unbesiegte gefällt mir auch nicht schlecht. Eigentlich ist ja so ziemlich alles von mir Spitze. 
Der Blogger hat sogar eine Biografie über dich geschrieben.
Ich hab‘s gelesen, hat mir

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Stacy Keach als Hemingway in der Rolle seines Lebens

Stacy Keach
Hemingway
Stacy Keach als Ernest Hemingway im Zweiten Weltkrieg. Credit Line: Press Photo, ZDF.

Eigentlich könnte Hemingway, Bernhard Sinkels vierteilige TV-Serie aus dem Jahr 1987, so richtig mit den Superlativen prahlen. In sieben Ländern gedreht, mit einem hohen zweistelligen Millionen-Budget, alles in 21 Drehwochen rund um den Globus, dazu über 3.000 Kostüme, das Ganze geschmückt mit einer Riege international bekannter Schauspieler. Obendrein ragt aus all den Berühmtheiten ein Akteur gewaltig hervor. Stacy Keach, der den Ernest Hemingway spielt. Der Mann befällt das Publikum in seiner Rolle wie ein Naturereignis.

Stacy Keach, 1941 in Savannah, Georgia geboren, gehört zu den profiliertesten Schauspielern der neuen Generation. Er studiert in Berkeley und Yale, ebenso wie an der London Academy of Music and Dramatic Art. Nach akademischen Weihen geht Keach zum Theater. Im Kino spielt er dann Hauptrollen in Fat City unter John Huston, The Life and Times of Judge Roy Bean, ebenfalls unter der Regie des grandiosen John Huston oder in Long Riders von Walter Hill. Einem breiten Publikum wird er bekannt, als er von 1984 bis 1987 den hartgesottenen Privatdetektiv Mike Hammer in einer CBS-Fernsehserie darstellt.

Als es an die Besetzung der verschiedenen Rollen geht, hat der amerikanische Ko-Produzenten Daniel Wilson als Hauptdarsteller einen prominenten Namen auf dem Zettel. Stacy Keach. Die Überraschung ist groß. Doch ohne Zögern willigt der deutsche Regisseur diesem Vorschlag direkt zu. Ein famoser Schachzug, wie sich herausstellt, denn dieser Akteur entpuppt sich für das Projekt als Geschenk des Himmels.

Abonniert ist dieser Schauspieler auf die Verkörperung von kernigen und ungehobelten Charakteren, also die ideale Besetzung für die Rolle des Ernest Hemingway. Der damals 46-Jährige ist zudem jung genug, um als Mittzwanziger in Paris aufzutreten und alt genug um – mit Hilfe der Maske – den hinfälligen Autor in Ketchum darzustellen. Und dieser Stacy Keach spielt den Hemingway mit einer bärenstarken Urgewalt. Klar: Wer auf der Bühne als Hamlet besteht, der kann auch Ernest Hemingway.

Der Amerikaner kommt mit seiner jungen Frau zu den wochenlangen Dreharbeiten, er nimmt sein Engagement ernst. Mehr noch, er spielt den Hemingway, als gehe es um Leben und Tod. Und das stimmt bei diesem Autor ja auch. In jeder Szene merkt man Stacy Keach die Spielfreude an, der Hemingway wird zur Rolle seines Lebens. Es sind nicht nur Habitus und Ähnlichkeit, in zahlreichen Sequenzen bemerkt man das Funkeln in seinen Augen.

Für Keach ist die Figur des Nobelpreisträgers von 1954 ein Comeback aus den Schlagzeilen zurück auf die große Leinwand. Noch heute schwärmt Regisseur Bernhard Sinkel von dem Schauspieler. „Er hat ein fotografisches Gedächtnis und ist immer textsicher gewesen. Obwohl zwischen uns eine Distanz blieb, verstanden wir uns gut. Er arbeitet diszipliniert, ohne Allüren und hat alles an Ideen angenommen.“ Er habe viel gelernt bei dem Hemingway-Dreh verrät der US-Darsteller in einer stillen Stunde seinem deutschen Regisseur.

