Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Deutschland

Forelle essen im Hotel Wehrle

Parkhotel Wehrle Triberg
Auch in der Bar des Hotel Wehrle wird an Ernest Hemingway erinnert.
Photo by W. Stock

Ernest Hemingway, er ist gerade 23 Jahre alt geworden, und seine Ehefrau Hadley fliegen in einem Doppeldecker von Paris nach Straßburg, sie nehmen das Flugzeug anstatt acht Stunden im Zug zu sitzen, für Hadley ist es die erste Flugreise überhaupt. Am 4. August 1922 treffen sie sich mit zwei befreundeten amerikanischen Ehepaaren in Straßburg und überqueren die Rhein-Grenze nach Kehl.

Gut drei Wochen werden das junge Ehepaar Hemingway und die Freunde im Schwarzwald bleiben – Ernest und Hadley haben im September des Vorjahres in Horton’s Bay in Michigan geheiratet. Ziel der Jungvermählten ist das Elztal, eine ländliche Region im Schwarzwald, gut 30 Kilometer nordöstlich von Freiburg, das sie nach einer fünfstündigen Zugfahrt erreichen.

Die Hyper-Inflation der Nachkriegsjahre lässt die US-Amerikaner in Deutschland leben wie die Fürsten, für ihre Dollars bekommen sie von Tag zu Tag mehr und mehr Mark. Eine preiswerte Gelegenheit, der stickigen Sommerhitze der französischen Hauptstadt zu entfliehen. Besonders freut sich der junge Journalist und angehende Schriftsteller auf die reich gefüllten Forellen-Bäche des Schwarzwaldes. Ernest Hemingway mag deutsche Forellen, womit sich allerdings seine Sympathien für alles Deutschland mehr oder weniger erschöpft hat.

Doch Ernest müht sich. Mitten in Oberprechtal steht der Gasthof Sonne, wo der amerikanische Autor eine Annäherung an die deutsche Sprache versucht. Bill und ich machten uns auf den Weg nach Oberprechtal, wo wir uns um Angelscheine bemühen wollten. Wir saßen gerade vor dem Gasthaus ‚Zur Sonne‘ im lebhaften Gespräch mit dem Gastwirt, das ausgezeichnet voranging, solange ich mich mit meinem Deutsch aus dem Spiele hielt, schreibt Ernest Hemingway in seiner Reportage German Inn-Keepers.

Ernest Hemingway erfährt am eigenen Leib, dass die deutsche Verwaltung darin Gefallen findet, die Bürger zu

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Der Auslander Ernest Hemingway im Schwarzwald

Ernest Hemingway wird nicht warm mit dem Schwarzwald und seinen schroffen Bewohnern. Mitten im Schwarzwald bei Triberg. Foto by W. Stock

Für August 1922 erhalten Ernest Hemingway und seine frisch getraute Ehefrau Hadley in Paris die Erlaubnis zu einer Reise nach Deutschland, für die Einreise braucht es einen Stempel im Reisepass. Das Ehepaar will den Black Forest, den idyllischen Schwarzwald, kennenlernen und dort Bergwandern und Fischen und nach den heißen französischen Sommertagen die kühle Landluft genießen.

Einen knappen Monat wollen die Amerikaner in Süddeutschland bleiben. Zusammen mit ihren Freunden, mit dem Journalisten William Bill Bird, er arbeitet für die Consolidated Press in Paris, dessen Ehefrau Sally Bird sowie mit dem amerikanischen Autor Lewis Galantière und dessen Verlobten Dorothy Butler geht es in das krisengeplagte Deutschland. Der Empfang fällt nicht gerade freundlich aus.

Die Amerikaner sind den halben Tag über die Hügel und Täler von Triberg nach Oberprechtal gewandert und schauen sich nun nach einer Unterkunft um. Können wir zwei Doppelzimmer bekommen, fragt Bill Bird den Gastwirt eines Gasthauses höflich. Frostig blickt der Wirt an den Gästen vorbei. Ihr kriegt hier kein Zimmer, keift der Besitzer, nicht heute, nicht morgen, niemals, ihr Auslanders. Auch beim Abendessen werden die Besucher angepöbelt. Wir sind Deutsche, raunzt ein Elztaler die Besucher aus Amerika an, ihr seid Auslanders.

Auslanders. Im Originaltext übernimmt Ernest Hemingway den deutschen Begriff, Auslanders schreibt der Jungjournalist in seiner Reportage leicht amerikanisiert. Er wird das Schimpfwort in jenen Tagen noch oft hören, anderes auch. Du bist ein schweinhund, schreibt Hemingway in verständlichem Deutsch in seine Reportage. Der 23-jährige Amerikaner, seine Ehefrau Hadley und die Freunde kriegen im Südschwarzwald die Aversion gegen die Siegermacht ab. Die Gäste aus den USA sind zu Besuch in Deutschland, das eine Kriegsniederlage gerade hinter sich und ein großes Elend vor sich hat.

