Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: USA Seite 5 von 6

Raúl Villarreal, Lehrer, Künstler und Hemingwayano

Raúl Villarreal, 1964-2019

Als Ernest Hemingway sich am 2. Juli 1961 in Ketchum, in den fernen Bergen Idahos, die Kugel gibt, da äußert ein enger Weggefährte auf Kuba geradeheraus. „Papa Hemingway hat seinen letzten Löwen geschossen“, kommentiert René Villarreal, ein guter Freund, der seit 1946 als Majordomus auf Finca Vigía tätig ist. 

René, ein junger afrokubanischer Einheimischer aus San Francisco de Paula, bleibt über 15 Jahre der Hausmeier auf Finca Vigía, dem tropischen Anwesen der Hemingways auf der Karibikinsel. René ist dafür zuständig, dass die Abläufe auf der Farm reibungslos klappen. Er beaufsichtigt das Dutzend Angestellte, zahlt die Löhne aus, holt zweimal am Tag die Post, denn neben den Briefen bekommt der Schriftsteller unzählige Bücher und Zeitschriften zugeschickt.

Neben dem Verwalter Roberto Herrera Sotolongo und dem Kapitän der Pilar, Gregorio Fuentes, ist René Villarreal der Kubaner, der Ernest Hemingway auf der Insel am Nähesten steht. Über die Jahre wird er zu einem Vertrauten des Nobelpreisträgers, der Autor schüttet dem Kubaner sein Herz aus. Ich bin nun alt, meint er zu seinem Majordomus, und musste hart für mein Leben und den Ruhm und den Reichtum kämpfen. Ich sollte eigentlich mein Leben lieben, aber ich kann es nicht.

Ernest Hemingway hat sich René Villarreal geöffnet wie einem Sohn. Am Ende seines Weges als Schreiber, als Literat und als Mann findet der Nobelpreisträger klare Worte. René, mi querido hijo cubano, schreibt er an seinen kubanischen Vertrauten, Papa geht so langsam das Benzin aus. Ich verspüre keine Lust mehr zu lesen, und dies war genau das, was mich am meisten im Leben gehalten hat. Und das Schreiben ist noch schwieriger.

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René Villarreal ist im Oktober 2014 in New Jersey gestorben, doch die Bewunderung für Ernest Hemingway hat sich auf die nächste Generation übertragen, auf Renés Sohn Raúl Villarreal. Raúl ist das Kind von Elpidia und René Villarreal. Im Jahr 1972 verlässt René mit seiner Familie die Insel, geht zuerst nach Spanien, dann in die USA, wo ihm Mary Hemingway hilft, Fuss zu fassen.

Raúl Villarreal, der Sohn, wächst in den USA auf, er studiert Bildende Künste an der New Jersey City University, wird selbst ein ausgezeichneter Maler und ein allseits anerkannter Hochschullehrer, er macht als Weltreisender und als Autor von sich reden. Zusammen mit seinem Vater schreibt er das Buch Hemingway’s Cuban Son, in dem die Geschichten über den bärtigen Freund festgehalten sind.

Auf Konferenzen, Vorträgen und in privater Runde unterhält Raúl Villarreal die Zuhörer mit

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Ernest Hemingway explodiert

Über den Abspann des Hollywood-Films Der alte Mann und das Meer ärgert sich Ernest Hemingway ungemein.

Seine Erzählungen sind schwierig zu verfilmen. Die Hollywood-Leute kommen zu mir und wollen einen meiner Romane verfilmen. Dabei eignet sich keines meiner Werke für die Leinwand, hat Ernest Hemingway mehr als einmal kundgetan. Wenn er nach Los Angeles fliege, so sagt er, dann fahre er immer in Windeseile an Hollywood vorbei. Mit der einen Hand schmeiße er das Manuskript über den Zaun, mit der anderen fange er den Zaster auf.

Nach der landesweiten Premiere besucht der Nobelpreisträger in New York mit Aaron Edward Hotchner eine Aufführung von Der alte Mann und das Meer. Nach 12 oder 13 Minuten dann das Déjà-vu: Ernest Hemingway wendet sich an Hotch und bemerkt kurz Ready to go?. Und die beiden verlassen ernüchtert das Kino. Weißt Du, vertraut Ernest seinem Freund verärgert an, da schreibt man ein Buch, dass man über alle Jahre hinweg liebt, und dann muss man so etwas erleben – das ist so, als würde man seinem Vater ins Bier pissen.

