Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Peru Seite 6 von 11

Neu: Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru

Am 15. April 1956 brechen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary von ihrem Wohnsitz nahe Havanna auf zu einer mehrwöchigen Reise nach Cabo Blanco. In dem abgelegenen peruanischen Fischerdorf sollen die Außenaufnahmen zur Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer stattfinden.

Fast jeden Tag, von früh bis spät, wird der bärtige US-Amerikaner mit einigen guten Freunden hinaus auf den Pazifik fahren. Warum ist Ernest Hemingway so versessen darauf, in Peru einen schwarzen Marlin zu fangen? Dieses größte Lebewesen, das der Mensch mit eigener Kraft zur Strecke bringen kann.

Auch wenn Ernest Hemingways Leben bis in kleinste Winkel ausgeleuchtet ist, so weiß man über seine 36 Tage in Peru recht wenig. Gut 60 Jahre nach dem Besuch des Nobelpreisträgers ist der deutsche Journalist Wolfgang Stock der Expedition nachgereist. Neben zahlreichen Dokumenten, Fotos und Spuren findet er Zeitzeugen, die sich so lebhaft an Ernesto erinnern, als sei er gestern um die Ecke gebogen.

Zusätzlich hat Wolfgang Stock Archive entstaubt, Kontakte aufgebaut, nach Zeitungsartikeln, Fotos und sonstigen Informationen gesucht. Er hat Schauplätze in Peru, auf Kuba, in den USA und in Europa sorgfältig in Augenschein genommen. Ernest Hemingways fünf Wochen in Cabo Blanco und die Seitenblicke sollen anschaulich und detailgenau in diese literarische Entdeckungsreise einfließen.

Das Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru rekonstruiert den Aufenthalt eines sympathischen Abenteurers mit Träumen und Hoffnungen. Es zeichnet aber auch das Bild eines gealterten Mannes, der mehr und mehr zerrieben wird von seinen Ängsten und Widersprüchen.

Buch-Neuerscheinung

Wolfgang Stock
Cabo Blanco
Mit Ernest Hemingway in Peru

364 Seiten, BoD
12,99 € (Paperback), 6,99 € (E-Book)
ISBN: 9783751972567

zu beziehen in jeder Buchhandlung oder bei:                
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Jorge Luis Borges und Ernest Hemingway

Jeder hat so seine Vorstellung vom Paradies.
Foto: W. Stock; München, im Juni 2020.

Das Paradies als eine Bibliothek. So kann man es sehen, so sieht es der Argentinier Jorge Luis Borges. Ein Ernest Hemingway setzt andere Akzente. Unter dem Himmel stelle ich mir eine große Stierkampfarena vor, meint der bärtige Schriftsteller aus den USA. Mit zwei ständig für mich reservierten Plätzen an der Barrera, während draußen ein Forellenbach vorbei rauscht, in dem ich und meine Freunde angeln dürfen.

Oder wenn Ernest Hemingway ein ander Mal von einem Leben im Himmel träumt nach dem Tod, dann spielt sich das im Pariser Ritz ab. Er sieht sich in einer lauen Sommernacht, trinkt ein paar Martinis an der schwarzen Bartheke des Luxushotels, anschließend ein köstliches Dinner mit einer schönen Frau im Le Petit Jardin unter dem blühenden Kastanienbaum. Nach dem einen oder anderen Brandy geht er dann hoch auf sein Zimmer und schmeißt sich in eines von diesen riesigen Betten des Ritz.

So unterschiedlich kann man das Leben betrachten, so unterschiedlich sind die Persönlichkeiten dieser beiden Literatur-Giganten. Jorge Luis Borges, der Porteño vom Jahrgang 1899, brilliert als ein hochgeistiger Tausendsassa: Lyriker, Romancier, Essayist, Philosoph, er ist ein Autor von beeindruckender Belesenheit und mit einer extravaganten Stilkunst. Nach dem Sturz des Autokraten Juan Domingo Perón wird er im Jahr 1955 in Buenos Aires Direktor der Nationalbibliothek, bis ins hohe Alter.

