Hanns-Josef Ortheil: Der von den Löwen träumte.
Lucherhand, 2019

Auf die Neuerscheinung eines deutsche Autors gilt es aufmerksam zu machen. Hanns-Josef Ortheil schildert in seiner Erzählung den Besuch Ernest Hemingways in Venedig im Jahr 1948. Der berühmte Schriftsteller befindet sich in einer Schaffenskrise, er hat seit langem nichts mehr veröffentlicht.

Schwermut überfällt ihn und die Zweifel nagen, ob er überhaupt ein großer Autor ist. Können die Traumstadt Venedig und eine schöne Venezianerin dem Amerikaner aus der Krise helfen?

Hanns-Josef Ortheil, ein Kölsche Jung und Literatur-Professor, verwebt im Wesentlichen drei Handlungsstränge: der Besuch des prominenten Autors in Italien, die reale Liebelei mit der blutjungen Aristokratentochter Adriana Ivancich und die fiktionale Entstehungsgeschichte von Der alte Mann und das Meer mit dem Fischerjungen Paolo. Ortheil ist ein ganz famoser Schreiber, mit Gespür für Rhythmus und Tempo, Langatmigkeit kann da keine aufkommen. 

Der Buchtitel ist wunderbar gewählt und widersteht der Verlockung mit beispielsweise Hemingway in Venedig stärkere Verkaufsimpulse zu setzen. Denn es geht in erster Linie um Ernest Hemingway, um jenen Der von den Löwen träumte. Der Satz spielt an auf eine Sequenz in der Der alte Mann und das Meer, man kann die Metapher über sein ganzes Leben legen. Er selbst wollte immer so stark sein wie ein Löwe, der Löwe als das Symbol für Kraft und Jugend, ja in letzter Konsequenz, er wollte unsterblich sein. 

Ortheils Roman ist kenntnisreich und erfrischend lebendig geschrieben, ganz ohne Phrasen aus dem Poeten-Stübchen. Diese Nähe lässt sich nur erreichen, wenn der Autor die Wege des Ernest Hemingway in Venedig quasi nachgegangen ist. Dies hat Hanns-Josef Ortheil mit Sicherheit getan, sonst könnte man nicht so anschaulich über das Gritti, über Torcello und die versteckten caffetterias dieser Stadt schreiben.

Vielleser des Ernest Hemingway werden den feinen Humor bemerken, mit dem sich der Kölner dem Mann aus Oak Park nähert. Dabei skizziert er den Menschen Hemingway überaus sympathisch und liebevoll. Nicht über die sattsam bekannten Klischees des Säufers, Weiberhelden oder des Raubeins, vielmehr porträtiert Ortheil ihn – zurecht – als empfindsamen, neugierigen und offenen Zeitgenossen, der wunderbar mit Menschen umgehen kann.

Nicht der Kunst, sondern den Menschen solltest Du folgen, legt Hanns-Josef Ortheil seinem Hemingway in den Mund. In den Roman werden zahlreiche Hemingway-Zitate eingebaut, besonders die Schlusspointe sitzt. Das letzte Wort gehört selbstredend dem Meister und es zeigt, wie genial dieser Ernest Hemingway gewesen ist. 

Ortheil ist nicht nur ein uneitler und virtuoser Stilist, sondern überzeugt zudem als ein sehr genauer Beobachter. Ihm gelingt, Ernest Hemingway bildhaft zum Leben zu erwecken. Wie Hemingway hat der Kölner seine Erzählung über Venedig mit dem Auge geschrieben. Der Leser sieht diesen stattlichen Amerikaner wie in virtual reality über den Fischmarkt am Rialto stapfen und durch die verwinkelten Gassen streifen, so plastisch schildert Ortheil die Tage und Wochen des Schriftsteller in der Lagunenstadt. Ein solch farbenfrohes Buch schreit ganz schrecklich nach einer Verfilmung.

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