Über den Abspann des Hollywood-Films Der alte Mann und das Meer ärgert sich Ernest Hemingway ungemein.

Seine Erzählungen sind schwierig zu verfilmen. Die Hollywood-Leute kommen zu mir und wollen einen meiner Romane verfilmen. Dabei eignet sich keines meiner Werke für die Leinwand, hat Ernest Hemingway mehr als einmal kundgetan. Wenn er nach Los Angeles fliege, so sagt er, dann fahre er immer in Windeseile an Hollywood vorbei. Mit der einen Hand schmeiße er das Manuskript über den Zaun, mit der anderen fange er den Zaster auf.

Nach der landesweiten Premiere besucht der Nobelpreisträger in New York mit Aaron Edward Hotchner eine Aufführung von Der alte Mann und das Meer. Nach 12 oder 13 Minuten dann das Déjà-vu: Ernest Hemingway wendet sich an Hotch und bemerkt kurz Ready to go?. Und die beiden verlassen ernüchtert das Kino. Weißt Du, vertraut Ernest seinem Freund verärgert an, da schreibt man ein Buch, dass man über alle Jahre hinweg liebt, und dann muss man so etwas erleben – das ist so, als würde man seinem Vater ins Bier pissen.

Doch bei Der alte Mann und das Meer treiben es die Hollywood-Macher krass. Obwohl der Trailer darauf hinweist, dass dieser Film neben Kuba auch in Peru gedreht worden ist, wartet noch eine unangenehme Überraschung auf den Schriftsteller. Ganz grauenvoll kommt es für den Nobelpreisträger, als er sieht, dass in den Spielfilm alte dokumentarische Kurzsequenzen von der Marlin-Jagd des Alfred C. Glassell einmontiert worden sind. Und es trifft Ernest Hemingway wie ein Schlag mit dem Hammer, als er den Abspann des Films zu Gesicht bekommt.

This picture was directed by John Sturges. Der Regisseur dieses Filmes heißt John Sturges. So weit, so gut. Doch dann kommt der Knall: Some of the marlin film used in this picture was of the world’s record catch by Alfred C. Glassell Jr. at the Cabo Blanco Fishing Club in Peru. Mr. Glassell acted as special advisor for these sequences. Träumt er? Glassells Rekordfang ist in den Film eingebaut, nicht jedoch die Aufnahmen von Hemingways Team in Cabo Blanco?

Wo nur ist das stundenlange Material der Second Unit geblieben, dass man in Nordperu auf dem Pazifik so mühevoll gedreht hat? Nicht eine Sekunde seiner Arbeit in Cabo Blanco hat man in die endgültige Filmfassung einfließen lassen. Nichts, aber auch rein gar nichts, haben die Hollywood-Techniker am Schnittpult in den Film eingebaut. Obwohl es großartige Filmaufnahmen von seinem Team gibt, weitaus besser als jenes, das er in dem fertigen Film gesehen hat.

Und die allergrößte Frechheit: Alfred Glassell als Special Advisor. Als Fachberater. Dieser Alfred junior, der sich in seinen Film geschlichen hat wie ein Dieb in der Nacht, hat in seinem Werk nichts verloren. Ernest Hemingway ringt um Fassung. Er, der Nobelpreisträger und Liebling der Massen, ist der Erschaffer dieses Werkes, kein Glassell. Er, und nur er, darf über die Angelszenen bestimmen.

Es ist Ernest Hemingway, der als Supervisor über die Sequenzen mit dem Marlin wachen durfte, so war es mit Warner Bros. verabredet. Er besitzt die Vereinbarung schwarz auf weiß. Diesem Alfred Glassell junior ist Ernest Hemingway nie über den Weg gelaufen, weder in den USA, noch in Cabo Blanco oder sonst wo.

Schon im Cabo Blanco Fishing Club und auf der Miss Texas hat er sich mächtig geärgert über diesen aufgeblasenen Texaner, von dem die Einheimischen in bunten Farben erzählt haben. Und nun diese Schmach. Keine einzige seiner Marlin-Szenen ist in dem Film zu sehen. Nur jene von Glassell. Der Schriftsteller läuft ein jedes Mal glutrot an, wenn er an diese Herabwürdigung erinnert wird. Mit Hollywood ist er nun endgültig durch.

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