Ernest Hemingway, ebenfalls Jahrgang 1899, ist der offensichtliche Antipode. Ein Naturbursche, eine Schnapsnase, ein Weiberheld. Jemand, der mit breiten Beinen hinaus geht in die Welt. Am liebsten dorthin, wo es mächtig donnert und kracht. Er mag den Stierkampf, die Safari-Jagd und das Angeln von Großfischen. Als Schreiber ist er ein lakonischer Erzähler mit einem einfachen, schnörkellosen Stil. Den Nobelpreis für Literatur kriegt Hemingway, Borges nicht.

Beide Autoren haben sich zu Lebzeiten gekabbelt. Er sei ein Autor von minderer Qualität, hat Borges Anfang 1950 gelästert, bloß ein Journalist mit einer gewissen Fingerfertigkeit, jedoch einer mit kleinem Verstand. Das lässt Hemingway nicht auf sich sitzen. Die Leute um mich sagen, Du wärst der beste spanische Schreiber, kontert der erboste Amerikaner. Aber Du kannst mir mal den Arsch küssen, denn Du hast in Deinem Leben noch nie einen Ball aus dem Spielfeld geschlagen.

Über solch verbale Scharmützel hinweg darf nicht vergessen werden, dass Ernest Hemingway ein Autor ist, den die Lateinamerikaner verehren und innig lieben. Obendrein ist der Vorwurf von Jorge Luis Borges unzutreffend und arg selbstherrlich. Zumal es kaum einen anderen US-Autor gibt, der so viel für den Triumph der lateinamerikanischen Literatur getan hat wie der Mann aus Oak Park bei Chicago.

Ernest Hemingway, der über zwanzig Jahre auf Kuba gelebt hat und leidlich Spanisch spricht, mag die lateinamerikanische Literatur. Dass der Aufschwung der lateinamerikanischen Literaten später in einer solchen Weltgeltung münden konnte, ist auch

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Ernest Hemingway und die Marsmenschen

Ernest Hemingway fröhlich im Kreise der Bruderschaft der Marsmenschen, im Cabo Blanco Fishing Club, im Mai 1956.

Eine kuriose Begegnung ereignet sich Anfang Mai 1956 in Cabo Blanco an der peruanischen Pazifikküste. Aus dem 370 Kilometer entfernten Chiclayo hat sich La Hermandad de los Marcianos, die Bruderschaft der Marsmenschen, angesagt. Diese Bruderschaft, im Dezember 1955 von José Arana, Pancho Cabrea und Ernesto García gegründet, ist kein sinistrer Haufen von Verschwörungsanhängern oder politisch Verirrten.

Vielmehr ist die Hermandad aus der Küstenstadt Chiclayo ein fideler Freundeskreis, in dem bei lauter Musik gut gegessen, viel gelacht und noch mehr getrunken wird. Pepe Arana hat die Hymne der Marcianos geschrieben, die nun im Fishing Club intoniert wird:

Para asentar el marisco: pisco!
para el hígado en destronque: yonque!
para el dolor de cabeza: cerveza!
para el flojo intestino: vino!
para los males del riñón y el corazón: ron!
y para la desdicha, la espumante chicha!

Dies ist ein ziemlich aufgedrehtes Loblied aufs Saufen und aufs Volllaufen lassen, dass sich zudem wunderbar zum Schmettern reimt und frei übersetzt kann man die Verse in etwa so verorten:

Damit der Fisch sich richtig sitzt: Schnaps!
Damit die Leber nicht schlapp macht: Likör!
Gegen die Kopfschmerzen: Bier
Gegen den kraftlosen Darm: Wein!
Gegen den Schmerz in Nieren und Herz: Rum!
und gegen das ganze Elend hier, schäumendes Maisbier!