Als Ausländer bekommen die Amerikaner vier Jahre nach Kriegsende landauf und landab den Groll der Einheimischen zu spüren. In Gasthäusern werden die Besucher angerempelt, deutsche Schäferhunde bellen, schroffe Ablehnung schlägt ihnen im Schwarzwald entgegen, bestenfalls eine wurschtige Gleichgültigkeit. Die Deutschen haben Krieg und Kaiser verloren, das Land liegt materiell und moralisch am Boden. Ihr Vermögen haben die Deutschen in den Kriegsanleihen des Kaisers verpulvert, die Inflation lässt die Kaufkraft jeden Tag weiter schmelzen.

Für einen einzigen Dollar erhält man im August 1922 beträchtliche 850 Mark, und ein Krug Bier kostet gerade einmal 10 Mark. Mit nur einem Dollar können zwei Personen einen ganzen Tag in Deutschland leben wie die Fürsten. Im Oktober des gleichen Jahres fällt die deutsche Währung auf 9.000 Mark. Im November 1923 liegt der Umtauschkurs des Dollars bei 1 zu 4,2 Billionen Mark, die deutsche Währung ist damit noch nicht einmal das Papier wert sein, auf dem sie gedruckt ist.

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Ein Schnösel namens Ernest Hemingway im Landgasthof Rössle

Im Schwarzwald wohnen und essen, wo im August 1922 Ernest Hemingway und seine Ehefrau Hadley gewohnt und gegessen haben. Photo by W. Stock

Es dauert seine Zeit, bis die Hemingways und die vier Freunde auf Deutschland-Urlaub im Schwarzwald eine Unterkunft gefunden haben. Wir fanden eins nach sechs Kilometern heißer, staubiger Landstraße, und es sah nicht besonders gut aus. Wie die meisten Gasthäuser im Schwarzwald heißt es ‚Zum Rössle‘. Das ‚Rössle‘ ist das Lieblingssymbol der Schwarzwaldwirte, aber es gibt auch eine Menge ‚Adler‘ und ‚Sonnen‘. Alle diese Gasthäuser sind weiß getüncht und sehen von außen ordentlich und sauber aus, aber innen sind sie schmutzig, eins wie das andere, schreibt Ernest Hemingway im The Toronto Daily Star vom 5. September 1922.

Die Gasthöfe seien verdreckt und heruntergekommen, in den Zimmern knarren die Betten, die Bettlaken sind zu kurz, das Federbett fühlt sich verklumpt an und der Wein schmeckt sauer. Die Hühner scharren im Vorgarten, und der Misthaufen dampft unter den Schlafzimmerfenstern. Der junge Amerikaner treibt seinen Unmut über den Schwarzwald auf die Spitze, indem er seine Gastwirte als Hohlköpfe und Trampeltiere verunglimpft.

Das ‚Rössle‘, in dem wir einkehrten, konnte all diese Vorzüge anbieten, und noch einige mehr: Es gab hier eine ordentliche Mahlzeit aus gebratenem Fleisch, Kartoffeln, grünem Salat und Apfelkuchen, vom Wirt selber aufgetragen, der unerschütterlich wie ein Ochse aussah und mitunter mit dem Suppenteller in der Hand stehen blieb und wie abwesend aus dem Fenster starrte. Seine Frau hatte ein Kamelgesicht, genau die unverwechselbare Kopfbewegung und den Ausdruck äußerster Einfältigkeit, die man nur bei Trampeltieren und süddeutschen Bauersfrauen beobachten kann.

Der heutige Wirt des Landgasthof Rössle in Oberprechtal, Artur Vogt, sieht allerdings nicht aus wie ein Ochse und seine freundliche Frau Bettina auch nicht wie ein Trampeltier. An der Wand gegenüber der Rezeption wird des berühmten Gastes gedacht, auch wenn dieser Schnösel Ernest Hemingway die Großtante und den Großonkel mütterlicherseits grob angerempelt hat.

