Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Mexiko

Als Ernest Hemingway in Mexiko sich durch Ciudad Juárez säuft

Das Online-Medium Hilo Directo aus Ciudad Juárez veröffentlicht eine merkwürdige Episode aus dem Leben des Ernest Hemingway.

Vor kurzem habe ich per Zufall eine wunderbare Geschichte in dem Medienportal Hilo Directo aus Ciudad Juárez entdeckt. In dieser mexikanischen Online-Zeitung erzählt der Schriftsteller Miguel Ángel Chávez Díaz De León von einer Begebenheit aus dem Leben des Ernest Hemingway.

Der Club 15, eine kleine Kneipe in der Avenida Juárez, erlebte im Jahr 1959 den Besuch von Ernest Hemingway und des Toreros Luis Miguel Dominguín. Im Monat Juli hatten die beiden Freunde eine Unterkunft im ‚San Antonio‘ durchgebucht, einem Hotel in der Straße ’16. September‘, direkt gegenüber vom Juárez-Markt. Der spanische Torero und der amerikanische Schriftsteller verfolgten einen Plan: Den Geburtstag Numero 60 von Papa Hemingway derart zu feiern, indem sie sich weltweit durch etliche Städte saufen.

So unbekümmert beginnt die Geschichte von Chávez Díaz, und sie geht ebenso vorwitzig weiter. In einer von mir gefertigten freien Übersetzung aus dem Spanischen ins Deutsche.

Als sie in Ciudad Juárez ankamen, lag eine dichte Hitzeglocke über der Stadt, und es blieb den zwei keine andere Wahl, als sich das ‚Cruz Blanca‘-Bier im Dutzendpack hinter die Binde zu kippen und dazu einige Flaschen ‚Juarez Whisky Straight American‘. Die Wochen zuvor hatten sie sich bereits in so mancher Kaschemme und Bar voll zugedröhnt, in Madrid, Lissabon, Paris, Havanna, im Sun Valley, Idaho und in San Antonio, Texas. Nun kreuzten sie in El Paso auf und überquerten den Río Bravo.

Und die Erzählung geht munter weiter: Im Schlepptau des Schriftstellers befinden sich Maritrini y Jova, zwei blutjunge Tänzerinnen aus dem Tropicana in Havanna. Hemingway, Dominguín und die zwei Frauen bechern sich kräftig durch das mexikanische Nachtleben. Der Nobelpreisträger achtet darauf, unerkannt zu bleiben. Doch der Journalist Polo Ochoa von der Tageszeitung El Fronterizo erkennt den bärtigen Autor und vermeldet den prominenten Besucher in seiner Kolumne Trik-Trak am 22. Juli 1959.

Ernest Hemingway und Begleitung saufen sich weiter durch die einschlägigen Etablissements von Ciudad Juárez. Das Kentucky, der Tivoli, die Villa Española, das Charmant, das Fiesta, El Recreo, La Cucaracha – keine Kneipe, in der die Prozente über die Schanktheke geschoben werden, lässt der berühmte Amerikaner aus.

Irgendwann sind die Sauforgien vorbei und Ernest Hemingway kehrt Mexiko den Rücken. Die beiden kubanischen Tänzerinnen entschließen sich, in Ciudad Juárez zu bleiben. Dort leben sie noch heute, im Stadtteil Margaritas, in der Nähe des Parque Hermanos Escobar. Die beiden älteren Damen sind umgeben von Erinnerungen und Fotos an die Sause mit dem gefeierten Autor.

Ciudad Juárez ist eine Stadt im Bundesstaat Chihuahua und stößt an die stark gesicherte Grenze zu den Vereinigten Staaten. Im Westen des Río Bravo liegt Ciudad Juárez, im Osten das US-amerikanische El Paso. Der Grenzfluss trennt nicht nur Mexiko und Texas, sondern zugleich die Verzweiflung von der Hoffnung. Eine Millionenstadt wie Ciudad Juárez durchlebt wie unter einem Brennglas all die Probleme Mexikos: illegale Migration, Schmuggel, Kriminalität, Rauschgift und schlimmste Gewalt.

