Manuel Jesús Orbegozo, der Reporter aus Lima, empfängt Ernest Hemingway auf dem Flughafen von Talara.
Talara/Peru, am 16. April 1956. Foto: Guillermo Alias

Unter den Journalisten, die Ernest Hemingway am Flughafen von Talara erwarten, befindet sich auch Manuel Jesús Orbegozo. Der Reporter, der eigens aus Lima in den Norden Perus angereist ist, wirkt an diesem Montagmorgen reichlich aufgekratzt, einem Nobelpreisträger begegnet man nicht alle Tage. Doch Ernest Hemingway versteht sich auf Anhieb mit dem Mann von La Crónica. Der prominente Autor jedenfalls drückt den Journalisten an seine breite Brust, so als würde er ihn bereits ein halbes Leben kennen.

„Er hat ständig seine Hamsterbacken aufgeblasen und hat wieder und wieder gelächelt“, erinnert sich Manuel Jesús Orbegozo, der an diesem Morgen lautstark Ernest, Ernest gebrüllt hat, als der Schriftsteller dem Flugzeug aus Miami entstieg. Alle Umstehenden bemerken sogleich, welch geheimnisvolle Aura den bärtigen Amerikaner umgibt. „Alles um ihn herum war ein Lächeln.“

Manuel Jesús Orbegozo, ein durch seine breite schwarze Hornbrille jovial dreinschauender Peruaner aus Otuzco, der einen guten Kopf kleiner ist als Ernest Hemingway, ist nach der Umarmung durch Hemingway wie aufgedreht. Der Redakteur aus Lima, er ist mit einem luftig weißen Hemd gekleidet und trägt eine helle Kappe aus Baumwolle, zeigt sich beeindruckt von der Offenheit und der Umgänglichkeit des Nobelpreisträgers.

Mehr als von den Romanen schwärmt der 33-jährige Orbegozo vom journalistischen Stil Hemingways. Diese Kürze und Klarheit, und besonders die Genauigkeit in den Dialogen, das macht dem US-Amerikaner weit und breit so schnell keiner nach. Auch als Abenteurer schätzt Manuel Jesús Orbegozo den Schriftsteller. Er sei ein Mann von Welt halt, im besten Sinne des Wortes. Und dass der Amerikaner so ziemlich jedem Rock hinterherläuft, reicht ihm in diesen Breiten auch nicht gerade zum Nachteil.

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In der Zeitschrift ‚Cultura Peruana‘ Nr. 94 schreibt Manuel Jesús Orbegozo launig über seine Begegnung mit Ernest Hemingway.

Manuel Jesús Orbegozo kann sich nicht einkriegen vor Begeisterung. „Hemingway ist großartig“, wird er seinen Artikel in La Crónica beginnen, „ganz gegen alle Vorurteile. Er begegnete uns leutselig und ohnegleichen. Das lässt die Waage hin zur totalen Sympathie ausschlagen.“ Auch in der Zeitschrift Cultura Peruana wird Manuel Jesús Orbegozo einen launigen Artikel über seine Begegnung mit dem Nobelpreisträger veröffentlichen, ein wenig spöttisch geschrieben, in Wirklichkeit jedoch eine Liebeserklärung an den Autor.

Manuel Jesús Orbegozo, dessen Kürzel MJO unter seinen Artikeln in jenen Jahren als unverwechselbares Markenzeichen steht, wird nach den Hemingway-Tagen ein angesehener Auslandsreporter für seine Zeitung. Zur damaligen Zeit ist La Crónica ein eingängiges Erfolgsblatt, ein jugendlicher Mario Vargas Llosa hat dort im Jahr 1952 seine ersten journalistischen Gehversuche gestartet.

Später wechselt Manuel Jesús Orbegozo von La Crónica zur Tageszeitung Expreso und anschließend berichtet er über 30 Jahre als Chefreporter bei El Comercio von den Brennpunkten der Welt, von Biafra bis Vietnam. Zum Ausklang seiner Berufslaufbahn lehrt Orbegozo dann als Publizistik-Professor an der Universidad Nacional Mayor de San Marcos in Lima und bleibt als Lehrherr von Hunderten junger Journalisten in Peru in Erinnerung.

Manuel Jesús Orbegozo rafft im September 2011 der Leberkrebs dahin, mit 88 Jahren. Die Zeitungen drucken pietätvolle Nachrufe und wissen von einem erfüllten Berufsleben zu berichten. „Manuel Jesús Orbegozo hat sein Leben ganz dem Journalismus gewidmet. Neun Mal hat er als Reporter den Globus umrundet, er ist verhaftet worden unter der Regierung des Manuel Odría, und er erhielt aus den Händen der Mutter Teresa einen Rosenkranz als Geschenk.“

Obwohl der trotamundos – der Weltenbummler –  in seinem langen Berufsleben viele Berühmtheiten – von Juri Gagarin über Deng Xiaoping bis Pol Pot – kennengelernt hat, bleibt für Orbegozo das Zusammentreffen mit dem bärtigen Amerikaner einzigartig. „Sein Auftreten war überwältigend. Was uns Journalisten am Ende des Tages jedoch am meisten beeindruckt, ist das menschliche Format und nicht nur die Klugheit.“

Denn er habe hochgebildete Menschen getroffen, die ihm jedoch völlig gleichgültig geblieben seien. Als Manuel Jesús Orbegozo zum Beispiel den ecuadorianischen Maler Oswaldo Guayasamín interviewte und ihn nach dem weltbesten Maler fragte, antwortete dieser: ‚Picasso, Dalí und ich‘. Im Gespräch fand er es noch lustig, beim Redigieren aber bemerkte er den Hochmut. „Ganz anders war da Hemingway, er strahlte auf eine ganz besondere Art und Weise eine große humane Würde aus.“

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