Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Hemingway – über ihn Seite 7 von 10

Barfuß – die kleine Freiheit des Ernest Hemingway

Am liebsten barfuß: Ernest Hemingway an Bord der Miss Texas, Cabo Blanco, im Mai 1956. Photo by Modeste von Unruh. Collection WJS.

Auf seinen Ausfahrten in Cojímar oder Cabo Blanco zieht der prominente Schriftsteller stets legere Kleidung an. Oft trägt er eine helle Safari-Jacke aus Baumwolle, die ein Stoffgürtel über dem sichtbaren Bauchansatz zusammen hält. Dazu eine bis zu den Oberschenkel reichende Khaki-Hose und Halbschuhe aus leichtem Leder. An Bord jedoch zieht er die Oberteile meist aus und lässt Sonne und Wind seinen Oberkörper umschmeicheln. Zusätzlich läuft Ernest Hemingway an Bord am liebsten barfuß herum.

Nicht nur auf seinem Boot, sondern auch auf seiner Farm Finca Vigía im Süden von Havanna zieht der US-Amerikaner es vor, ohne Schuhe zu laufen. Im vierten Stock eines neben das Haupthaus angebauten Turms hat der Nobelpreisträger sich ein Schreibstudio einrichten lassen, von dort hat er einen wunderbaren Blick bis nach Havanna und auf den Golfstrom. Beim Schreiben steht er barfuß vor einem Pult auf dem abgeschabten Fell einer von ihm erlegten Kudu-Antilope. Der gefeierte Autor hat das Gefühl, kreativer zu sein, wenn er barfüßig schreibt.

Auf seinem gesamten Anwesen läuft der Schriftsteller gerne mit nackten Füßen umher, wie ein buddhistischer Mönch, nichts stört zwischen ihm und der Erde. Instinkt und Intuition des Menschen, von Natur angetragen, wird abermals freigelegt und nicht künstlich isoliert. Fest mit blanken Füssen auf dem Boden stehend, lebt Ernest Hemingway das Leben, welches man in jenen Jahren als das eines Beachcombers bezeichnet hat. Ein neugieriger Mensch am Meer, der die Natur und das Leben ohne jeden überflüssigen zivilisatorischen Schnickschnack zu genießen weiß.

Meist trifft man auf Finca Vigía einen genügsamen Ernest Hemingway an, einen stinknormalen Kerl in Shorts und ohne steifen Kragen, einen Burschen, der halbnackt und barfuß herum läuft und die sonnige Natur an sich heran lässt. Der Kleidungsstil des Mannes aus Chicago steht in den Tropen für Entspannung und Befreiung vom großstädtischen Alltagstrott. Wenn Ernest Hemingway eine lange Hose anzieht, dann weiß man, er hat einen Termin in Havanna.

Anfang der 1980er Jahre habe ich in Acapulco mehrfach den nach Mexiko emigrierten Schweizer Teddy Stauffer getroffen. Teddy ist während der Weimarer Republik mit seinen Original Teddies in Deutschland der populärste Swing-Musiker gewesen, bis es die braune Herrschaft nicht mehr zuließ. In Acapulco am Pazifik hat dieser gut aussehende Playboy und Hotelbesitzer dann ohne großen Ballast das sonnige Leben genießen dürfen. Einmal habe ich ihn gefragt, ob er kein Heimweh nach dem beschaulichen Bern habe. Wissen Sie, hat er geantwortet, ich laufe hier in Acapulco immer barfuß herum und glaube, ich kann mich an festes Schuhwerk nicht mehr gewöhnen. 

Vor allem an den Füßen merkt der Mensch, ob er das Gefühl für den eigenen Körper verloren hat. Barfuß in den Tropen spürt man wieder das eigene Ich und eine neue, wilde Lust aufs Leben. Die Gluthitze des Tages öffnet

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Cristen Hemingway auf den Spuren des Urgroßvaters

Ernest Hemingway ist nicht nur Journalist, Buchautor und Nobelpreisträger gewesen, sondern zuallererst ein schaulustiger Weltenbummler. Und ohne diesen weiten Horizont ist seine Person und auch sein Werk nicht zu verstehen. Der Mann aus Oak Park, Chicago, findet Freude und Freunde an fremden Orten und Plätzen. Und er entdeckt dort auch seine Themen.