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Die Hermandad Marciana gibt es in Chiclayo noch heute. Gutes Essen und viel Trinken gehören nach wie vor zu ihren Grundsätzen.

Die ulkige Freizeit-Truppe der Marsmenschen ist in den Cabo Blanco Fishing Club eingefallen, um dem Schriftsteller die Ehre zu erweisen. Bei dieser Gelegenheit will man den prominenten US-Amerikaner in einer kleinen Zeremonie zum Hermand ad Marciana ernennen.

Bekanntlich ist der auf Kuba lebende Ernest Hemingway ja ebenfalls ein Freund der flüssigen Prozente. Der bärtige Nobelpreisträger, keinem Jux abgeneigt, wird jedenfalls an diesem 8. Mai 1956, es ist ein Dienstag, in Cabo Blanco feierlich zum Mitglied der saufenden Bruderschaft aus Chiclayo berufen.

Möglicherweise hat der Mann aus Chicago das Schelmenstück an der Pazifikküste Perus nicht in jeder Hinsicht durchschaut, muss man ja auch nicht unbedingt. Vielleicht hat der leicht überrumpelte Ernest Hemingway gedacht, die Marcianos haben etwas mit seinem geliebten Mar zu tun, zumal Chiclayo nahe dem Meer liegt.

Es ist Halbzeit von Hemingways fünfwöchigem Besuch in Cabo Blanco und die Stimmung ist allseits prächtig. Jedenfalls posiert ein Dutzend gut gekleideter und gesitteter Bürger der peruanischen Mittelschicht, die Samstag Abend gerne einen heben, im

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Was hat Ernest Hemingway in Peru verloren?

Ernest Hemingway bei der Ankunft in Peru. Der junge Reporter Mario Saavedra-Pinón vom El Comercio aus Lima holt sich ein Autogramm ab. Talara, den 16. April 1956. Foto: Guillermo Alias.

Auch wenn das Leben des bärtigen Amerikaners bis in kleinste Winkel bestens ausgeleuchtet ist, so weiß man über Ernest Hemingways Abstecher nach Peru im April und Mai 1956 nicht allzu viel. Seine fünf Wochen in Cabo Blanco, so sie denn überhaupt Beachtung finden, bleiben in den Biographien und Abhandlungen über den prominenten Autoren seltsam konturlos und meist auch fehlerhaft. Es mag dem Umstand geschuldet sein, dass sein Ziel diesmal doch weit ab vom Schuss liegt.

Cabo Blanco? Was zum Teufel sucht der Nobelpreisträger, dieser freche Abenteurer und rastlose Schürzenjäger in einem abseitigen Nest wie Cabo Blanco? Ein vergessenes Fischerkaff mit gerade einmal 500 Bewohnern. Peru bleibt, das mag erstaunen, das einzige Land Südamerikas, das Ernest Hemingway jemals bereist hat.

Der amerikanische Nobelpreisträger kennt die Karibik gut, Kuba, die Bahamas, die Florida Keys, er hat mehrmals Mexiko besucht, doch Südamerika bleibt für den allseits anerkannten Schriftsteller Terra incognita – mit der bemerkenswerten Ausnahme Peru. Er, der Kosmopolit und Weltenbummler, hat sich nie das ausschweifende Rio de Janeiro angeschaut, nicht das betuliche Montevideo und das frühlingshafte Buenos Aires muss ebenfalls auf ihn verzichten.

Hingegen begibt er sich wochenlang nach Cabo Blanco, in ein trostloses Kaff mit ein paar ärmlichen Bretterbuden an einer staubigen Dorfstraße. Der berühmte amerikanische Autor, zwei Jahre zuvor hat man ihm den Nobelpreis für Literatur verliehen, reist in ein doch ziemlich vergessenes Eckchen dieses Erdballs.