Doch bei Der alte Mann und das Meer treiben es die Hollywood-Macher krass. Obwohl der Trailer darauf hinweist, dass dieser Film neben Kuba auch in Peru gedreht worden ist, wartet noch eine unangenehme Überraschung auf den Schriftsteller. Ganz grauenvoll kommt es für den Nobelpreisträger, als er sieht, dass in den Spielfilm alte dokumentarische Kurzsequenzen von der Marlin-Jagd des Alfred C. Glassell einmontiert worden sind. Und es trifft Ernest Hemingway wie ein Schlag mit dem Hammer, als er den Abspann des Films zu Gesicht bekommt.

This picture was directed by John Sturges. Der Regisseur dieses Filmes heißt John Sturges. So weit, so gut. Doch dann kommt der Knall: Some of the marlin film used in this picture was of the world’s record catch by Alfred C. Glassell Jr. at the Cabo Blanco Fishing Club in Peru. Mr. Glassell acted as special advisor for these sequences. Träumt er? Glassells Rekordfang ist in den Film eingebaut, nicht jedoch die Aufnahmen von Hemingways Team in Cabo Blanco?

Wo nur ist das stundenlange Material der Second Unit geblieben, dass man in Nordperu auf dem Pazifik so

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Das Grab des Ernest Hemingway

Die letzte Ruhe des Ernest Hemingway unter zwei Kiefern.
Ketchum, im April 2018; Foto: W. Stock

Des Abends kühlt es im Sun Valley rasch ab und die Schatten von den Hügeln auf das Tal legen sich schwer auf den Friedhof. Der Ketchum Cemetery zwischen Knob Hill und dem Golfplatz ist ein Friedhof für alle, so wie es sein sollte, für die 100-Prozentigen, für die Protestanten, für Evangelisten, für Gottesleugner, im Tod finden sie alle zusammen. Und weil die Amerikaner auch beim Exitus überaus pragmatisch denken, kann man über den Friedhof mit dem Auto gleich bis kurz vor die Grabstelle fahren. 

Der Friedhof in den Höhen der Rocky Mountains ist flach gestaltet, es finden sich keine wuchtigen Grabsteine, sondern lediglich kniehohe Grabplatten oder solche, die ganz in den Boden gelassen sind. Die Grabstätte von Ernest Hemingway liegt im zentralen hinteren Teil unter zwei Kiefern und ist flach über der Erde mit einer hellen Steinplatte abgedeckt. Ernest Miller Hemingway, July 21, 1899 – July 2, 1961 lautet die schlichte Inschrift.

Miss Mary liegt direkt neben ihm, Mary Welsh Hemingway, Apr. 5, 1908 – Nov. 27, 1986, steht bei ihr. Kiefernnadeln fallen auf die letzte Ruhestätte des Ernest Hemingway. Auf der Grabplatte aus klarem Quarzit liegen halbgetrunkene Whiskey-Fläschchen, kleine Geldmünzen, Schreibstifte oder andere Mitbringsel, die Bewunderer als Zeichen ihrer Ehrerbietung dagelassen haben. Die Grabstätte wird

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Der stolze Diener Ellis O. Briggs und sein Freund

Drei Freunde mit erlegtem Marlin: Ernest Hemingway, Elicio Argüelles II und Ellis O. Briggs. Cabo Blanco, Peru, im Mai 1956.

Ernest Hemingway und Ellis O. Briggs kennen sich aus Kuba. Als Briggs noch Counselor, ein junger Botschaftsrat, in Havanna gewesen ist, hat er Ernest Hemingway unterstützt, als der Schriftsteller im Golfstrom vor Kuba mit der Pilar zur Jagd auf deutsche U-Boote angesetzt hat. Diese Geschichte aus dem September 1942 hört sich wie eine Räuberpistole an, sie ist es auch. 

Die bizarre Aktion wird ein Schlag ins Wasser, wenn man im Bild bleiben darf. Denn Ernest Hemingway und die anderen Mitstreiter stoßen, wenig überraschend, auf keinen einzigen Nazi, weder an Land, noch auf Wasser. Seit er diesen Unfug mitgemacht hat, mag Ernest Hemingway den Schnauzbart Briggs. Seitdem sind sie gute Freund, mehr noch, zwei Verrückte, die manche Verrücktheit im Leben teilen. Und: Beide vermelden das gleiche Geburtsjahr. Wie der Nobelpreisträger ist auch der Diplomat ein Mann vom Jahrgang 1899. 