Den Großmeister Hemingway in einen solchen Vorhof der Bedrücktheit einfallen zu lassen, bleibt eine reizvolle Idee. Und so liest der Hemingway-Aficionado die kurze Story mit heiterem Vergnügen. Bei aller Liebe muss man jedoch eines festhalten: Die ganze Geschichte stimmt von vorne bis hinten nicht. Alles um Ernest Hemingway ist erfunden. Vom ersten bis zum letzten Satz aus den Fingern gesogen. 

Allerdings nicht als Lügenmärchen, der Autor redet ganz offen über sein Konzept. Mit voller Absicht will er eine Geschichte spinnen, die Realität und Imagination bewusst vermengt. Dies ist die schrullige Eigenart des Erzählers Miguel Ángel Chávez Díaz De León. So lässt der mexikanische Münchhausen in anderen Episoden den Sänger Jim Morrison in Ciudad Juárez auflaufen. Und auch Pablo Picasso hat schon einmal am Río Bravo vorbei geschaut.

Der augenzwinkernde Kniff des Mexikaners besteht darin, dass er die frei erfundenen Stippvisiten der Prominenz mit historischen Fakten und genauen Belegen zu Unterkunft, Straßen und Uhrzeiten anreichert. Er macht das stilistisch so gekonnt, dass der geneigte Leser irgendwann die Phantasiegebilde des Mannes aus Ciudad Juárez dann auch wirklich glauben will. Crónicas Descarriadas nennt Chávez Díaz, ein Autor vom Jahrgang 1962, seine Erzählweise. Versprengte Berichte. 

Durch das vermeintliche Aufkreuzen der Berühmtheiten in seiner Heimat gelingt es dem Autor, ein wenig

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Ernest Hemingway, Jack Kerouac und das magische Land am Ende der Strasse

Jack Kerouac: On the Road. Ein Geniestreich aus dem Jahr 1957.

Mit ein wenig Nonchalance kann man sich Jack Kerouac als rebellischen Erbsohn des Ernest Hemingway vorstellen, literarisch zumindest. Von Jack Kerouac – er wird am 12. März 1922 in Lowell, in Massachusetts, geboren und ist damit 22 Jahre jünger als Ernest Hemingway – gibt es ein wahnsinniges Buch. On the Road, zu Deutsch Unterwegs, ist ein nachhallender Donnerschlag und so etwas wie die heilige Schrift der Beat Generation.

On the Road, das Werk erscheint erstmals im Jahr 1957, verkörpert den Protest der Jungen gegen die brave Welt der Eltern. Eine neue Generation, kopflos herumirrend, begehrt auf gegen die satte Spießigkeit der Mittelschicht, sie ist auf der Suche nach Sinn und einem neuen Lebensgefühl. Rock ’n‘ Roll, James Dean, die Hippies, der Bebop, sie alle werden im Laufe der Jahre zu den Identifikatoren des Protestes der Halbstarken gegen den biederen Alltag der Alten.

Allerdings finden sich in On the Road auch anerkennende Rückbesinnungen auf’s Althergebrachte und allerlei Anker-Begegnungen, beim Jazz, der Philosophie und in der Literatur. Natürlich kriegt Ernest Hemingway seinen Passus, wie sollte es anders sein? Hast Du Green Hills of Africa gelesen?, fragt Major in Denver seinen Freund Sal, es ist das Beste von Hemingway. Auf der Suche zu sich, zu den Werten und zur Identität spielt Ernest Hemingway für Jack Kerouac eine bedeutsame Rolle. Die eines gütigen Ahnvaters.