Dabei wird der Aufenthalt in Cabo Blanco am peruanischen Pazifik bedeutsam für den Schriftsteller, in vielerlei Hinsicht. Ernest Hemingway gibt in dem umwerfenden Spanien-Roman Gefährlicher Sommer seinen Lesern dazu einen ersten Fingerzeig.

Von Ende Juni 1954 bis August 1956 waren wir auf Kuba und arbeiteten. Ich war in schlechter Verfassung. Ich hatte mir bei Flugzeugabstürzen in Afrika schwere Rückenverletzungen zugezogen und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Niemand wusste genau, was aus meinem Rücken werden würde, bis wir das Ganze vor Cabo Blanco in Peru auf die Probe stellten, als wir für den Film ‚Der alte Mann und das Meer‘ einen riesengroßen Marlin fischen mussten.

Er hat sich wiederum einiges vorgenommen. Der Schriftsteller will in Peru endlich wieder voll auf die Beine kommen, körperlich wie mental. Und möglicherweise auch als Schreiber. Für ambitionierte Herausforderungen ist Cabo Blanco wie geschaffen. In dieses Angelparadies am wilden Pazifik kommen Ernest Hemingway und seine Freunde, um einen schwarzen Marlin zu fangen.

Im Ozean vor Cabo Blanco finden sich gigantische schwarze Marline, ein Fisch over fifteen hundred pounds. Es ist jener riesige Marlin, der in Hemingways fabelhaftem Roman Der alte Mann und das Meer neben dem alten Mann Santiago und dem Jungen Manolín die Hauptrolle spielt.

In Cabo Blanco sollen

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Ernest Hemingway auf dem Weg nach Cabo Blanco

Mr. und Mrs. Hemingway in aufgeräumter Stimmung; Es geht in die Ferne.
Miami international Airport, am 15. April 1956
. Foto: PanAm

Sanft umfasst die kräftige Hand des Nobelpreisträgers den zierlichen Oberarm seiner Ehefrau. Und Miss Mary schaut liebevoll auf zu ihm, während sie seine Krawatte zurecht zupft. Ernest trägt selten Schlips, höchstens bei offiziellen Anlässen oder auf Reisen. Der Schriftsteller hat seine blaue Krawatte mal wieder viel zu kurz gebunden, trostlos baumelt das gute Stück vor seinem karierten Tweed-Jackett.

Auch Mrs. Hemingway kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das Ehepaar Hemingway wirkt an diesem Abend wie aufgekratzt, die beiden zieht es von Neuem hinaus in die Welt. An diesem Sonntagabend legen Ernest Hemingway und seine Frau Mary Welsh einen Zwischenstopp auf dem Miami International Airport ein. Das Ehepaar ist aus Kuba, wo die Hemingways auf Finca Vigía, in der Nähe von Havanna, ihren Wohnsitz halten, herüber nach Florida geflogen.

Smiling Ernest Hemingway gets a final touch-up from his wife Mary, just before leaving Miami Sunday night for Talara, Peru wird die lokale Tageszeitung, der Miami Herald, unter das Foto schreiben, das den Schriftsteller in bester Laune zeigt. Ein lächelnder Ernest Hemingway erhält von seiner Frau Mary eine letzte Nachbesserung, kurz bevor sie Sonntagabend Miami verlassen, Richtung Talara in Peru.

Der hübsche Schnappschuss im Flughafen von Miami strahlt eine warmherzige Vertrautheit aus, vielleicht ist die Liebe des Ehepaares ja doch nicht ganz und gar aufgebraucht. Die beiden sind zu diesem Zeitpunkt seit zehn Jahren verheiratet und bislang sind keine unschönen Meldungen aus ihrem Ehealltag nach außen gedrungen, höchstens ein paar boshafte Gerüchte, doch wie sollte es anders sein, wenn ein Mann zum vierten Mal verheiratet ist.