Dieser amerikanische Schriftsteller besitzt die seltene Gabe, die Seele von fremden Ländern und Städten zu ergründen. Und nur so ist die Verehrung zu verstehen, die ihm noch heute beispielsweise in Pamplona, in Paris oder auf Kuba zuteil kommt.

Cristen Hemingway Jaynes ist die Tochter von Lorian Hemingway, die wiederum die Tochter von Gregory Hemingway, dem jüngsten Sohn von Ernest Hemingway, ist. Und Cristen Hemingway geht nun mit ihrem Buch Ernest’s Way auf die weltweite Spurensuche nach der Seele jener Städte, die den Urgroßvater so beeindruckt und geprägt haben.

Cristen Hemingway Jaynes arbeitet als Magazin-Redakteurin und Schriftstellerin. Der familiäre Stempel sitzt: Sie vermag genau zu beobachten, das hat sie mit dem Uropa gemein, und sie kann wunderbar schreiben. Sie ist Autorin der Sammlung von neun Kurzgeschichten The Smallest of Entryways und man kann ihrem Werdegang auf wwww.cristenhemingway.com folgen.

Die junge Autorin besitzt einen wachen Blick, ein offenes Denken und eine einfühlsame Stilistik. Mit jedem Schritt in die Welt des Uropas Ernest Hemingway bewegt sie sich auch einen Schritt in die eigene Geschichte, das spürt man besonders bei den zahlreichen persönlichen Anmerkungen. Cristen fährt nach Paris, nach Italien, nach Key West, nach Kuba, London oder nach Madrid. Und schließlich zu seinem letzten Ort nach Ketchum in Idaho.

Der Urgroßvater ist in all den Städten und Regionen nicht nur Besucher gewesen, sondern er springt stets rein in die Fremde. Er lebt an diesen fremden Orten als seien sie sein Zuhause. Er kämpft, er liebt, er trinkt, er angelt, er rennt mit den Bullen und – natürlich – er schreibt dort. Cristen besucht die La Closerie des Lilas in Paris oder das Sobrino de Botín in Madrid und lässt sich von der Atmosphäre einfangen.

Und wenn man lange genug an jenem Stammplatz sitzt, wo auch er vor Jahrzehnten gesessen hat, und wenn man über ein wenig Imagination und Gespür verfügt, dann kommt man auch dem Werk und vor allem dem Menschen näher. Als Resultat steht eine wunderbare Mischung aus

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Ist Ernest Hemingway reich gewesen?

Die Bankmanager bei der First National Bank of Boston haben eine Menge Spass an Ernest Hemingway.

Er entstammt aus dem gut situierten Mittelstand Chicagos. Der Vater ist ein angesehener Frauenarzt gewesen, die Mutter Opernsängerin. Die Familie besitzt ein dreistöckiges viktorianisches Herrschaftshaus aus dem 19. Jahrhundert an der North Oak Park Avenue, mit sechs Schlafzimmern, Turmzimmern und einer Bibliothek. Materiell fehlt es den Hemingways an nichts.

Doch Ernest will von den Eltern unabhängig sein. Mit 22 Jahren geht er im Dezember 1921 für sechs Jahre nach Paris, mit einem kleinen Vertrag als freier Europa-Korrespondent des Toronto Star. Das junge Ehepaar bewohnt eine muffige Wohnung im Quartier Latin, in der Rue du Cardinal Lemoine, Latrine im Treppenhaus. Ernests Ehefrau Hadley bringt eine kleine Erbschaft ein, man kommt im mondänen Paris gerade so über die Runden.

Im Februar 1926 unterzeichnet Ernest Hemingway einen lukrativen Vertrag bei Scribner’s and Sons, einem der besten Buchverlage weltweit, für die beiden Werke Torrents of Spring und The Sun Also Rises. Ernest wähnt sich am Ziel seiner Träume, mit dem vereinbarten Honorar rücken die Geldsorgen weit nach hinten. Zusammen mit seiner zweiten Ehefrau, der vermögenden Pauline Pfeiffer, bewohnt er eine imposante Immobilie im Kolonialstil mit Swimmingpool und allem Schnickschnack in Key West.

Von jungen Jahren an ist Ernest Hemingway ein gut bezahlter Journalist und einer der bestbezahlten Schriftsteller überhaupt. Ein glücklicher Umstand lässt sein Vermögen rapide anwachsen, er braucht nichts zu tun: Viele seiner Romane werden groß von Hollywood verfilmt. Windfall Profits, würde ein Volkswirt sagen, mit den Filmrechten verdient er in manchen Jahren mehr als mit dem Schreiben.