Stacy Keach 
Hemingway

Für die Interpretation des Ernest Hemingway gewinnt Stacy Keach einen Golden Globe als bester Hauptdarsteller.

International hat Stacy Keach diesen TV-Vierteiler nach vorne gebracht. In zahlreichen Ländern rund um den Globus wird er ausgestrahlt, seine Qualität überall gerühmt. Die gewissenhafte Regie, die akkurate  Kameraführung von Wolfgang Treu oder die wunderbaren Kostüme von Barbara Baum finden hohe Anerkennung. Doch gegen die geniale Strahlkraft des Stacy Keach gab es kein Anleuchten, von wem auch immer. Wir alle waren bessere Dienstleister, wie Bernhard Sinkel im Gespräch schmunzelnd zurückblickt. 

Nicht weiter schlimm, lacht der deutsche Filmer, denn es sei nicht die Aufgabe eines Regisseurs, den Despoten zu spielen. Sondern – fast wie in der Funktion eines Psychologen – dafür zu sorgen, dass alle gerne miteinander arbeiten und ein Höchstmaß aus sich herausholen. Und genau dies gelingt Stacy Keach, er spielt nicht eine Rolle, er ist Ernest Hemingway. Als Belohnung wartet ein vielumjubelter Golden Globe als bester Hauptdarsteller.

Schade, er habe den Kontakt zu Stacy Keach nicht halten können, bedauert Bernhard Sinkel. Dabei gibt es doch Erfolge zu feiern. Aber so sei das Filmbusiness, schnell, hart und manchmal auch

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Bernhard Sinkel: Ernest Hemingway als Person ist mir fremd geblieben

Stacy Keach
Bernhard Sinkel
Ernest Hemingway
Bernhard Sinkel führt im Jahr 1987 die Regie in dem internationalen TV-Vierteiler Hemingway mit Stacy Keach als Ernest und Marisa Berenson als Pauline. Credit Line: Press Photo, ZDF.

Selten ist das Leben eines Schriftstellers auf Leinwand so enzyklopädisch aufgeschnürt worden. Der Regisseur Bernhard Sinkel hat sich an den Versuch gewagt und in 400 Sendeminuten das Leben des Ernest Hemingway als Person und als Autor eingefangen. Mit riesigem Aufwand wird der Vierteiler für das TV im Jahr 1987 rund um den Erdball gedreht, an Schauplätzen in sieben Ländern.

Über 35 Millionen Dollar an Budget verschlingt diese internationale Ko-Produktion, zwei Jahre Arbeit steckt der in Frankfurt am Main geborene Sinkel in Drehbuch und Regie, 21 Drehwochen werden benötigt, 60.000 Reisekilometer absolviert. Am Ende steht ein Filmepos mit viel Liebe zum Detail. Denn mit den ganzen famosen Kostümen ist es bei weitem nicht getan. Alte Zelte, alte Autos, alte Bahnhöfe – es gilt eine Welt abzubilden, deren Ausgangspunkt im Jahr 1899 liegt.

„Ich mag den Erzähler Hemingway“, verrät Bernhard Sinkel. „Seine frühen Kurzgeschichten um den Jungen Nick Adams sind großartig. Mein Lieblingsbuch ist Paris – Ein Fest fürs Leben. Weil es atmosphärisch so dicht geschrieben ist“. Und so bastelt diese aufwendige TV Mini-Serie prachtvoll an der Legende des Ernest Hemingway. Bernhard Sinkel, der ein Jahr zuvor in der Großproduktion Väter und Söhne mit Burt Lancaster und Bruno Ganz seine Erzählstärke unter Beweis gestellt hat, liefert mit Hemingway sein internationales Meisterstück ab.