Der Schriftsteller mag den Karrierediplomaten Briggs, der ein wenig verschroben auftritt und in Cabo Blanco mit einem breiten Tropenhelm aufkreuzt. Ein wenig erinnert der stämmige Diplomat an Oliver Hardy, den Dicken aus dem Komiker-Duo Laurel & Hardy. Aber Ernest legt auf Äußerlichkeiten wenig Wert, er mag Ellis, so wie er ist. Besonders dessen Zuverlässigkeit schätzt er und das große Herz. 

Im Jahr 1956 ist Ellis O. Briggs der Botschafter der USA in Peru, und auch Ernest Hemingway weilt für fünf Wochen in dem Andenland, um am Pazifik die Filmaufnahmen für Der alte Mann und das Meer zu überwachen. Botschafter Briggs ist am 10. Mai 1956 aus Lima nach Cabo Blanco in den Norden gekommen, um mit seinem alten Kumpel ein Wochenende auf dem Meer zu verbringen.

Es werden für den Schriftsteller schöne Stunden, denn Ernest hat gerne

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Elicio Argüelles – der gute Freund aus Havanna

Elicio Argüelles, ein Freund Ernest Hemingways über Jahrzehnte, im peruanischen Cabo Blanco, im Mai 1956.

In den zwei Jahrzehnten auf Kuba hat sich Ernest Hemingway einen ansehnlichen Freundeskreis aufgebaut. Mario Menocal, genannt Mayito, gehört dazu, auch dessen Vetter Elicio Argüelles, Thorwald Sánchez und Pichón Aguilera, beide Kumpel beim Tontaubenschießen, dann der baskische Kleriker Andrés Untzaín, Doctor Carlos Kohly, sein Hautarzt, Jaime Bofill, ein Rechtsanwalt und Aktienhändler oder Manuel Asper, der Besitzer des Hotels Ambos Mundos.

Auch zu Schriftstellern wie Enrique Serpa, Fernando Campoamor und Nicolás Guillén hält er Kontakt. Der kubanische Boxer Kid Tunero ist ein guter Freund, ebenso wie der schwarze Musiker Bola de Nieve. Ernest Hemingway pflegt seine Freundschaften, sie sind ihm wichtig. Meist sind es Kubaner oder Exil-Spanier, die zu seinem engen Bekanntenkreis gehören, zu den eigenen Landsleuten hält der Amerikaner eher Abstand.

Zu Elicio Argüelles II, einem kubanischen Rechtsanwalt und bekannten Sportangler, hegt Ernest Hemingway eine besondere Freundschaft. Schon dessen Vater ist in Havanna ein enger Freund des Schriftstellers gewesen, mit dem durchtrainierten Elicio trifft sich Ernest Hemingway des Öfteren zum Tontaubenschießen. Den schlanken Kubaner nimmt der Nobelpreisträger im Jahr 1956 dann sogar mit nach Cabo Blanco, wo in Peru die Außenaufnahmen für den Hollywood-Film Der alte Mann und das Meer stattfinden.

Elicio Argüelles mag oberflächlich betrachtet manchen vielleicht als Lebemann durchgehen, er ist jedoch eine Person von bürgerlicher Ernsthaftigkeit. Ein Rechtsanwalt, jemand mit Hang zur Politik, er wird irgendwann einmal Senator werden in seiner Heimatstadt Havanna. Auch sein Vater ist Senator gewesen, sogar einen Staatspräsidenten kann die Familie vorweisen, seinen Onkel Mario García Menocal.

Elicio Argüelles Familie gehört zur upper class auf Kuba. Der Vater ist Besitzer des Frontón Jai Alai an der Kreuzung der Calle Concordia mit der Lucena, einer populären Wettkampfhalle in Havanna, die der Volksmund auch als Palacio de los Gritos, als Palast der Jubelschreie, kennt. In dieser langgezogenen Sporthalle geht es in der Tat lauthals her, denn dort wird dem auf Kuba populären Pelota-Spiel nachgegangen.

Ernest Hemingway ist ein begeisterter Anhänger dieses baskischen Ballspiels und hat dort

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Hemingway? Es gibt auch Kritiker

Ernest Hemingway ist noch heute quicklebendig, seine Werke werden in den Buchhandlungen geführt, er wird – fast sechs Jahrzehnte nach seinem Tod – millionenfach gelesen und von vielen bewundert. Jeder kennt mindestens eines seiner Werke, man weiß um sein aufregendes Leben. Kurz, Ernest Hemingway ist bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund.