Mit seiner dritten und vierten Ehefrau – nacheinander – wohnt Ernest Hemingway in den 1940er und 1950er Jahren am Stadtrand von Havanna, auf einem Landgut mit Namen Finca Vigía. Allein der Unterhalt des riesigen Anwesens kostet 4.000 Dollar im Monat, ein Vermögen in der damaligen Zeit. Das Dutzend Bedienstete will bezahlt werden, man pflegt einen bodenständigen, aber doch kostspieligen Lebensstil.

Der Nobelpreis im Jahr 1954 ist mit einem Scheck über 36.000 Dollar verbunden. Viel bleibt nicht davon über. Denn Ernest Hemingway ist ein großzügiger Charakter. Von dem Preisgeld schenkt er René Villarreal, dem jungen Majordomus der Finca, und den anderen Bediensteten eine Gratifikation von je zehn Monatsgehältern. Und Miss Mary stellt er einen Bankscheck der First National über 2.000 Dollar aus.

Es gibt nicht wenige klamme Kollegen, denen Ernest Hemingway generös unter die Arme gegriffen hat, ohne dies an die große Glocke zu hängen. Durch die Buchtantiemen in den USA, durch die Auslandsrechte und die Verfilmungen kommt genug herein, dass sich Ernest material keine Gedanken machen muss. Soweit man weiß, legt er sein Geld auf der Bank konventionell an, keine Aktien oder Anleihen, sein Reichtum wächst auch so. 

Als Ernest Hemingway aus eigenem Entschluss im Juli 1961 aus dem Leben scheidet, soll er ein Vermögen zwischen 6 und 8 Millionen Dollar hinterlassen haben. Will man eine solche Millionensumme in heutiger Kaufkraft darstellen, so muss man

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Hanns-Josef Ortheil: Der von den Löwen träumte

Hanns-Josef Ortheil: Der von den Löwen träumte.
Lucherhand, 2019

Auf die Neuerscheinung eines deutsche Autors gilt es aufmerksam zu machen. Hanns-Josef Ortheil schildert in seiner Erzählung den Besuch Ernest Hemingways in Venedig im Jahr 1948. Der berühmte Schriftsteller befindet sich in einer Schaffenskrise, er hat seit langem nichts mehr veröffentlicht.

Schwermut überfällt ihn und die Zweifel nagen, ob er überhaupt ein großer Autor ist. Können die Traumstadt Venedig und eine schöne Venezianerin dem Amerikaner aus der Krise helfen?

Hanns-Josef Ortheil, ein Kölsche Jung und Literatur-Professor, verwebt im Wesentlichen drei Handlungsstränge: der Besuch des prominenten Autors in Italien, die reale Liebelei mit der blutjungen Aristokratentochter Adriana Ivancich und die fiktionale Entstehungsgeschichte von Der alte Mann und das Meer mit dem Fischerjungen Paolo. Ortheil ist ein ganz famoser Schreiber, mit Gespür für Rhythmus und Tempo, Langatmigkeit kann da keine aufkommen. 

Der Buchtitel ist wunderbar gewählt und widersteht der Verlockung mit beispielsweise Hemingway in Venedig stärkere Verkaufsimpulse zu setzen. Denn es geht in erster Linie um Ernest Hemingway, um jenen Der von den Löwen träumte. Der Satz spielt an auf eine Sequenz in der Der alte Mann und das Meer, man kann die Metapher über sein ganzes Leben legen. Er selbst wollte immer so stark sein wie ein Löwe, der Löwe als das Symbol für Kraft und Jugend, ja in letzter Konsequenz, er wollte unsterblich sein. 

Ortheils Roman ist kenntnisreich und erfrischend lebendig geschrieben, ganz ohne Phrasen aus dem Poeten-Stübchen. Diese Nähe lässt sich nur erreichen, wenn der Autor die Wege des Ernest Hemingway in Venedig quasi nachgegangen ist. Dies hat Hanns-Josef Ortheil mit Sicherheit getan, sonst könnte man nicht so anschaulich über das Gritti, über Torcello und die versteckten caffetterias dieser Stadt schreiben.

