Ein junger Schreiber aus der lateinamerikanischen Boom-Generation wird Ernest Hemingway und seiner Ehefrau Mary Anfang 1957 in Paris am Boulevard St. Michel fast in die Arme laufen. Gabo erblickt, an einem Regentag, sein großes Vorbild auf der anderen Strassenseite. Doch der damals außerhalb seines Heimatlandes völlig unbekannte 29-jährige Kolumbianer Gabriel García Márquez ist zu gehemmt, um auf Ernest Hemingway zuzugehen. Und deshalb ruft er von der anderen Straßenseite ein lautes Maaaeeestro!.

Ernest Hemingway, der natürlich weiß, dass nur er mit dem Zuruf Meister gemeint sein kann, winkt mit der Hand und schreit auf Spanisch zurück: Adiooos, amigo!. So haben sich diese zwei Großmeister der Erzählung getroffen, sich kurz über die Straße etwas zugerufen und dann nie wieder gesehen.

Doch der schüchterne Kolumbianer, er ist 28 Jahre jünger als der US-Amerikaner, sollte in seinem Stil von Ernest Hemingway nachdrücklich beeinflusst werden. Sein Relato de un náufrago ist nicht vorstellbar ohne Der alte Mann und das Meer. Der vollständige Titel des Werkes lautet Bericht eines Schiffbrüchigen, der zehn Tage lang, ohne zu essen und zu trinken, auf einem Floß trieb, der zum Helden des Vaterlandes ausgerufen, von Schönheitsköniginnen geküsst, durch Werbung reich, gleich darauf durch die Regierung verwünscht und dann für immer vergessen wurde.

Der Kolumbianer García Márquez hat die kuriose Geschichte zuerst im Jahr 1955 als Erzählserie in der Tageszeitung El Espectador aus Bogotá veröffentlicht, bevor sie im Jahr 1970 bei einem Verlag aus Barcelona auch als Buch erscheint. Der Siegeszug des kleinen Kolumbianers mit dem Schnauzbart nimmt in den 1970er Jahren an Fahrt auf. Er wird der erfolgreichste in der Riege der lateinamerikanischen Autoren – über alle Zeiten hinweg. 

Was haben Ernest Hemingway und Gabriel García Márquez gemein? Nun, mit Sicherheit die Vorlieben. Die Bücher, den Journalismus, Kuba, Mexiko, Paris. Auch die Themen überlappen sich: Einsamkeit, Liebe, Gewalt. Ebenfalls gemeinsam: die Fama, Millionenverkäufe, Nobelpreis alle beide, ein Vermögen. Doch das wichtigste spielt sich im Kopf ab: Die Leidenschaft des Schriftstellers in der Literatur eine neue Wirklichkeit zu erschaffen.

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