Der Erzähler Sal Paradise – der Protagonist mit dem verräterischen Namen ist das Alter Ego von Kerouac – und sein Freund Dean reisen durch die Vereinigten Staaten. Die zwei Freunde trampen, sie kapern Güterzüge, sie klauen Autos, es geht die USA rauf und runter, kreuz und quer. Ohne Ziel und ohne Plan. Am bitteren Ende jeder Reise bleibt nach der Rückkehr die Leere, die vergebliche Suche nach dem Ich, nach einem Platz in der Gesellschaft, nach den eigenen Idealen und Werten, die sich doch von denen der Eltern-Generation unterscheiden müssen. 

Die Freunde wohnen schäbig in Spanish Harlem, sie wühlen und kruscheln in Chicago und New Orleans, sie lassen sich treiben in Arizona, sie kiffen sich durch San Francisco, jeder Schritt ohne Sinn und Verstand, immer gehetzt. Und so erweist sich der Rhythmus dieses 380 Seiten-Buches ebenfalls als rasant, ganz wie die Jazzmusik der damaligen Jahre, die zuckerigen Swing-Girlanden fallen aus der Zeit, schneller Bebop Jazz formiert sich, schrill und atemlos.

Auch Ernest Hemingway ist bekanntlich viel unterwegs gewesen. Frankreich, Spanien, Italien, Asien und Afrika, allerdings stets mit dem feinen Gepäck eines Großbürgers. Mit Chauffeur und als Gast in den teuersten Hotels. Jack Kerouac hingegen reist als underdog, säuft sich durch die billigen Kneipen der Vororte, fällt hinein in die abgetakelten Bretterbuden des roten Lichtes bei Nacht, schrammt haarscharf an den Gefängnistoren vorbei, tigert munter durch die Ghettos der Großstadt.

Der Schreibstil Kerouacs ist dem Hemingways ähnlich, nur ganz anders. Beide schreiben lakonisch, karg und trocken, aus dem Bauch heraus. Doch während Ernest Hemingway jedes Wort überlegt und abwägt, rotzt Jack Kerouac all seine Sätze schmerzfrei heraus. Der Jüngere schert sich nicht groß um grammatikalische Korrektheit und stilistische Konvention, die Sätze sprudeln wild heraus wie ein stürmisches Quellwasser.

Beide haben eines gemeinsam: Sie suchen das Ziel ihrer Träume. In On the Road findet Jack Kerouac ganz zum Ende der Reisen schließlich seinen Garten Eden. Hinter uns lag das ganze Amerika und alles, was Dean und ich bisher vom Leben gekannt hatten, auch vom Leben unterwegs. Endlich hatten wir das magische Land am Ende der Straße gefunden, und nie hätten wir uns träumen lassen, wie magisch es war.

Es ist das Land, wo nicht Milch und Honig, sondern

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Ernest Hemingways Vorwort zu Gustav Reglers ‚The Great Crusade‘

The Great Crusade wurde zuerst in den USA veröffentlicht, in der Übersetzung von Whittaker Chambers und Barrows Mussey.

Gustav Reglers beeindruckender Roman über den Spanischen Bürgerkrieg erscheint im Jahr 1940 im New Yorker Verlag Longmans, Green and Company. Der damals überzeugte Kommunist nennt seine Erzählung The Great Crusade. Der große Kreuzzug. Das Buch erhält einen Ritterschlag: Sein Freund Ernest Hemingway wird das Vorwort zu Das große Beispiel, so heißt das Original schließlich auf Deutsch, schreiben.

Im August 1939 bekommt Ernest Hemingway das dicke Manuskript von The Great Crusade auf seine Farm Finca Vigía bei Havanna übersandt. Der bärtige Amerikaner muss 4,32 Dollar Einfuhrgebühr bei der kubanischen Zollbehörde für die Sendung aus New York zahlen. Sogleich macht sich der prominente Autor in seiner tropischen Wahlheimat an die Lektüre des Textes.