Vielleser des Ernest Hemingway werden den feinen Humor bemerken, mit dem sich der Kölner dem Mann aus Oak Park nähert. Dabei skizziert er den Menschen Hemingway überaus sympathisch und liebevoll. Nicht über die sattsam bekannten Klischees des Säufers, Weiberhelden oder des Raubeins, vielmehr porträtiert Ortheil ihn – zurecht – als

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Ernest Hemingway erhält den Nobelpreis für Literatur

Per Telegramm erfährt Ernest Hemingway am 28. Oktober 1954 auf seiner kubanischen Farm von der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an ihn. Credit Line: Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba

Am späten Vormittag des 28. Oktober 1954 trudelt auf Finca Vigía nahe von Havanna ein Telegramm aus Stockholm ein. Nachdem er die Nachricht gelesen hat, stampft Ernest Hemingway in Marys Schlafzimmer, wo seine Ehefrau noch schläft, der Abend ist lang geworden. Mein Kätzchen, mein Kätzchen, ruft der bärtige Schriftsteller aufgeregt, ich habe das Ding bekommen. Mary reibt sich den Schlaf aus den Augen. Du weißt doch, das schwedische Ding. Mary springt aus ihrem Bett, umarmt ihren Ehemann.

Unter dem Amtszeichen Telégrafo del Estado steht auf dem erdfarbenen Papier des Telegramms mit Datum Octubre 28 de 1954, 11:00 a.m. folgender Wortlaut des Generalsekretärs der schwedischen Wissenschaftsakademie Dr. Anders Österling: At its session today the Swedish Academy decided to award you the 1954 Nobel Prize for literature and I would accordingly request you to notify me if you accept the award. Er möge doch bitte kurz Bescheid geben, ob er die Auszeichnung annehme.

Der Nobelpreis für Literatur. Gibt es auf der Welt eine Trophäe, die dem Leben eines Schriftstellers größeren Glanz verleiht? Er sei ein Wegbereiter, so die Laudatio, er habe eine neue Erzähltechnik entwickelt. Für seine kraftvolle und stilbildende Beherrschung der modernen Erzählkunst, wie zuletzt in ‚Der alte Mann und das Meer‘, schreibt die schwedische Akademie später in der Begründung. 

Schon sein erstes richtiges Buch The Sun Also Rises schlägt im Jahr 1926 ein mit einem Donnerhall. Der frische Stil der Erzählung wird bejubelt, sachlich, lakonisch, durch persönliches Erleben des Autors verbrieft, ein bärenstarker Abenteurer tritt auf, der mit der scheinheiligen Ehrpusseligkeit der ergrauten Vätergeneration bricht. Eigentlich verharrt die angelsächsische Literatur jener Jahre auf Charles Dickens-Niveau, man hegt weiterhin diesen blumigen viktorianischen Schreibstil mit seinen weitschweifigen Verzierungen der Prosa. Sicherlich alles gut gemeint, jedoch erschreckend harmlos und vorgestrig.

Von den Lesern wird Ernest Hemingway mit seinen lebensnahen Themen und dem zeitgemäßen Schreibstil wie eine Lichtgestalt empfangen. Endlich einer, der die ermüdenden Luftblasen des Althergebrachten mit einem Knall zum Platzen bringt. Der Mann aus Chicago wird vor allem deshalb verehrt und geliebt, weil dieser Schriftsteller mit

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Hemingway was the greatest man the world has ever known

Hemingway was the greatest man
The world has ever known.
He wrote he fought he drank a lot
And called Cuba his home!
Hemingway once caught a fish
Except it was a Great White
Then he beat that shark in a game of cards
And fucked the shark all night.

Hemingway liberated Paris
It’s a trophy on his shelf. 
He pushed a tank into a lake
And punched

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‚Hemingway desconocido‘, der unbekannte Hemingway

Hemingway desconocido, der unbekannte Hemingway, so lautet der Titel einer peruanischen Neuerscheinung über den US-amerikanischen Nobelpreisträger. Cuatro crónicas secretas sobre el escritor en el Perú y el mundo. Vier geheime Berichte über den Schriftsteller in Peru und in der Welt, so heißt es etwas reißerisch im Untertitel.

Geschrieben hat dieses spanischsprachige Buch der Journalist Omar Zevallos, ein Buchautor und Karikaturist aus dem südperuanischen Arequipa, ein Mann vom Jahrgang 1958. Und Omar ist natürlich ein eingefleischter Aficionado des Ernesto Hemingway, man merkt es dem Werk an, das Herzblut steckt zwischen den Seiten. 

