Acapulco, 1982 Photo by W. Stock

Acapulco aus der Luft, 1982
Photo by W. Stock

Ernest Hemingway in Mexiko? Ja, er war dort. Anfang 1958. Aber man muss lange nach Spuren suchen, und man findet so gut wie nichts, aber zu guter Letzt hilft dann ein wenig der Zufall.

Hemingway, das ist bekannt, lebte zwanzig Jahre auf Kuba, auf Finca Vigía, seinem sonnigen Landrefugium bei San Francisco de Paula. Darüber hinaus hat der Weltenbummler Hemingway in all den Jahren lediglich zwei weitere Länder in Lateinamerika besucht. Peru und eben auch Mexiko.

Mexiko, den südlichen Nachbarn der USA, kannte er schon als junger Mann. In den 20er und 30er Jahren hatte er das Land bereist, Baja California, diese lang gestreckte Halbinsel im Westen. Der schmale Zipfel am Pazifik, rund um die Städte La Paz und Cabo San Lucas, ist ein Paradies für Angler und Tiefseesportler.

Und Ernest Hemingway besuchte auch Acapulco, im Jahr 1958. Acapulco, gerade Acapulco, das mag zunächst erstaunen. Denn dieses Städtchen am mexikanischen Pazifik galt, damals noch mehr als heute, als Urlaubsziel des Jetset, als Revier der Playboys und als Hort der Leichtigkeit. Solchen Orten wie Acapulco wird, ähnlich einer bildhübschen Frau, ja oft eine gewisse Oberflächlichkeit nachgesagt. Jedoch besitzt Acapulco auch eine literarische Tradition. Die Liste der Schriftsteller und Autoren, die in Acapulco weilten, ist beeindruckend.

Da ist zum Beispiel Malcolm Lowry, der schreiben konnte, so wie ein Schmied den Hammer schwingt. Über Mexiko brachte der britischer Autor 1947 den Roman Unter dem Vulkan zu Papier, ein wortgewaltiges, ziemlich verzweifeltes Trinkerepos. Der Vulkan ist der Popocatépetl, und Lowry Sätze kommen daher wie Mexiko selbst, wild, ungestüm, am Abgrund, und doch voll von einer eigentümlichen Lebensfreude und spürbaren Heißblütigkeit. Malcolm Lowry selbst kam im November 1936 auf einem Dampfer in Acapulco an, sah das hübsche kleine Fischerdorf, und danach sah er nur noch Sternchen. Tequila, Pulque und Mezcal.

Jane und Paul Bowles mieteten in den 40er Jahren in Acapulco ein Haus, eine kleine Hacienda mit einem Limonenhain und Avocado-Bäumen im Garten. Jane und Paul, das New Yorker Autorenehepaar, schrieben poetische Reiseerzählungen, sehr filigran und keck in der Beobachtung. Später zogen die beiden weiter, nach Nordafrika, immer ruhe- und rastlos, weshalb Paul Bowles seine Erinnerungen Without Stopping nannte.

B. Traven, dieser überaus rätselhafte deutsche Schriftsteller, versteckte sich 20 Jahre in Acapulco. Außerhalb der Stadt, an der Anhöhe, auf dem Weg nach Pie de la Cuesta. In Mexiko schrieb B. Traven Der Schatz der Sierra Madre, eine Abenteuergeschichte mit triefendem Humanismus, zugleich aber auch eine verkappte Liebeserklärung an sein Gastland. Nun, dieser kauzige Autor schien so gar nicht zu Acapulco zu passen, aber vielleicht war auch dies der Hinterlist eines Untergetauchten geschuldet.

Der Dramatiker Tennessee Williams verbrachte den Sommer 1940 in Acapulco und in seinem Stück The Night of the Iguana erkennt man die tropische Stadt, auch wenn John Huston das Stück später nicht hier, sondern in Puerto Vallarta verfilmen sollte. Der US-Dramatiker schrieb 1961 mit diesem Die Nacht des Leguan ein exotisches Drama um Liebe und Moral, und die unterschwellige Erotik seines Stückes mag man sich ohne die Schwüle am Pazifik nicht so recht vorstellen.

Bei einem anderen reichte es dann nicht ganz bis nach Acapulco. Der Kolumbianer Gabriel García Márquez, Jahrgang 1928 und im Exil in Mexiko, befand sich 1965 mit Familie auf der Fahrt nach Acapulco in den Urlaub, als ihm auf der Landstraße eine Eingebung kam. Nun, an dem Roman schrieb er schon lange, seit er in den Zwanzigern war, aber auf dieser Fahrt nach Acapulco sprang ihn die Idee an, welche Tonalität er treffen müsste. Wie in Trance wendete er seinen Opel und fuhr zurück nach Mexico City. Plötzlich auf dieser Fahrt, ich weiß nicht warum, hatte ich die Erleuchtung, wie ich dieses Buch zu schreiben hätte. Er schloss sich 18 Monate ein, mit viel Tabak und Wein, und schrieb und schrieb. Es wurde García Márquez größter Roman. Ein Stück Weltliteratur. Für den Nobelpreis. Hundert Jahre Einsamkeit.

Und wenn man Gabo erwähnt, dann ist man schnell auch wieder bei Ernest Hemingway. Dieser Hemingway wird Gabos Vorbild, und der Kolumbianer wäre ohne den Amerikaner nicht zu denken.

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