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Wer die Speisekarte im ‚Rössle‘ aufschlägt, trifft zuallererst auf Ernest Hemingway.  Photo by W. Stock

Alles in allem hat man dem nassforschen Jungjournalisten die Schimpfkanonade wohl verziehen, vielleicht ist das sympathische Gasthaus in Oberprechtal sogar ein wenig stolz auf diese Historie, denn der Landgasthof Rössle wirbt auf

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Im Schwarzwald begann Hemingways Fischwasser

Drei Wochen Schwarzwald – der Amerikaner lebt im Deutschland nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg wie ein König. Die Hemingway-Plakette an den Triberger Wasserfällen. Foto by W. Stock

An den Besuch des Schriftstellers und seiner Frau Hadley im Schwarzwald erinnert eine Gedenktafel am Wasserfall. Die Gutach stürzt in Triberg über sieben Kaskaden mehr als 160 Meter tief ins Tal, es ist Deutschlands höchster Wasserfall. Der Lions Club Triberg hat die koffergroße Platte oberhalb der Obervogt-Huber-Tanne auf einem Felsbrocken angebracht.

Auf der Schiefertafel ist aufrecht eine Forelle abgebildet, am Sockel steht die Unterschrift des Nobelpreisträgers, die Lebensdaten des Schriftstellers sind erwähnt und der Text erläutert: „Ernest Hemingway besuchte Triberg im Schwarzwald im August 1922, wo er seiner Leidenschaft, dem Fischen, nachging.“ Auf der linken Seite der Tafel wird dann die hinreißende Passage über Triberg aus Schnee auf dem Kilimandscharo zitiert, die mit dem heiteren Ausruf endet: Hier begann unser Fischwasser

Ernest Hemingway lernt Deutschland schnell kennen, auf einen Sympathiebonus darf er nicht hoffen, der verlorene Krieg steckt den Deutschen noch in den Knochen. Bitte, Herr Burgomeister. We wollen der fishkarten. We wollen to gefischen goen, radebricht der Autor aus Chicago im Rathaus, als er um den Angelschein nachfragt. Nix, nein, erwidert der Bürgermeister brüsk, und weist den Amerikanern die Türe.

Doch der junge Journalist lässt sich seine Angelleidenschaft von den Bürokraten nicht

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Ist Ernest Hemingway ein Mörder?

Hemingway Mörder
Erschoss Ernest Hemingway 122 deutsche Kriegsgefangene?

My dear Ernst, schreibt der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway im Jahr 1946 einem Brief an seinen deutschen Verleger Ernst Rowohlt, Du hattest sicher die Hölle von einem Krieg, und ich freue mich, dass Du nicht einer der vielen Krauts warst, die wir in der Schnee-Eifel oder im Hürtgenwald umgelegt haben. So zynisch textet Ernest Hemingway: Krauts, die wir umgelegt haben.

Oft hat sich Ernest Hemingway aufgeplustert und behauptet, im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten getötet zu haben. Seinem New Yorker Verleger Charles Scribner schildert er, wie er beim Einmarsch in Paris einen SS-Kraut gekillt habe. Der entwaffnete Soldat habe noch versucht, dem Tode zu entkommen und auf die Genfer Konvention hingewiesen. Du irrst Dich Bruder, sagte ich zu ihm und schoß ihm dreimal schnell in den Bauch, und dann, als er in die Knie ging, schoß ich ihm in den Schädel, so dass ihm das Gehirn aus dem Mund kam, oder aus der Nase, glaube ich.

Ernest Hemingway kann sich hineinsteigern in seine kriegerischen Gewaltphantasien. Der nächste SS-Mann, den ich verhörte, redete wie ein Wasserfall. Klar und mit intelligenter militärischer Darstellung der Lage. Er nannte mich Herr Hauptmann, entschied dann, das wäre wohl nicht genug, und nannte mich Herr Oberst (ich trug keine Abzeichen). Ich hätte ihn noch bis zum General hochtreiben können.

Einem deutschen Kindersoldaten, einem Jungen, etwa so alt wie mein Sohn Patrick zu der Zeit, so tut Ernest Hemingway es mehrmals kund, soll er in den Rücken geschossen haben, als der Bursche versucht habe, auf einem Fahrrad zu fliehen. Erst sind es nur wenige Soldaten, die der Autor erschossen haben will, später dann 26 und irgendwann steigt die Zahl auf 122 an.

Wer sich ein wenig im Militärischen auskennt, der weiß, dass die Zahl 122

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Hemingway-Burger auf Sylt

Hemingway'sSyltkorrek

Westerland auf Sylt; Photo by W. Stock

Westerland auf Sylt, im Spätsommer 2014

Ernest Hemingway kommt nach Sylt. Nicht richtig. Denn eher kommt Sylt zu Hemingway. Bekannterweise hat Ernest Hemingway die schöne Insel in der Nordsee nie besucht. Er war fast überall, aber hier war er nie.