Der Nobelpreisträger besuchte im April und Mai 1956 das peruanische Fischerdorf Cabo Blanco und in der Tat gibt es über diese fünfwöchige Episode in Hemingways Biografie vergleichsweise wenig Informationen. Mario Saavedra, der Reporter vom feinen El Comercio, hat im Jahr 2005 ein großformatiges Büchlein herausgebracht, mit wunderbaren Fotos, denn Mario war Zeuge mit Ohr und Auge in Cabo Blanco. Ansonsten wird man nicht viel Gescheites finden.

Nun merkt man dem Buch von Omar Zevallos die große Fleißarbeit an, denn er hat über

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Waldo Peirce, Ernest Hemingways Lieblingsmaler

Ernest Hemingway im Jahr 1953 auf Finca Vigía, vor einem Portrait, das Waldo Peirce von ihm gemalt hat. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Ernest Hemingway mag die moderne Malerei. Aus seiner Pariser Zeit kennt er Pablo Picasso und andere Maler der Avantgarde. Wenn er in den jungen Jahren irgendwie Geld erübrigen kann, er steckt es in den Kauf von Bildern. Im Schlafzimmer der Finca Vigía über seinem Bett hängt El guitarrista von Juan Gris, im Wohnzimmer und in Marys Schlafzimmer finden sich ein Paul  Klee, ein Georges Braque und Joan Mirós Der Bauernhof kann im Esszimmer bestaunt werden.

Und dann prangt auf der Finca Vigía noch ein Portrait, im Jahr 1929 gemalt von seinem Freund Waldo Peirce, das den dreißigjährigen Ernest darstellt. Kid Balzac hat Peirce das Gemälde genannt, in Anlehnung an den von Hemingway verehrten französischen Autoren Honoré de Balzac. Die Ähnlichkeit mit dem Romantiker aus dem 19. Jahrhundert ist verblüffend, obgleich ein leicht ironischer Seitenhieb dazukommt, denn im Vergleich zum kugelrunden Balzac erscheint Hemingway im Pinselstrich von Peirce als ziemlich abgespeckte Variante. 

Waldo Peirce, ein Falstaff mit Rauschebart, wird schnell ein enger Kumpel des Schriftstellers. Der Mann aus Bangor in Maine, ein kräftiges Mannsbild  vom Jahrgang 1884, besucht Ernest oft in Key West. Dann fahren sie gemeinsam fischen oder hinaus auf die Marquesas Keys, auf eine kleine unbewohnte Inselgruppe, die westlich der Keys liegt, und die beiden Freunde machen all den Blödsinn, den Männer halt machen, wenn sie unter sich sind. 

Viermal heiratet Waldo Peirce und bekommt fünf Kinder. In die Kinder ist er vernarrt, er tollt mit ihnen herum und macht jeden infantilen Klamauk mit. Die Kinder haben auch eine Krankenschwester und eine Haushälterin, beobachtet Ernest Hemingway bei einem Besuch, aber Waldo ist nur wirklich glücklich, wenn er malt und ein Kind versucht, seinen dicken Bart anzuzünden und ein anderes Kind Kartoffelpüree auf seine Leinwand klatscht. So geht Vaterliebe!

Waldo Peirce begleitet den Freund von frühen Jahren hin bis zu seinem Ende. Am 2. Juli 1961, am Tag seiner Selbsttötung, schlurft Ernest Hemingway im

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Ernest Hemingway sitzt zwischen allen Stühlen

Ernest Hemingway – Painting by Raúl Villarreal, Gainesville

Viel Feind, viel Ehr. Ernest Hemingway bekommt von vielen Seiten Prügel. Von den Frauen, den Männern, den Alten und den Jungen. Von links, von rechts, von oben, von der Seite. Die Aversion gegen diesen Mann ist bei vielen mit den Händen zu greifen.

Bei subjektiver Betrachtung gibt es eine Menge Gründe, Ernest Hemingway nicht zu mögen: Die Schulmeister rümpfen die Nase, weil er nicht so soigniert schreiben kann wie ein Thomas Mann oder Franz Kafka. Die 68er-Revoluzzer verachten ihn, weil er ein Bourgeois ist und auch so auftritt. Die orthodoxe Linke lehnt ihn ab, weil er nicht sozial engagiert schreibt. Die Grüne Bewegung mag ihn, den Großwildjäger, schon mal gar nicht. Für die Pazifisten ist er zu bellizistisch und für die Kriegstreiber zu romantisch.