Doch so mancher seiner Kollegen betrachtet den bärtigen modernen Klassiker aus Chicago – literarisch wie menschlich – mit argem Stirnrunzeln. Direkt nach Ernest Hemingway ist eine neue Autorengeneration herangewachsen, John Updike, Arthur Miller, Norman Mailer, Joseph Heller – eine Generation, die sich vom Vater absetzen muss, und vieles anders sieht.

Die Gegensätze können nicht größer sein. Die Großstadt-Schreiber gefallen sich als Trüffelschnüffler der modernen amerikanischen Mittelklasse. Der alte Hemingway hat das Geplauder des intellektuellen Mainstreams nie gemocht, zu viele Ehedramen, Beziehungskonflikte und Berufsprobleme, das alles ist nicht seine Welt. Ernest Hemingway, der Weltenbummler und Großwildjäger, kann mit der literarischen Selbsterkundung der Großstadtneurotiker nichts anfangen.

Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. „Hemingway habe ich immer verachtet“, keilt beispielsweise John Irving, der US-amerikanische Schriftsteller aus New Hampshire, Jahrgang 1942. „Ich habe mich für ihn geschämt, als Mann und Autor. Seine Art und Weise, das Maskuline zu repräsentieren ist ein Witz. Er war kein Boxer, er war ein Alkoholiker, ein überschätzter Trinker, der überdies verantwortlich war für die literarische Welle all seiner Nachahmer. Mir gefallen die langen Sätze und die vielschichtigen Charakteren – aber das Tiefste das Hemingway erreichte, bestand darin, eine Charaktere zu erschaffen, die keinen hochkriegte. Deshalb ist Hemingway der größte Hochstapler der Geschichte. Als Mann und als Schriftsteller.“

Ernest Hemingway, ein Hochstapler? Solch ein Vorwurf ist unredlich, denn seine Qualität hat ganze Autorengenerationen beeinflusst und geprägt, so oder

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Ernest Hemingway und Mario Vargas Llosa

Der ‚Prix Hemingway‘ für Mario Vargas Llosa, Paris 1985

Die Parallelen zwischen diesen beiden Schriftstellern erscheinen frappant. Beide haben sehr jung als Journalist angefangen. Ernest Hemingway mit 18 Jahren im Oktober 1917 beim Kansas City Star, Mario Vargas Llosa – noch im Schulalter – in den Sommerferien 1952 bei La Crónica in Lima. Beide lebten längere Zeit in Paris, sie mögen Spanien, beide Nobelpreisträger, beide werden in ihren Ländern ikonisch bewundert.

Mario Vargas Llosa, 1936 im peruanischen Arequipa geboren, in Perus weißer Stadt unter dem schneebedeckten Gipfel des Vulkans El Misti, hat sich bei Hemingway einiges abgeschaut. Spannungsbogen ziehen und das Anlegen einer Dialogführung beispielsweise,  das alles nicht eins zu eins. Vielmehr gelingt es dem Peruaner, die Techniken kreativ auf den magischen Realismus Lateinamerikas umzulegen.

Manche Kenner meinen, Mario Vargas Llosa schreibe als Journalist mindestens ebenso überzeugend wie als Romancier. Gleiches darf auch für Ernest Hemingway gelten. Guter Journalismus als Lehrklasse für gute Romane. So funktioniert das bei vielen.

Mario Vargas Llosa hat zwei, drei außergewöhnliche Romane veröffentlicht, La Casa verde und Conversación en La Catedral ganz voran, dazu unzählige herausragende Essays, jahrelang Kolumnen in Caretas und El País, der Mann, der heute in Madrid lebt, kann aus dem Stegreif eine brillante Rede halten. Vargas Llosa ist ein virtuoser Sprachtechniker, wie sich nur wenige in der modernen Weltliteratur finden lassen, er ist ein opulenter Imaginist – und ein hochsympathischer Bursche obendrein. 

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Heute pendelt Mario Vargas Llosa zwischen Lima und Madrid. Foto: Norbert Böer, 1986.

Im April 1985 hat Mario Vargas Llosa den Ritz-Paris Hemingway Award erhalten. Lange vor dem Nobelpreis, der erst im Jahr 2010 kommen sollte oder dem spanischen Cervantes Preis von 1994, vornehmlich für sein episches Werk La guerra del fin del mundo, das er 1981 veröffentlichte und das auf Deutsch Der Krieg am Ende der Welt heißt.