Alsdann schreibt der damals schon weltbekannte Schriftsteller in aller Ausführlichkeit sein Vorwort. Es lohnt, diesen launigen Prolog ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Denn er zeigt einerseits die Haltung Ernest Hemingways zu diesem grausamen Bürgerkrieg auf, und er verrät andererseits auch einiges über den Charakter und über die Persönlichkeit des späteren Nobelpreisträgers.

In einem Krieg sollte man aber die Niederlage nicht zugeben – nicht einmal vor sich selbst, schreibt Ernest Hemingway zu Beginn seines fünfseitigen Vorwortes. Wer sie eingesteht, ist endgültig geschlagen. Das ist nicht weit von seinem Lebensmotto A man can be destroyed, but not defeated. Ein Mensch kann zerstört werden, aber nicht besiegt. Er wird sein Credo von Tapferkeit und Resilienz in seinen Veröffentlichungen noch häufig in den verschiedensten Tonarten durchkomponieren.

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Eine vorbildlich editierte Ausgabe von Gustav Reglers Das große Beispiel auf Deutsch ist bei der Büchergilde Gutenberg erschienen.

In seinem Geleitwort erzählt der US-Amerikaner jene Begebenheiten über die Spanienkämpfer, die auch für seine Zeitungsreportagen aus dem Bürgerkrieg so typisch sind. Es gab keinen Mann unter ihnen, der nicht trotz der ständigen Todesgefahr Witze gerissen und zur Bekräftigung darauf gespuckt hätte. Wir hatten den Spucktest eingeführt, als ich mich einer Kindheitserfahrung erinnerte: Wenn man wirklich Angst hat, kann man nicht spucken. In Spanien fehlte mir sehr oft die Spucke, und war der Witz auch noch so gut.

Ernest Hemingway zeigt sich von The Great Crusade angetan. Vor allem lobt er die literarische Aufrichtigkeit des deutschen Autors. Es gibt Ereignisse, die so  groß sind, dass ein Schriftsteller, der sie miterlebt hat, moralisch verpflichtet ist, sie so wahrheitsgetreu wie möglich zu berichten, ohne sich anzumaßen, sie durch Erfindungen zu verändern. Diese Redlichkeit zeichne Gustav Reglers Buch aus. Es kommt selten vor, dass Hemingway einen Maßstab, den er an das eigene Werk anlegt, auch bei einem Kollegen als erfüllt ansieht.

Das Vorwort zu Das große Beispiel spart einen heiklen Punkt nicht aus: das

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Ernest Hemingway und Gustav Regler

Ernest Hemingway mit dem Schriftsteller Gustav Regler (rechts) und dem russischen Autor Ilja Ehrenburg (links) Anfang April 1937 an der Front bei Guadalajara. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Im Spanischen Bürgerkrieg freundet sich Ernest Hemingway mit dem deutschen Schriftsteller Gustav Regler an. Der Sohn eines Buchhändlers aus dem saarländischen Merzig, ein Mann vom Jahrgang 1898 und damit ein Jahr älter als der Amerikaner, ist als Politkommissar der XII. Internationalen Brigade zugeteilt. Sympathisch und klug charakterisiert Gustav Regler den berühmten Kollegen aus Übersee nach einem Zusammentreffen an der Guadalajara-Front im April 1937: „Genauso verachtete er [Ernest Hemingway] Literaten und Intellektuelle, es haftete das Parfüm der Feigheit an ihnen; Mut aber war der Maßstab, den Hemingway zuerst an den Menschen anlegte.“

Als im Juni 1937 bei Huesca eine Granate der Franquisten das Auto trifft, in dem auch Gustav Regler sitzt, wird der deutsche Spanienkämpfer schwer verwundet. Nach langer Rekonvaleszenz, als Soldat fortan untauglich, schickt die spanische Regierung den mehrsprachigen Regler in die USA, um für das republikanische Sanitätswesen in Spanien Spenden zu sammeln. Regler, er trifft auch Albert Einstein, gelingt es, eine ansehnliche Summe zusammenzutragen.