Das erste Problem, das es bei einem solch bunten Leben zu lösen gilt: Wie strukturiert man die reichen Lebenslinien des Ernest Hemingway? Schlauerweise unterteilt Sinkel in einer Kleeblatt-Dramaturgie das Wirken des Autors nach seinen vier Ehefrauen. Teil 1 spielt mit Hadley in Paris, Teil 2 mit Pauline in Key West, in Teil 3 mischt Ernest mit Martha mit im Spanischen Bürgerkrieg und in Teil 4 lebt er mit Mary auf Kuba, später in Ketchum.

„Ich bin stolz auf den Film“, meint Bernhard Sinkel, „ein Autor macht sein Leben zu einem Kunstwerk. Das hat mich gereizt.“ Als Person sei ihm Hemingway irgendwie fremd geblieben. „Ich bin keiner, der das nächste Gewehr schnappt und ein Kaninchen totschießt.“ Aber vielleicht sei diese Distanz als Regisseur gar nicht mal schlecht, sie bewahre vor falscher Glorifizierung.

Ein solches Filmprojekt bleibe ein Kraftakt, erzählt Bernhard Sinkel. Da müssen Löwen bei strengstem Tierschutz tot umfallen oder Bullen eigens für den Film durch Pamplona gejagt werden. Die Welt des Ernest Hemingway höre nicht auf die Kommandos der Regie. Die zahlreichen Tierszenen, die Hahnenkämpfe, die Jagd nach dem Marlin, die Haie, die Kriegsszenen, der Spanische Bürgerkrieg, das Drehen auf dem Wasser, der freie Horizont – das alles seien knifflige Aufgaben für die Kamera.

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In München haben sich Bernhard Sinkel und Hemingways Welt zu einem ausführlichen Gespräch getroffen. Foto: W. Stock, Mai 2023.

Heute wohnt Bernhard Sinkel in einem hübschen Haus in Schwabing. Nach Hemingway hat er sich vom Film entfernt, hat sich als Opernregisseur und Buchautor einen Namen gemacht. Jemand, der die 80 überschritten hat, darf ruhig ein wenig tiefstapeln. Der Besucher bringt die Erfolge in Erinnerung: Ernst-Lubitsch-Preisträger, Kinofilme wie Lina Braake oder Berlinger, Filmbänder in Silber und Gold en masse, internationale Produktionen. Und eben Hemingway. Diese Leistung, ein Bravourstück sondergleichen, wird bleiben. 

Vor allem, weil es dem Film gelingt, betörende Bilder einzufangen. Von Paris, den Stierkämpfen, von Key West, aus Afrika. Die Botschaft auf Zelluloid erreicht das Herz des Zuschauers: Welch ein großartiges Leben! Als Kontrast dazu setzt das Drehbuch das Drama dieser zerrissenen Persönlichkeit, das Auf und Ab mit der fatalen Hilfe von Alkohol, die Suche nach Liebe in Ehen und Seitensprüngen, dieser unheilvolle Mix aus Haudrauf, Selbstzweifel und Depression.

Ungeachtet der Omnipräsenz des Hauptdarstellers Stacy Keach und jedes Übermaß an Handlung zum Trotz, glückt es

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Kübel von Hohn und Spott über Ernest Hemingway in Deutschland

Ein Gringo auf Kuba, der gerade in Deutschland polarisiert. Grafik: Filippo Imbrighi, Roma

Wenn jemand ein solches Portal wie Hemingways Welt über zehn Jahre betreibt, dann erhält man zu seinem Protagonisten ein Feedback der unterschiedlichsten Art. Jede Menge des Zuspruchs zur Person, viel Sympathie und ein neugieriges Interesse an Werk und Eigenart des Nobelpreisträgers von 1954.

Allerdings auch das glatte Gegenteil: schroffe Ablehnung und Stürme der Abscheu gegen den bärtigen Mann aus Oak Park in Chicago. Nicht nur gesittete Kritik, sondern hier und da auch ein paar Schläge unter die Gürtellinie.