Vargas Llosa jedenfalls war der erste Empfänger dieses Preis, der an Papa Hemingway, Paris und das Ritz erinnern soll. Diese Preisausschreibung hätte Hemingway gefallen, der Platz an der Bar des Ritz war einer seiner Lieblingsplätze weltweit. Das Ritz ist ein großartiges Hotel, Ernest liebt die Bar dort über alles, in den späten 1920ern hat er sie entdeckt, zusammen mit Fitz, mit F. Scott Fitzgerald.

Wenn ich von einem Leben im Himmel träume nach dem Tod, dann spielt sich das immer im Pariser Ritz ab. Ich sehe dann eine wunderbare Sommernacht, ich trinke ein paar Martinis an der Bar an der Rue Cambon, dann ein wunderbares Dinner im Le Petit Jardin unter dem blühenden Kastanienbaum. Nach dem einen oder anderen Brandy gehe ich dann hoch auf mein Zimmer und schmeiße mich in eines von diesen riesigen Betten des Ritz.

Nach Herz und Habitus gilt Mario Vargas Llosa als Vertreter eines aufgeklärten, liberalen Bürgertums in Südamerika, er ist ein glühender Anhänger von Karl Popper. Ich bin gegen Heilslehren von links wie rechts. Ich glaube nicht an die absolute Lösung, sondern nur an relative.  Da fährt er auf einer Linie mit Papa Hemingway, auch wenn dieser seiner Skepsis gegenüber den Heilslehren mehr aus dem Bauch heraus formulierte. Gefreut hätte sich der bärtige Amerikaner über seinen peruanischen Preisträger im Pariser Ritz allemal.

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Eine Heimstätte für die geschundene Seele

Büste von Robert Berks auf dem ‚Hemingway Memorial‘ bei Ketchum;
Photo by W. Stock, 2018

In seinem einsamen Landhaus in den entlegenen Bergen Idahos, weit weg von den vorlaut plappernden Städten und der neumodischen Welt des Wirtschaftswunders, sucht Ernest Hemingway eine Versöhnung mit sich und der Natur. Der Umzug nach Ketchum in das Anwesen am East Canyon Run Boulevard im Jahr 1959 gleicht einem Rückzug in ein Reservat seiner überkommenen Werte- und Lebensvorstellungen.

Auf Kuba tobt die Revolution gegen das Althergebrachte und die Willkür des Gestrigen. Und auch in seinem Heimatland probt die Jugend den Aufstand. Nun hört die kulturelle Avantgarde auf die hektischen Bebop-Rhythmen eines Charlie Parker, die aufmüpfige Jugend hat sich endgültig den Rock ‚n‘ Roll zu eigen gemacht, das Publikum hat sich an den dahinbrummenden Swingmelodien eines Benny Goodman einfach satt gehört.

Die Welt da draußen fliegt ihm mit einem Mal um die Ohren, seine Rolle als forscher Dompteur der Gegenwart ist mit einem Mal abgenutzt. Es scheint als sei man dabei, die Gewissheiten und die Wahrheiten von gestern auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Seine Denkart und der Lebensstil, aber auch der Tonfall seines Schreibens scheinen auf irgendeine Art und Weise von gestern.

Beim Schreiben spürt er eine ständige Verkrampfung, die er von früher her so nicht kannte. Er merkt, dass seine Art zu schreiben irgendwie von der Wirklichkeit überholt wird. In den Jahren des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Krieg hat die eisige Lakonik seiner Prosa viel an Glanz verloren. Ernest Hemingway merkt, dass alles schwieriger wird. Er sitzt stundenlang am Schreibtisch, grübelt immer länger über den Sätzen, er streicht die Wörter, ersetzt sie durch andere, und ist immer noch nicht zufrieden.

Ernest Hemingway kann die Spannung im Text nicht erzwingen, die Handlung plätschert nur so dahin, die Dialoge empfindet er oft als unecht und fad. Im günstigsten Fall reicht es für den Aufguss seiner Prosa, manchmal klingen seine Texte wie die eigene Parodie. Das moderne Publikum verlangt in diesen beginnenden wilden 1960er Jahren nicht nur nach innovativen Erzählstilen und nach einer komplexeren Sprache, sondern vor allem auch nach zeitgemäßen Themen. Ob er da mit einem Buch über den Stierkampf die Leser mitreißen kann?