Immer wenn es ans Meer geht, hellt sich die Gemütslage des Nobelpreisträgers auf. Der Kalender zeigt den 15. April des Jahres 1956. Aus dem Lautsprecher der Airport-Lounge tönt der Sänger Perry Como mit einem ungewohnt hämmernden Rhythmus, Oh! Jukebox Baby, my Jukebox Baby. Diese neuartige Musik, die mit dem ruppigen Beat des Rock ‚n‘ Roll gegen die alte Spießigkeit aufbegehrt, verkörpert ein neues Lebensgefühl, das Ernest Hemingway jedoch irgendwie fremd geblieben ist.

Auch im Kino hat James Dean vor einigen Monaten in dem Filmstreifen Rebel Without a Cause den Protest der Halbstarken gegen die biedere Welt der Eltern in das brave Amerika hinausgebrüllt. All dies ist an den Hemingways mehr oder weniger vorbei gegangen, weil sie zurückgezogen auf einer tropischen Farm im kubanischen Dorf San Francisco de Paula weitab von Gut und Böse leben.

Mr. und Mrs. Hemingway steigen

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Ernest Hemingway – ein kämpferischer Weltenbummler

Eine Doppelseite von Ernest Hemingways Reisepass. Credit Line: Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba

Von seiner Zukunft besitzt der 17-jährige Schüler eine genaue Vorstellung. My name is Ernest Miller Hemingway. I want to travel and write, verrät er 1916 in seinem Notizbuch Memoranda an der Oak Park and River Forest High School. Der hochgewachsene Jugendliche aus einem Vorort von Chicago möchte in der Welt umherreisen und schreiben. Und Ernest Hemingway wird in seinem zukünftigen Lebensjahren diesen Traum verwirklichen.

Sein amerikanischer Reisepass braucht viele Seiten für all die Ein- und Ausreisestempel dieser Welt. USA, Kuba, Bahamas, Mexiko, Peru, Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien, Spanien, Österreich, Schweiz, Deutschland, Belgien, Bulgarien, Türkei, Hong Kong, China, Kenia, Uganda, Tansania. Die Liste kann nicht vollständig sein.

Wir reden nicht von heute, ICE, Jumbo Jet und Lufthansa Frankfurt nach Rio de Janeiro für 650 Euro, hin und retour natürlich. Wir müssen uns schon 100 Jahre in die Welt des jungen Hemingway zurückbeamen. Ernest fängt an im Mai 1918, kurz nach der Schule, als naiver Kerl mit achtzehn Jahren. Wochenlang auf dem Ozeandampfer von den USA nach Europa. Erster Weltkrieg, Italien, Ambulanzfahrer, Schlacht an der Piave. Sechs Monate Lazarett.

Es geht munter weiter im turbulenten Leben dieses Mannes. Bürgerkrieg in Spanien, Zweiter Weltkrieg, Aufstand in China, kubanische Revolution. Dazu Krankheiten, Abstürze mit dem viersitzigen Propeller-Flugzeug. Ernest Hemingway reist gerne dahin, wo es kracht und bummert. Das wird dann kein TUI-Urlaub, all inclusive, sondern mündet in harter Arbeit. Mit hohem Risiko für Leib und Seele. Und dieser Mann kommt nicht ohne Wunden nach Hause.

Der berühmte amerikanische Autor, im Jahr 1954 verleiht man ihm den Nobelpreis für Literatur, bereist gerne die versteckten Eckchen und die stürmischen Schauplätze unseres Erdballs. Dieser scheinbar ungehobelte Bursche, der nicht nur packende Reportagen und erstklassige Romane schreiben kann, ist zugleich bereit, dafür durch die große weite Welt zu preschen. Denn ihm ist klar, ein Frosch am Boden des Brunnens sieht nur einen kleinen Ausschnitt des Himmels.