Am 7. Februar 1938 kommen Gustav Regler und seine Ehefrau Marieluise Vogeler dann nach Key West. Ernest und Pauline Hemingway empfangen die Reglers mit offenen Armen in ihrem herrschaftlichen Haus. Der Deutsche wird überwältigt von der Wohlhabenheit der Hemingways. Er staunt nicht schlecht über das üppige Anwesen mit Swimmingpool und über den Diener, der zu den Mahlzeiten die Speisen aufträgt. Sein Bild eines Schriftstellers ist bisher ein ganz anderes gewesen, das eines armen Schluckers und Überlebenskünstlers. 

Das deutsche Ehepaar wohnt für einige Wochen im Gästetrakt des Hemingway-Hauses an der Whitehead Street. Gustav Regler reist auf einem spanischen Diplomatenpass, für Marieluise Vogeler hat Hemingway persönlich bei den US-Behörden gebürgt und ihre Reisekosten bezahlt. Der Ortswechsel vom Elend des Bürgerkrieges in den vergnüglichen Alltag Amerikas wirkt wie ein Schock. „Wir waren ohne Geld. Ohne Freund. (Hemingway war da, ein Fels, eine Treue, aber gerade der eine Fels zeigte die Wüste um uns her noch deutlicher.)“, schreibt Regler über den USA-Besuch.

Zurück in Europa wird Gustav Regler bei Kriegsausbruch 1939 in Frankreich im Pyrenäenlager Le Vernet interniert. Ernest Hemingway und andere Freunde lassen ihre Beziehungen spielen. In Paris, an Weihnachten 1939, setzt sich Martha Gellhorn, Ernest Hemingways neue Flamme, persönlich bei den Behörden für Regler ein. Nach seiner Freilassung im März 1940 nehmen Gustav Regler und seine Frau dann ein Schiff nach New York.

Ihr endgültiges Exil finden Gustav Regler und Marieluise Vogeler dann in Mexiko, zunächst in Ajusco, südlich der Hauptstadt, später in Coyoacán, einem pittoresken Vorort vom Mexiko-Stadt. Mit Verkäufen von Mieke Vogelers Bildern, sie ist die Tochter des Worpswedener Malers Heinrich Vogeler, hält das Ehepaar sich über Wasser. Über die Jahre, desillusioniert von seinen Jugendidealen, setzt sich Regler auch öffentlich von der kommunistischen Bewegung ab. Unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Paktes bricht er Anfang der 1940er Jahre endgültig mit der Kommunistischen Partei. Üble Nachreden und bösartige Schmähungen durch ehemalige Gesinnungsgenossen folgen stehenden Fusses.

Die Pleite im Spanischen Bürgerkrieg lastet schwer auf Hemingways Gemüt. Gustav Regler berichtet von einer verstörenden Begegnung. Der berühmte Kollege ist im Frühjahr 1942 zu Besuch bei den Reglers in Mexiko, man verlässt gerade den Tampico-Club, da drückt der Amerikaner unvermittelt seinen Freund

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Ernest Hemingway trifft Gabriel García Márquez

Ein junger Schreiber aus der lateinamerikanischen Boom-Generation wird Ernest Hemingway und seiner Ehefrau Mary Anfang 1957 in Paris am Boulevard St. Michel fast in die Arme laufen. Gabo erblickt, an einem Regentag, sein großes Vorbild auf der anderen Strassenseite. Doch der damals außerhalb seines Heimatlandes völlig unbekannte 29-jährige Kolumbianer Gabriel García Márquez ist zu gehemmt, um auf Ernest Hemingway zuzugehen. Und deshalb ruft er von der anderen Straßenseite ein lautes Maaaeeestro!.