Also kommt Sylt zu Hemingway. Seit einiger Zeit gibt es ein Hemingway’s auf der Insel. Im Industrieweg 10, hinterm Bahnhof, als Lokalität eines Bowling Centers. Und auch der Bundesliga-Fussball auf sky wird hier gezeigt.

Im Restaurant selbst gibt es dann einen Hemingway-Burger für 9, 90 Euro, mit Pommes. Und als Variante auch einen Hemingway-Burger light, diesmal mit Hähnchen.

Ernest Hemingway, der Hemingway-Burger und die

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Hemingways Frühstück

Sylt, im Spätsommer 2014 Photo by W. Stock

Sylt, im Spätsommer 2014
Photo by W. Stock

Westerland auf Sylt, im August 2014

Im Café Extrablatt in Westerland auf Sylt, das Café mit dem gewissen Extra, so der etwas mutige Slogan. Alles nur einen Steinwurf vom Strand und der wilden Nordsee entfernt.

Ich nippe des nachmittags an einem mittelprächtigen Espresso. Dann doch noch ein Blick in die lange Karte. Verschiedene Frühstücksvarianten werden dort angeboten. American, Italiana, Vital – so weit, so gut. Alles wie nebenan soweit.

Doch dann fällt mein Auge auf eine besondere Speise: Frühstück Hemingway. Für 8,95 Euro. Was um Himmels Willen ist das bloß?

Die Auflösung steht direkt darunter. Man bekommt bei Hemingways Frühstück für sein Geld: Kaffee, Brötchen, Croissant, Marmelade, Käse, Frischkäse, gekochter Schinken, Serrano-Schinken, Salami, Melone. Auf Wunsch auch nur mit Käse.

Also von allem etwas. Frankreich, Spanien, Tropen. Weltweites Allerlei. Also

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Papas falscher Koffer

PapasKofferWelch eine hübsche Idee für einen Roman! Ernest Hemingway, so ging das Gerücht in den Literaturzirkeln, hatte in den Zwanziger Jahren einen Koffer im Pariser Hotel Ritz zurückgelassen, voll mit Manuskripten und Aufzeichnungen. Doch, wo war dieser Koffer abgeblieben? Die Jagd nach dem Koffer roch nach Abenteuer und Krimi. Auch literarisch.

Deshalb nahm ich mit Vorfreude das Buch von Gerhard Köpf mit dem Titel Papas Koffer in die Hand, als es im Jahr 1993 erschien. Nicht irgendeine Klitsche hatte den Titel verlegt, sondern der traditionsreiche Luchterhand Verlag, wo einst auch Günter Grass zu publizieren pflegte. Als Lektor des Buches zeichnete Klaus Siblewski, einer der großen Lektoren hierzulande, heute ein Professor für Literaturwissenschaft. Und auch der Autor Gerhard Köpf war nicht irgendwer. Der Mann besaß einen guten Namen als fleißiger Schreiber, er hatte Dutzende Bücher verfasst und war zudem auch Professor.

Als ich jedoch, damals vor zwei Jahrzehnten, das kleine Büchlein von knapp 190 Seiten in die Hand nahm, zu lesen begann, verflog meine Vorfreude ziemlich schnell und wurde durch tiefen Ärger abgelöst. Denn seitenlange Passagen des Buches hatte ich schon einmal gelesen, ganze Abschnitte des Buches kamen mir sehr bekannt vor. Sie

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Ernest Hemingway und Heinrich Böll

Heinrich Böll, auf der Buchmesse, aus Pappe. Photo by W. Stock

Ernest Hemingway war der Autor meiner Jugend. Wir Jungs, mit vielen Fragen im Kopf und wenig Antworten im Leben, haben seine Werke verschlungen. Und da gab es dann noch andere Schriftsteller, die wir verehrten. J. D. Salinger beispielsweise, diesen skurrilen Kumpan der Jugend, oder Heinrich Böll, den rheinischen Moralist.

Letzterer, auch Nobelpreis-Kollege, ist heute literarisch fast vergessen. Zu sehr hat er für seine Zeit geschrieben und innerhalb seiner rheinischen Scholle gewirkt.

Hemingway ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt: Die Jahre haben ihm literarisch wenig anhaben können, die große Welt war sein Revier. Im Gegensatz zu Böll, der durch den linkschristlichen Glauben geprägt war, hat Ernest Hemingway seine Weltanschauung daraus bezogen, dass er sich die Welt angeschaut hat. Er ist hinaus ins Getümmel, hat miterlebt und mitgefiebert. Der Amerikaner, kein Ideologe, stand mit beiden Füssen im Leben.

Merkwürdigerweise – diese Fussnote muss bei Hemingway, Salinger und Böll erzählt werden – schnitten sich die Lebenslinien der drei Autoren.

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