An dieser Stelle möchte ich ein paar wenig charmante Charakterisierungen aus Leserzuschriften zusammentragen, die im Laufe der Zeit bei Hemingways Welt so eingetrudelt sind. Liebenswürdig klingt irgendwie anders. Der US-Amerikaner, der auf Kuba lebte, muss in Deutschland eine breite Schulter ausfahren.

Er sei ein Großmaul, Hemingways Welt ergehe sich in einer endlosen Kakophonie der Beweihräucherung. Kollege Borges hätte ihm alle Zähne ausschlagen sollen. Dieser Hemingway sei zum Fremdschämen.

Und es geht lustig weiter: Hemingway sei ein

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Ernest Hemingway und die Faszination für das Meer

Die spanische Ausgabe von Der alte Mann und das Meer. Erschienen 1952. El Viejo y el Mar.

So gut wie jede Station im Leben des Ernest Hemingway hat mit dem Meer zu tun. Das Veneto, Südfrankreich, Andalusien, Key West und vor allem Cojímar. Seine schönste Erzählung führt das Meer gar im Titel. Wenn er mit der Pilar hinausfährt, wirkt er unbeschwert wie ein Kind. Als er das Meer verlässt und in die Berge zieht, ein Jahr vor seinem Tod, da verglimmt eine Helligkeit in ihm. 

Das Meer steht für die Urgewalt der Erde überhaupt. Das unendliche Wasser ist Ausgang und Ende menschlichen Lebens. Das Leben hat sich aus dem Meer gerobbt, und das Meer nimmt das Leben wieder auf. Voy al mar, sagen alte Spanier, des Lebens müde, ich gehe nun zum Meer. Es ist gleichbedeutend mit der Botschaft, dass es nun zu Ende geht, mit diesem Erdenbürger.

All die imposanten Werke der Natur bilden der Rahmen für das Lebens. Mit dem weiten Meer als Glanzstück der Schöpfung. Gerade das Meer besitzt eine Allgewalt, die gewaltiger ist als alles andere. Gewaltiger als der Mensch sowieso. Wie ein fein arrangiertes Wunderwerk verfügt es über eine wundersame Art des Gebens und Nehmens. Obwohl all die Flüsse zuströmen, läuft das Meer nicht über, ebenso wenig wie es leerlaufen kann.

Für die Menschheit bedeutet das Meer Sehnsucht und  Hoffnung. Schon im 15. Jahrhundert geht der Blick über das unbekannte Wasser. Neugier und der Willen, seinen Horizont zu erweitern, treiben den Menschen an. Als die ersten großen Migrationsströme anbrechen, ziehen die Silberstreifen der Europäer jenseits des Meeres auf, in New York oder in Buenos Aires. Bis heute verbinden sich mit der Überquerung des Meeres Hoffnung für diejenigen, die vor Krieg und Armut fliehen.

Wenn man Ernest Hemingways Prosa über das Meer aufmerksam liest, dann fällt einem die fast religiöse Aura auf, die mit den Sätzen einhergeht. Eine Sehnsucht nach dem Absoluten ist über allem zu spüren, ein tiefes Verlangen nach Erfüllung und nach Erlösung. Er selbst hält sich nicht für besonders gottesgläubig, merkwürdigerweise lesen sich manche Sätze jedoch wie Bittrufe.

Besonders am Meer wird ihm klar, dass eine Macht über ihm wirkt. Eine Macht, die stärker ist als alles andere. Und Ernest Hemingway möchte mit dieser höheren Macht in Verbindung treten, er sieht es als Aufgabe eines guten Schriftstellers. Sein Gleichnis vom einfachen Fischer auf dem Meer könnte genauso in der Bibel stehen. Ein schlichter und braver Mensch – also eigentlich wir – muss jeden Tag auf das Meer hinaus. Und er scheitert.