Der alt gewordene Schriftsteller, der seit einem halben Jahrzehnt kein Buch mehr veröffentlicht hat und der nicht mehr schreiben kann, zieht sich verunsichert zurück in sein Ketchumer Schneckenhaus, er kapselt sich ab und igelt sich ein, um seinem maladen Selbstwertgefühl etwas Linderung zu verschaffen. Er braucht Ruhe, um überhaupt schreiben zu können. Das Umherziehen in der weiten Welt soll abgelöst werden, indem er seine innere Mitte findet.

Ernest Hemingway hat Orte und Landstriche besucht, die durch ihn

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Ernest Hemingways letztes Haus

Das Haus der Hemingways in Ketchum, Idaho;
Photo by W. Stock, 2018.

Das abgeschiedene Landhaus ist im Nordwesten außerhalb der Stadt in einen grünen Hügel eingebettet. Die Straße besitzt keinen Namen, es ist die Verlängerung des East Canyon Run Boulevards, früher standen hier keine Gebäude, heute heißt der feine Stadtteil Warm Springs Neighborhood. Unter einem Holztorbogen, wie auf einer Ranch im ländlichen Amerika üblich, steht dann irgendwann Private Road auf einem abschreckenden Schild.

Man muss einen unbefestigten Weg steil hinauffahren bis man dann auf die Anhöhe zum ersten Haus auf dem Schotterweg kommt. Man kann das Auto im Vorhof parken und über den Hintereingang in das Hemingway House eintreten. Der Haustürschlüssel liegt bei Jenny, der Direktorin der Ketchum Community Library. Und die rückt ihn im Normalfall nicht heraus.

Das große Haus, von weitem sieht es wie aus Holz gebaut aus, ist aus massivem holzfarbenen Zement. Alles scheint hochwertig und doch kein Protz, das Anwesen ist zweckmässig und harmonisch in die raue Natur eingepasst. Der Baustil gleicht dem der Sun Valley Lodge, möglicherweise wurde es vom selben Architekten konzipiert mit dem gleichen Baumaterial.

Das Haus selbst besteht aus drei Ebenen, der Wohnebene von vielleicht 80 Quadratmetern, darüber das Obergeschoss in gleicher Höhe und einem Basement von etwa 60 Quadratmetern. Das Grundstück geht bis weit hinunter zum Big Wood River, insgesamt über drei Hektar Land, eine Meile Flussbreite gehört zum Grundstück, einem der größten in ganz Ketchum.

Das Untergeschoss, das innenläufig über eine schmale Treppe mit der Diele im Wohngeschoss verbunden ist, diente 

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Ernest Hemingway liebt das Sun Valley

Zum Jagen und Fischen durch die gewaltigen Berge und entlang den klaren Bächen der Rocky Mountains. Das ‚Hemingway Memorial‘ oberhalb von Ketchum;
Photo by W. Stock, 2018

Das erste Mal besucht der Schriftsteller das Sun Valley Ende der 1930er Jahre, auf Einladung von Averell Harriman, einem Politiker und Präsidenten der Union Pacific Railroad. Harrimans schlauer PR-Manager erfindet den Begriff Sun Valley als Klammer für die kleinen Orte im Tal, die bis dahin mehr recht als schlecht von der Ausbeutung der Silberminen gelebt haben. Sun Valley, diese Charakterisierung ist nicht unzutreffend, denn die Sonne scheint intensiv in Ketchum und in den Nachbarorten, kräftiger Sonnenschein in einer frischen Bergluft ohne Schwüle, ein feiner Platz für angenehmen Touristen, sommers wie winters.

Damals werden zahlreiche illustre Persönlichkeiten in die entlegene Region eingeladen, in der Absicht, sich über Prominenz wie Lucille Ball, Jane Russell oder Clark Gable landesweit ins Gespräch zu bringen. Über die Jahre entwickelt sich das Sun Valley zu einem Anziehungspunkt für kaufkräftige amerikanische Touristen. Das Wood River Valley, so heißt das Tal außerhalb der PR-Sprache, hat es auch Ernest Hemingway rasch angetan.

Das Sonnental ist sein Revier. Der Autor mag in Idaho auf die Jagd nach Wildvögeln gehen, nach Enten, Tauben oder Fasanen, im Sun Valley Gun Club kann er Tontauben schießen, er spielt mit seinem Freund Gary Cooper Tennis, in den klaren Bächen um Ketchum kann er ausgiebig Angeln und Fischen.

Als Ernest Hemingway nach dem Spanischen Bürgerkrieg das erste Mal

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