
Das deutsche Monatsmagazin Der Querschnitt wartet im Juni 1936 mit einer Überraschung auf. Die Zeitschrift veröffentlicht eine kurze Geschichte von Ernest Hemingway. The Man with the Tyrolese Hat wird auf anderthalb Seiten publiziert. Auf Englisch, ganz ohne Übersetzung. Das elitäre Periodikum besitzt intellektuelles Gewicht: Es erscheint in Berlin, dort im renommierten Propyläen-Verlag, später im Heinrich Jenne Verlag.
Ernest hat bereits in den 1920er Jahren in Der Querschnitt veröffentlicht. Insbesondere seine Kurzgeschichte The Undefeated (zu Deutsch später bekannt als Der Unbesiegte). Beim Querschnitt heißt die Geschichte knapp Stierkampf, sie wird in zwei Teilen im Sommer 1925 abgedruckt. Ein halbes Dutzend Stücke aus der Feder von Ernest Hemingway ist zwischen Herbst 1924 und Juli 1925 in der manchmal arg versnobten Zeitgeist-Gazette veröffentlicht worden.
Der Mann aus Chicago, der in Paris lebt, ist sehr dankbar für die Publizierung in dem bekannten Magazin aus Deutschland. Denn es gibt ein schönes Honorar und – vor allem – es hebt das Selbstwertgefühl des damals noch völlig unbekannten Novizen. Sein Durchbruch als Schriftsteller sollte erst im Oktober 1926 mit The Sun Also Rises (in Deutschland und Europa: Fiesta) stattfinden.

Im 16. Jahrgang kommt Ernest Hemingway zurück zu seinem Entdecker-Magazin Der Querschnitt. Archiv: Dr. Stock.
Das neue Stück The Man with the Tyrolese Hat ist ein opulentes Fragment aus Die grünen Hügel Afrikas, das im Oktober 1935 als Green Hills of Africa im Verlag Charles Scribner’s Sons in New York erschienen ist. In Hemingways Jagdgeschichten, sie basieren auf den Erlebnissen seiner Ostafrika-Safari im Januar und Februar 1934, kommt es zu einer skurrilen Begegnung.
In der Steppe begegnet Hemingway einem österreichischen Jagdkameraden in Lederhose und mit Tirolerhut auf dem Kopf. Und es entspinnt sich unter afrikanischer Sonne eine muntere Konversation. Der Mann mit dem Tirolerhut erzählt von diesem Aufeinandertreffen in der Savanne.
„Hemingway ist meine Name.“
„Kandisky“, sagte er und verbeugte sich. „Den Namen Hemingway habe ich schon einmal gehört. Wo? Wo habe ich ihn schon gehört? Ach, ja. The Dichter. Kennen Sie Hemingway, den Dichter?“
„Wo haben Sie etwas von ihm gelesen?“
„Im ‚Querschnitt‘.“
„Das bin ich“, sagte ich, hocherfreut. ‚Der Querschnitt‘ ist eine deutsche Zeitschrift für die ich einige Gedichte geschrieben hatte und wo eine lange Geschichte von mir veröffentlicht wurde, Jahre bevor ich etwas in Amerika verkaufen konnte.
Die beiden Waidmänner fachsimpeln in der afrikanischen Steppe über deutsche Literatur und Autoren. Über Ringelnatz, über Heinrich Mann und über Rainer Maria Rilke. Über Vorzüge, Sympathien und persönliche Aversionen.

Nur auf Englisch. Um vielleicht die Zensur zu überlisten? The Man with the Tyrolese Hat. Exemplar Archiv Dr. Stock.
Der Abdruck von Ernest Hemingway Story in Der Querschnitt vom Juni 1936 ist bemerkenswert. Denn der US-Amerikaner steht auf der Schwarzen Liste der Nationalsozialisten, die seit drei Jahren Deutschland eng im Würgegriff halten. Nach der Machtergreifung der braunen Despoten ist Ernest Hemingways Buch In einem andern Land bei den Verbrennungen im Mai 1933 in die Flammen geworfen worden.
Dem Schriftsteller, der nun in Key West lebt, wird vorgeworfen, den Krieg in den Dreck zu ziehen. Als Folge: Ernest Hemingway wird in Deutschland nicht mehr publiziert. So darf die deutsche Ausgabe von Green Hills of Africa in der Nazi-Zeit nicht erscheinen, das Buch wird als Die grünen Hügel Afrikas erst im Jahr 1954 im Hamburger Rowohlt Verlag mit fast 20 Jahren Verzögerung erstverlegt.
Trotz Verbot und Zensur besitzt die Berliner Zeitschrift den Mut, eine Geschichte des Verfemten zu drucken. Herman von Wedderkop, ein Förderer Hemingways, hat im April 1931 als Chefredakteur und Herausgeber abgedankt. Die Zeiten bleiben auch unter neuer Leitung hart. Zu den wirtschaftlichen Zwängen kommt ab 1933 die politische Pression, zu sehr eckt die extravagante Publikation bei den Nazis an. Vier Monate nach der Tirolerhut-Story schlägt die letzte Stunde des Magazins.
Im Oktober 1936 wird Der Querschnitt, zu diesem Zeitpunkt mit einer Auflage von 16.000 Exemplaren, von der Hitler-Diktatur verboten. Wobei Hemingway nicht der direkte Anlass gewesen ist. Bösartig und staatsfeindlich ist den Nazis ein Artikel unter der Überschrift Fremdwörterbuch aufgestoßen. So ist dort der Begriff absurd definiert worden als