Ernest Hemingway, der natürlich weiß, dass nur er mit dem Zuruf Meister gemeint sein kann, winkt mit der Hand und schreit auf Spanisch zurück: Adiooos, amigo!. So haben sich diese zwei Großmeister der Erzählung getroffen, sich kurz über die Straße etwas zugerufen und dann nie wieder gesehen.

Doch der schüchterne Kolumbianer, er ist 28 Jahre jünger als der US-Amerikaner, sollte in seinem Stil von Ernest Hemingway nachdrücklich beeinflusst werden. Sein Relato de un náufrago ist nicht vorstellbar ohne Der alte Mann und das Meer. Der vollständige Titel des Werkes lautet Bericht eines Schiffbrüchigen, der zehn Tage lang, ohne zu essen und zu trinken, auf einem Floß trieb, der zum Helden des Vaterlandes ausgerufen, von Schönheitsköniginnen geküsst, durch Werbung reich, gleich darauf durch die Regierung verwünscht und dann für immer vergessen wurde.

Der Kolumbianer García Márquez hat die kuriose Geschichte zuerst im Jahr 1955 als Erzählserie in der Tageszeitung El Espectador aus Bogotá veröffentlicht, bevor sie

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Was sucht Ernest Hemingway in Acapulco?

Acapulco, 1982 Photo by W. Stock

Der mexikanische Badeort Acapulco. Photo by W. Stock, 1982.

Ernest Hemingway und Acapulco? Ja, das passt schon. Acapulco ist ein Fleckchen nach Hemingways Gusto. Zudem ein Paradies für Sportangler. Ganzjährig ist das Brandungsangeln in den ausgedehnten Buchen vor Acapulco möglich.

Seit seinen Kindertagen, der Vater hat es ihm beigebracht, mag Ernest das Sportangeln. Als beste Angelzeit gilt in Acapulco die Abenddämmerung und die Nacht bei auflaufender Flut. Dann können Fische wie der Yellowtail, Hornhechte oder Seebarsche gefangen werden. Auch ist Acapulco für seine wuchtigen Segelfische berühmt, die man draußen auf hoher See sieht, und in den aussichtsreichsten Fangzeiten, von Oktober bis Januar, kommen die Sportangler in Scharen hier an den Pazifik.

Vielleicht soll dieses Acapulco, wir schreiben das Jahr 1958, eine Vitaminspritze für Ernest Hemingway sein. 1954, vier Jahre zuvor, ist sein Schicksalsjahr gewesen. Im Januar hat er die zwei Flugzeugunglücke in Afrika knapp überlebt, er ist schwer verletzt, so ganz soll er sich nicht mehr erholen. Und im Oktober bekommt er den Nobelpreis für Literatur. Auch davon wird er sich nicht mehr erholen. Wie ein Damoklesschwert schwebt das Gewicht dieser Auszeichnung über seinem Kopf, er wird danach zu seinen Lebzeiten kein Buch mehr veröffentlichen.

Es geht ihm nicht gut, er merkt, die

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Ernie, let’s go loco in Acapulco

Acapulco, 1992 Photo by W. Stock

Die Bucht Puerto Marqués bei Acapulco. Photo by W. Stock, 1992.

Ernest Hemingway in Acapulco. Doch merkwürdigerweise ohne eine literarische oder persönliche Spur zu hinterlassen. Kein Denkmal, das ihn zeigt, kein Hotel, das mit ihm angibt, keine Straße, die sich nach ihm nennt, nichts, nada, gar nichts, noch nicht einmal eine klitzekleine Gedenktafel.

Auch in dieser Hinsicht dürfte Acapulco einmalig sein. Aber vielleicht liegt die Ignoranz auch daran, dass diese Pazifikstadt seine Berühmtheiten und Notabeln in Tausenden zählt. Doch zunächst, was macht diese lebenslustige Stadt am Meer für jemanden wie Ernest Hemingway so anziehend? Warum fühlen sich auch Intellektuelle hier wohl?