Jedoch wohnt diesem Scheitern eine Magie inne. Denn der Kämpfer gibt nicht auf, am nächsten Tag wird er erneut hinaus fahren in seiner kleinen Schaluppe. Und er wird wieder scheitern. Trotz allem lässt er sich seine Würde nicht nehmen. Hemingways Erzählung vom Meer, von dem alten Fischer, von dem Jungen Manolín, von dem Marlin, von den gefräßigen Haien und von den Löwen am Ufer, ist eine

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Hemingway hat uns belogen

Besucher vor der Plaza de Toros in Sevilla während der Feria. Foto: W. Stock, April 2023.

„Yo viviría en Sevilla si quitaran las plazas de toros. Hemingway me engañó cuando decía que era una muerte limpia. Es un intolerable castigo.“
Guillermo Cabrera Infante

„Ich würde in Sevilla leben, wenn sie die Stierkampfarenen abschaffen würden. Hemingway hat mich getäuscht, als er sagte, es sei ein sauberer Tod. Es ist eine

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Ernest Hemingway – Soñando del Mar

Dr. Wolfgang Stock
Hemingway y el Mar
Conil de la Frontera
Vortrag auf der Konferenz Hemingway y el Mar im spanischen Conil de la Frontera, April 2023. Foto: Joaquín Recio Martínez.

Teilnahme an der fünftägigen Konferenz Hemingway y el Mar im andalusischen Conil de la Frontera. Am ersten Kongresstag, dem 19. April 2023, hatte ich die Ehre und das Vergnügen, in der Casa de la Cultura zu diesem Themenspektrum einen Vortrag zu halten.

In der knapp einstündigen Präsentation Ernest Hemingway – Soñando del Mar befasse ich mich mit der Frage, welche Bedeutung das Meer für

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Ernest Hemingway: Macho-Mann am Ende der Träume

Der kernige Sportfischer stemmt sich gegen das Schicksal. The Fisherman, Januar 1958.

Man kann seine Person nicht von seinem Werk trennen. Dieser Mensch – ein sehr bipolarer Alpha-Mann – lebt wie eine seiner Romanfiguren und stirbt als eine von ihnen. William Faulkner, ebenfalls Nobelpreisträger, sagte damals, wahrscheinlich ein wenig neidisch: Für die wenigen, die ihn gut kannten, war er fast so viel wert wie die Bücher, die er als Mann schrieb.

Einigen Beobachtern, vor allem Frauen, kann Ernest Hemingway mit seinem gigantischen Ego manchmal abschreckend erscheinen, geradezu wie der Idealtypus eines Macho-Mannes. Kriegsberichterstatter, Frauenheld, Choleriker, Trinker – dieser Kerl tut viel für sein übles Image. Aber Vorsicht, der Mann mit dem grauen Bart ist kein Hochstapler oder Angeber.

Er hat Wunden in Hülle und Fülle erlitten, er selbst ist kein Unschuldslamm. Vielleicht versucht er, die Narben seiner Seele mit starken Sprüchen zu verbergen. Dieser Autor muss um seinen Erfolg kämpfen wie ein Löwe, nichts ist ihm vergönnt, weder in der Literatur, noch im Leben. Und der Preis, den er schließlich für seinen Weltruhm zu zahlen hat, fällt hoch aus.

Im Alltag des 1899 geborenen Mittfünfzigers ziehen seit den späten 1950er Jahren immer mehr dunkle Wolken auf. Wenn er in den Spiegel schaut, sieht er einen erschöpften Graukopf. Seine wilden Jahre liegen hinter ihm. Die üblichen Altersbeschwerden – von Diabetes über Erektionsstörungen bis hin zu Hämorrhoiden – haben ihn im Griff. Und seit Jahrzehnten schleppt er ein schlimmes Bein und einen schlimmen Rücken mit sich herum.

Seine Ehe mit Miss Mary, sie ist die vierte Mrs. Hemingway, dümpelt so vor sich hin. Oft reagiert Ernest gereizt und ausfallend, mehr als einmal ist Mary drauf und dran, ihn zu verlassen. Doch am nächsten Tag ist er

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