Ein weiteres unterscheidet ihn von vielen Landsleuten: Der bärtige Rabauke lässt sich auf das Fremde ein mit Haut und Haaren. Die Welt ist so voll von so vielen Dingen, dass ich sicher bin, wir sollten alle glücklich sein wie die Könige. Ernest ist dafür bekannt, dass er die

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Barfuß – die kleine Freiheit des Ernest Hemingway

Am liebsten barfuß: Ernest Hemingway an Bord der Miss Texas, Cabo Blanco, im Mai 1956. Photo by Modeste von Unruh. Collection WJS.

Auf seinen Ausfahrten in Cojímar oder Cabo Blanco zieht der prominente Schriftsteller stets legere Kleidung an. Oft trägt er eine helle Safari-Jacke aus Baumwolle, die ein Stoffgürtel über dem sichtbaren Bauchansatz zusammen hält. Dazu eine bis zu den Oberschenkel reichende Khaki-Hose und Halbschuhe aus leichtem Leder. An Bord jedoch zieht er die Oberteile meist aus und lässt Sonne und Wind seinen Oberkörper umschmeicheln. Zusätzlich läuft Ernest Hemingway an Bord am liebsten barfuß herum.

Nicht nur auf seinem Boot, sondern auch auf seiner Farm Finca Vigía im Süden von Havanna zieht der US-Amerikaner es vor, ohne Schuhe zu laufen. Im vierten Stock eines neben das Haupthaus angebauten Turms hat der Nobelpreisträger sich ein Schreibstudio einrichten lassen, von dort hat er einen wunderbaren Blick bis nach Havanna und auf den Golfstrom. Beim Schreiben steht er barfuß vor einem Pult auf dem abgeschabten Fell einer von ihm erlegten Kudu-Antilope. Der gefeierte Autor hat das Gefühl, kreativer zu sein, wenn er barfüßig schreibt.

Auf seinem gesamten Anwesen läuft der Schriftsteller gerne mit nackten Füßen umher, wie ein buddhistischer Mönch, nichts stört zwischen ihm und der Erde. Instinkt und Intuition des Menschen, von Natur angetragen, wird abermals freigelegt und nicht künstlich isoliert. Fest mit blanken Füssen auf dem Boden stehend, lebt Ernest Hemingway das Leben, welches man in jenen Jahren als das eines Beachcombers bezeichnet hat. Ein neugieriger Mensch am Meer, der die Natur und das Leben ohne jeden überflüssigen zivilisatorischen Schnickschnack zu genießen weiß.

Meist trifft man auf Finca Vigía einen genügsamen Ernest Hemingway an, einen stinknormalen Kerl in Shorts und ohne steifen Kragen, einen Burschen, der halbnackt und barfuß herum läuft und die sonnige Natur an sich heran lässt. Der Kleidungsstil des Mannes aus Chicago steht in den Tropen für Entspannung und Befreiung vom großstädtischen Alltagstrott. Wenn Ernest Hemingway eine lange Hose anzieht, dann weiß man, er hat einen Termin in Havanna.

Anfang der 1980er Jahre habe ich in Acapulco mehrfach den nach Mexiko emigrierten Schweizer Teddy Stauffer getroffen. Teddy ist während der Weimarer Republik mit seinen Original Teddies in Deutschland der populärste Swing-Musiker gewesen, bis es die braune Herrschaft nicht mehr zuließ. In Acapulco am Pazifik hat dieser gut aussehende Playboy und Hotelbesitzer dann ohne großen Ballast das sonnige Leben genießen dürfen. Einmal habe ich ihn gefragt, ob er kein Heimweh nach dem beschaulichen Bern habe. Wissen Sie, hat er geantwortet, ich laufe hier in Acapulco immer barfuß herum und glaube, ich kann mich an festes Schuhwerk nicht mehr gewöhnen. 

Vor allem an den Füßen merkt der Mensch, ob er das Gefühl für den eigenen Körper verloren hat. Barfuß in den Tropen spürt man wieder das eigene Ich und eine neue, wilde Lust aufs Leben. Die Gluthitze des Tages öffnet

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Ernest Hemingway fliegt mit Panagra

Panagra, eine Tochter der PanAm, hat sich auf Flüge nach Südamerika spezialisiert.