Das Wetter, na klar, die Hitze und Glut, und besonders dieser erhaben blaue Himmel. Denn an Mexikos Pazifikküste herrscht ewiger Sommer. Herbst und Winter sind unbekannte Phänomene. Der Frühling findet an einem Märznachmittag statt, und dann ist Hochsommer bis hinein ins nächste Jahr.

Diese wuchtige Schwüle der Tropen drückt auf die ganze Stadt, ihre Bewohner und dann auch auf die Besucher. Dieser Ort besitzt aphrodisierende Wirkung, weshalb auch immer, es ist so, und so lässt sich manch einer zu

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Hilmar Kopper trifft auf Ernest Hemingway

Acapulco, 1992 Photo by W. Stock

Ein wunderschöner Morgen vor Acapulco, 1992. Photo by W. Stock

Hilmar Kopper, der später Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank in Frankfurt werden sollte, ist ihm über den Weg gelaufen. In Acapulco, am Pazifik. Es war im Januar oder Februar 1958, wie Hilmar Kopper die Begegnung aus seiner Erinnerung kramt.

Als junger Kerl, erst 22 Jahre, schickt die Deutsche Bank den Trainee in die Vereinigten Staaten. Dort soll er unter anderem in Hollywood bei MGM und den anderen Studios schauen, wie die Filmstudios ihre Bankkredite verwalten und einsetzen. Von Los Angeles aus macht Hilmar Kopper mit einem Freund dann einen Trip nach Mexiko, zuerst nach Mexico City, anschließend nach Acapulco.

Dort, an einem späten Vormittag, sollte es zu einer schicksalhaften Begegnung kommen, an die sich der Banker auch nach 55 Jahren noch gut erinnert. Hilmar Kopper ist am Pazifikstrand, vor dem Hotel, der Name ist Kopper entfallen, jedenfalls damals eines der guten, in einer Bucht, vor der ein markanter Felsen eingefasst ist.

Ich war da in Acapulco am Strand und ging mit ein paar einheimischen Jungen immer im Meer tauchen, nach Korallen, darf man gar nicht sagen, aber das ging ganz gut. Und plötzlich, als ich da wieder am Strand lag, stellte ich fest, dass neben mir ein älterer Herr in einem Liegestuhl saß unter einem Sonnenschirm. Der Mann, ein bisschen betagt, ein bisschen füllig, graumeliert, auch der Bart, und der las die New York Times.

Hilmar Kopper ist verblüfft, weil er den Mann zu glauben kennt, er hat ihn schon

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Nicht nur Hemingway kommt nach Acapulco

Acapulco, 1982 Photo by W. Stock

Die Bucht von Acapulco aus der Luft, 1982. Photo by W. Stock

Ernest Hemingway in Mexiko? Ja, er war dort. Anfang 1958. Aber man muss lange nach Spuren suchen, und man findet so gut wie nichts, aber zu guter Letzt hilft dann ein wenig der Zufall.

Hemingway, das ist bekannt, lebte zwanzig Jahre auf Kuba, auf Finca Vigía, seinem sonnigen Landrefugium bei San Francisco de Paula. Darüber hinaus hat der Weltenbummler Hemingway in all den Jahren lediglich zwei weitere Länder in Lateinamerika besucht. Peru und eben auch Mexiko.

Mexiko, den südlichen Nachbarn der USA, kannte er schon als junger Mann. In den 20er und 30er Jahren hatte er das Land bereist, Baja California, diese lang gestreckte Halbinsel im Westen. Der schmale Zipfel am Pazifik, rund um die Städte La Paz und Cabo San Lucas, ist ein Paradies für Angler und Tiefseesportler.

Und Ernest Hemingway besuchte auch Acapulco, im Jahr 1958. Acapulco, gerade Acapulco, das mag zunächst erstaunen. Denn dieses Städtchen am mexikanischen Pazifik galt, damals noch mehr als heute, als

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