Ernest Hemingway – Painting by Raúl Villarreal, Gainesville

Viel Feind, viel Ehr. Ernest Hemingway bekommt von vielen Seiten Prügel. Von den Frauen, den Männern, den Alten und den Jungen. Von links, von rechts, von oben, von der Seite. Die Aversion gegen diesen Mann ist bei vielen mit den Händen zu greifen.

Bei subjektiver Betrachtung gibt es eine Menge Gründe, Ernest Hemingway nicht zu mögen: Die Schulmeister rümpfen die Nase, weil er nicht so soigniert schreiben kann wie ein Thomas Mann oder Franz Kafka. Die 68er-Revoluzzer verachten ihn, weil er ein Bourgeois ist und auch so auftritt. Die orthodoxe Linke lehnt ihn ab, weil er nicht sozial engagiert schreibt. Die Grüne Bewegung mag ihn, den Großwildjäger, schon mal gar nicht. Für die Pazifisten ist er zu bellizistisch und für die Kriegstreiber zu romantisch.

Die Feministinnen können mit so einem Muster-Macho wie Hemingway nun überhaupt nichts anfangen, allenfalls als abschreckendes Beispiel. Die Politisch Korrekten bekämpfen ihn, weil er Klartext redet. Für die America First-Amerikaner kommt er zu weltoffen daher, für die Benachteiligten der Dritten Welt ist er zu amerikanisch. Für die Armen zu reich und für die Reichen zu proletenhaft.

So sitzt der arme Ernest Hemingway zwischen allen Stühlen. Eigentlich dürfte er gar keine Leser haben, weil er es sich mit allen verscherzt. Und irgendwie haben sie ja recht. Das Geschwurbel der Klassiker liegt dem Mann aus Chicago nicht. Ein Linker, wie viele der Kollegen, ist er auch nicht. Als sanftes Lamm gegenüber den Frauen ist dieser Pascha wenig aufgefallen und politically correct verhält sich dieser Hitzkopf noch nicht einmal im Schlaf.

Und deshalb erhält Ernest Hemingway von allen Seiten Dresche. Aber Obacht. Wer zwischen allen Stühlen sitzt, der sitzt auch mittendrin. Dieser Ernest Hemingway findet sein Publikum, seine Romane werden gelesen und immer wieder gelesen, die Büchernarren auf allen Kontinenten lieben ihn, einerlei was der Mainstream meint, sagt oder schreibt.

Seine Leser sind froh, dass nach den beiden Weltkriegs-Katastrophen und all den Wirtschaftskrisen – und nach den ganz persönlichen Tiefschlägen eines Menschenlebens – endlich jemand da ist, der nicht lange drum herum redet, sondern sagt, was Sache ist: Dass das Leben verdammt schwierig ist, aber auch schön. Und dass der Mensch um sein kleines Glück kämpfen muss.

Darum geht es: nicht um links oder rechts, um maskulin oder feminin oder divers. Wenn Ernest Hemingway über Kampf und Krieg, über die Liebe und übers Saufen schreibt, dann dient ein solches Bühnenbild vielmehr als Initialzündung. Die Bombe platzt später, denn der Sinnesreiz springt weit über den Text hinaus. Es geht um die Selbstbehauptung des Menschen. Um Stolz und Selbstachtung. Um die Ich-Stärke in einer stürmischen Welt.

Um einen altmodischen Begriff zu verwenden: Würde. Es geht im innersten Kern um Würde. Genau darüber schreibt Ernest Hemingway. Nicht über irgendein modisches Pipapo, das so fix wechselt wie das Wetter im April. Ernest Hemingway geht es um die Würde und um die Einzigartigkeit des Menschen. Da kann uns der schwankende Zeitgeist von heute und gestern gestohlen bleiben.

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