Die Feministinnen können mit so einem Muster-Macho wie Hemingway nun überhaupt nichts anfangen, allenfalls als abschreckendes Beispiel. Die Politisch Korrekten bekämpfen ihn, weil er Klartext redet. Für die America First-Amerikaner kommt er zu weltoffen daher, für die Benachteiligten der Dritten Welt ist er zu amerikanisch. Für die Armen zu reich und für die Reichen zu proletenhaft.

So sitzt der arme Ernest Hemingway zwischen allen Stühlen. Eigentlich dürfte er gar keine Leser haben, weil er es sich mit allen verscherzt. Und irgendwie haben sie ja recht. Das Geschwurbel der Klassiker liegt dem Mann aus Chicago nicht. Ein Linker, wie viele der Kollegen, ist er auch nicht. Als sanftes Lamm gegenüber den Frauen ist dieser Pascha wenig aufgefallen und politically correct verhält sich dieser Hitzkopf noch nicht einmal im Schlaf.

Und deshalb erhält Ernest Hemingway von allen Seiten Dresche. Aber Obacht. Wer

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Manuel Jesús Orbegozo himmelt Ernest Hemingway an

Manuel Jesús Orbegozo, der Reporter aus Lima, empfängt Ernest Hemingway auf dem Flughafen von Talara.
Talara/Peru, am 16. April 1956. Foto: Guillermo Alias

Unter den Journalisten, die Ernest Hemingway am Flughafen von Talara erwarten, befindet sich auch Manuel Jesús Orbegozo. Der Reporter, der eigens aus Lima in den Norden Perus angereist ist, wirkt an diesem Montagmorgen reichlich aufgekratzt, einem Nobelpreisträger begegnet man nicht alle Tage. Doch Ernest Hemingway versteht sich auf Anhieb mit dem Mann von La Crónica. Der prominente Autor jedenfalls drückt den Journalisten an seine breite Brust, so als würde er ihn bereits ein halbes Leben kennen.

„Er hat ständig seine Hamsterbacken aufgeblasen und hat wieder und wieder gelächelt“, erinnert sich Manuel Jesús Orbegozo, der an diesem Morgen lautstark Ernest, Ernest gebrüllt hat, als der Schriftsteller dem Flugzeug aus Miami entstieg. Alle Umstehenden bemerken sogleich, welch geheimnisvolle Aura den bärtigen Amerikaner umgibt. „Alles um ihn herum war ein Lächeln.“

Manuel Jesús Orbegozo, ein durch seine breite schwarze Hornbrille jovial dreinschauender Peruaner aus Otuzco, der einen guten Kopf kleiner ist als Ernest Hemingway, ist nach der Umarmung durch Hemingway wie aufgedreht. Der Redakteur aus Lima, er ist mit einem luftig weißen Hemd gekleidet und trägt eine helle Kappe aus Baumwolle, zeigt sich beeindruckt von der Offenheit und der Umgänglichkeit des Nobelpreisträgers.

Mehr als von den Romanen schwärmt der 33-jährige Orbegozo vom journalistischen Stil Hemingways. Diese Kürze und Klarheit, und besonders die Genauigkeit in den Dialogen, das macht dem US-Amerikaner weit und breit so schnell keiner nach. Auch als Abenteurer schätzt Manuel Jesús Orbegozo den Schriftsteller. Er sei ein Mann von Welt halt, im besten Sinne des Wortes. Und dass der Amerikaner so ziemlich jedem Rock hinterherläuft, reicht ihm in diesen Breiten auch nicht gerade zum Nachteil.

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In der Zeitschrift ‚Cultura Peruana‘ Nr. 94 schreibt Manuel Jesús Orbegozo launig über seine Begegnung mit Ernest Hemingway.

Manuel Jesús Orbegozo kann sich nicht einkriegen vor Begeisterung. „Hemingway ist großartig“, wird er seinen Artikel in La Crónica beginnen, „ganz gegen alle Vorurteile. Er begegnete uns leutselig und ohnegleichen. Das lässt die Waage hin zur totalen Sympathie ausschlagen.“ Auch in der Zeitschrift Cultura Peruana wird Manuel Jesús Orbegozo einen launigen Artikel über seine Begegnung mit dem Nobelpreisträger veröffentlichen, ein wenig spöttisch geschrieben, in Wirklichkeit jedoch

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