Der Amerikaner aus Chicago besitzt seit jeher ein Faible für das Meer und für die Städte am Meer. Sein Leben lang zieht es ihn hin zu seinem geliebten blauen Wasser. Einer seiner Lieblingsplätze am Meer liegt im Golf von Biskaya. Ein altes Foto aus dem Jahr 1927 zeigt Ernest Hemingway mit seiner zweiten Ehefrau Pauline in San Sebastián, am Strandabschnitt dieser Muschel-Playa. Er mag die Bahía de la Concha sehr, wie er in seinem Erstling Fiesta verrät.
Als ich aufwachte, war es halb fünf. Ich nahm meinen Badeanzug, wickelte ihn und einen Kamm in ein Handtuch, verließ das Hotel und ging die Straße zur Concha hinunter. Die Flut war etwa zur Hälfte hinaus. Der Strand war glatt und fest, der Sand gelb. Das ganze letzte Kapitel von Fiesta findet in San Sebastián statt.
Jake Barnes, der Protagonist und das Alter Ego Hemingways, kommt in die baskische Küstenmetropole und atmet durch. Nach dem siebentägigen Encierro in Pamplona genießt er an der Küste die Ruhe. Ganz im Einklang mit der Natur. Er schwimmt, er erkundet die Stadt. Alleine. Er taucht ab in diese mondäne Melange aus Spanien und Frankreich. Ihm tut sein Aufatmen gut nach dem krawalligen Wirbel der Sanfermines. Jake besucht die Parte Vieja der Stadt, den Puerto um die Landspitze herum und das Casino. Die Nachmittage verbringt er am liebsten im Café de la Marina.
Es ist in San Sebastián, wo Ernest Hemingway im Jahr 1927 das Pelota-Spiel kennenlernt. Der US-Amerikaner wird zu einem begeisterten Anhänger dieses schnellen baskischen Ballspiels und oft findet man ihn in San Sebastián im Frontón Jai Alai, das allerdings im Jahr 1932 seine Pforten schließen musste.
Am Meer lässt sich exzellent speisen, das gute Essen gehört seit eh und je zur baskischen Identität. Das gastronomische Niveau liegt hoch im Norden Spaniens. Gegrillter Lachs mit Sauce béarnaise ist eine von Hemingways Lieblingsspeisen. Im Restaurant Azaldegui, das es heute nicht mehr gibt, hat der Schriftsteller die Regionalküche von San Sebastián, das heute auf Baskisch Donostia heißt, in vollen Zügen genossen.
Im Jahr 1953 trifft Ernesto im Café de la Marina seinen alten Freund Juanito Quintana aus Pamplona, der in der Calle de San Bartolomé eine Ferienwohnung besitzt. Ich ging unter den Bäumen um den Hafen herum zum Casino und dann eine der kühlen Straßen hinauf zum Café Marinas. Im Café spielte ein Orchester, und ich setzte mich draußen davor, genoss die frische Kühle an diesem heißen Tag und trank ein Glas Zitronensaft mit geschabtem Eis und dann einen Whisky mit viel Soda. Ich blieb lange vor dem Marinas sitzen und las und beobachtete die Leute und hörte der Musik zu.
Das Café de la Marina in der Calle Garibai 2 ist heute eine Eisdiele. Auch die Hotels, in denen Hemingway in den 1920er Jahren abstieg, gibt es nicht mehr. Das Hotel Biarritz und das Hotel Suizo sind nicht mehr da. Im Sommer 1959 steigt der Nobelpreisträger im Hotel María Cristina ab. Dieser Luxusbau, im Paseo República de Argentina 4, existiert noch heute. Ob es noch ein Gedenken an Ernest Hemingway gebe, frage ich an der Rezeption. Die Dame schüttelt den Kopf. Er ist Gast bei Ihnen gewesen, bohre ich weiter. Nein, nein, es gibt nichts.
Die Region agiert als Schauplatz des letzten Kapitels von Fiesta. Im Werk schwärmt er von der Bahía de Txingudi, der Bucht am französischen Ufer der Bidasoa-Mündung, die Grenzlinie zwischen Frankreich und Spanien. Selbst an einem heißen Tag hat San Sebastián immer etwas Frühmorgendliches. Das Laub an den Bäumen scheint nie ganz vertrocknet. Die Straßen wirken wie frisch besprengt. In manchen Straßen ist es auch an den heißesten Tagen immer kühl und schattig.
San Sebastián strahlt etwas aus, wie alle Städte am Meer. Eine Offenheit nach draußen, mit vielen Veränderungen, die über den Ozean kommen. Eine Buntheit, die Lust aufs Leben macht. Zugleich allerdings verflüchtigen sich im regen Treiben die Erinnerungen und die Gebräuche. Im Gegensatz zur Provinz besteht eine größere Gefahr, dass man ein wenig nachlässig umgeht mit seiner Tradition.
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