Ernest Hemingways einsame Helden drücken das Lebensgefühl vieler Menschen im seelischen Daseinskampf aus, wo auch immer auf diesem weiten Globus.

In der gehetzten Großstadt oder bei der Konversation im intellektuellen Zirkel fühlt sich dieser Naturbursche nicht wohl. Nahe dem Meer hingegen findet er den Balsam für seine Seele, mitten unter bescheidenen Fischern, zünftigen Schankwirten und bodenständigen Handwerkern. Am Golf von Mexiko, vor Key West, auf den Bahamas. Hauptsache irgendwo nahe dem Ozean, dort wirkt dieser kernige Mann ausgeglichen und bei sich.

Das Meer hat es ihm seit jeher angetan, am Meer sucht Ernest Hemingway nach den Antworten auf seine Fragen an die Existenz. Er grübelt nach über die großen Themen seiner Welt: Über die Lust am Leben, über die wahre Liebe und hier macht er sich seine Gedanken über das Sterben. All dies sind die Fragen, die jedes Individuum umtreiben. Auch dieser Umstand mag erklären, warum dieser Nobelpreisträger solch tiefe Spuren hinterlassen hat, während man sich an die Namen anderer Nobelkollegen jener Jahre kaum mehr erinnern kann.

Dieser Schriftsteller ist nicht unbedingt ein Schreiber für die gebildete Hautevolee. Ernest Hemingway mag die einfachen Menschen, das ist unüblich in diesem distinguierten Gewerbe, und die einfachen Menschen mögen ihn. Wie ist die wechselseitige Nähe dieses Literaten zum gemeinen Volk zu erklären? Wohl zu allererst weil Ernest Hemingway seine Helden nahe der Wirklichkeit laufen lässt. Seine Plots wirken nicht konstruiert, dieser Autor greift voll hinein ins Leben, er holt den Leser ab in seiner Welt.

Die Gefühle von Hemingways Helden sind dem Leser nicht fremd, denn es ist das tatsächliche, das wirkliche Leben, über das hier geschrieben wird. Die Suche nach Liebe und Anerkennung, das Aufplustern vor der Bedrohung, der Kampf gegen mächtige Gegner, die Selbsttäuschung vom Sieg und dann doch wieder die Pleite. Es ist diesem Ernest Hemingway wie keinem anderen gelungen, den Zwiespalt der menschlichen Existenz zu erkennen und verständlich zwischen zwei Buchdeckel zu bringen.

Er schreibt über die hehren Ideale der Jugend und die kleinen und großen Wünsche an das Leben, vor allem über die Gier nach Liebe und das Verlangen nach Würde. Dieser Schriftsteller ist fasziniert vom Menschen und die Menschen von ihm. Das macht den Unterschied zu anderen aus, auch mit seiner Lebensgeschichte hat uns dieser Erzähler gepackt. Deshalb hat man ihn verstanden, nicht nur der Literaturprofessor, sondern auch Menschen wie du und ich. 

Ein Leser, der sich auf Ernest Hemingway einlässt, der spürt nach einer Weile, dass sich hinter der rauen Fassade des Boxers und Trunkenboldes, des Schwerenöters und Hasardeurs ein feinfühliger Schreiber allererster Güte verbirgt. Diese Mischung aus rabaukenhafter Oberfläche und humaner Tiefe spricht den Leser direkt an, weil auch wir in unserem Gefühlschaos nicht selten so empfinden.

Ein ganz sensibler innerer Kern wird von Ernest Hemingway in uns berührt, hier spricht jemand über unsere eigentlich unergründlichen und widersprüchlichen Gefühle. Und – das macht ihn einzigartig unter allen Kollegen – Ernest Hemingway belässt es nicht beim Erzählen. Dieser König der Worte schreibt nicht nur über das Auf und Ab des Lebens in seinen Büchern, sondern er stellt dem geneigten Publikum die Zerrissenheit der menschlichen Existenz unter Einsatz der eigenen Biografie ins Schaufenster der Welt.

Eigentlich schreibt er nicht nur für uns, er lebt uns auch noch alles vor. Überspitzt gesagt, dieser Mann lebt so, wie wir es uns manchmal wünschen würden. Wenn auch nicht so rabiat wie er und sicherlich auch nicht gar so lasterhaft. Ernest Hemingway, der sich von Freunden gerne Papa rufen lässt, kostet das Leben aus und er kostet es vor. Er schreibt, er lacht, er säuft und er treibt es auch sonst ziemlich bunt.

Zuweilen könnte man ihn für einen narzisstischen Rüpel halten. Oft genug war er dies. Doch trotz aller Großtuerei zweifelt diese arme Seele am Leben, er zermartert sich das Hirn, er dürstet nach der Wahrheit, es überfällt ihn Wehmut, auch Trübsal und schließlich die Schwermut. Einen Mittelweg kennt er nicht, für halbe Sachen ist dieser Mann nicht zu haben.

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