Am frühen Morgen des 16. April 1956, es ist ein Montag, landet die vierpropellerige Douglas DC-7B auf dem kleinen Flughafen von Talara. Um kurz vor halb acht Uhr rollt der silbergraue Flieger der Fluggesellschaft Panagra unter ohrenbetäubendem Gedröhne der Motoren und mit dem monotonen Klackern der Propellerblätter auf der kurzen Landebahn von Talara im Norden Perus aus.

Panagra, ein Tochterunternehmen der US-amerikanischen PanAm, hat sich auf Passagier- und Frachtflüge nach Südamerika spezialisiert und bedient viermal in der Woche die Route von Miami über Panama und Lima bis hinunter nach Santiago de Chile und Buenos Aires. Eine Verbindung, deren erste Etappe, von Florida nach Peru, über Nacht geflogen wird. Die Panagra fliegt auf dieser Südamerika-Route auch Provinzflughäfen wie jener von Talara an.

Talara ist eine Stadt im Norden Perus, sie liegt direkt an der Pazifikküste, nicht weit von der Grenze zu Ecuador entfernt. Beim Anflug auf Talara sieht man nur graue Wüste, soweit das Auge reicht. Eigentlich gehört der Flughafen, den die US-Marines gebaut haben und den die Einheimischen El Pato nennen, der International Petroleum Company, einem Ölmulti, der im Meer vor Talara ein riesiges Erdölfeld ausbeutet.

Ein paar Tage zuvor hat die US-amerikanische Nachrichtenagentur United Press die Visite des Nobelpreisträgers angekündigt. Mit Datum 13. April 1956 kabelt der UP-Korrespondent in Havanna eine ausführliche 40 Zeilen-Meldung an Zeitungen in alle Welt. „Der Schriftsteller Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary werden am Sonntagnachmittag nach Peru fliegen und dort auf die Jagd nach einem 700 Kilogramm Blaumarlin gehen, um die Filmaufnahmen davon in der Verfilmung seines Romans Der alte Mann und das Meer zu nutzen.“

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Die feine Menü-Karte auf Panagra-Flügen.

Und weiter heißt es in der Meldung der United Press: „Der Schriftsteller gab der Hoffnung Ausdruck, den Fisch in drei oder vier Wochen fangen zu können. In zahlreichen Monaten des vergangenen Jahres konnte

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‚Hemingway desconocido‘, der unbekannte Hemingway

Hemingway desconocido, der unbekannte Hemingway, so lautet der Titel einer peruanischen Neuerscheinung über den US-amerikanischen Nobelpreisträger. Cuatro crónicas secretas sobre el escritor en el Perú y el mundo. Vier geheime Berichte über den Schriftsteller in Peru und in der Welt, so heißt es etwas reißerisch im Untertitel.

Geschrieben hat dieses spanischsprachige Buch der Journalist Omar Zevallos, ein Buchautor und Karikaturist aus dem südperuanischen Arequipa, ein Mann vom Jahrgang 1958. Und Omar ist natürlich ein eingefleischter Aficionado des Ernesto Hemingway, man merkt es dem Werk an, das Herzblut steckt zwischen den Seiten. 

Der Nobelpreisträger besuchte im April und Mai 1956 das peruanische Fischerdorf Cabo Blanco und in der Tat gibt es über diese fünfwöchige Episode in Hemingways Biografie vergleichsweise wenig Informationen. Mario Saavedra, der Reporter vom feinen El Comercio, hat im Jahr 2005 ein großformatiges Büchlein herausgebracht, mit wunderbaren Fotos, denn Mario war Zeuge mit Ohr und Auge in Cabo Blanco. Ansonsten wird man nicht viel Gescheites finden.

Nun merkt man dem Buch von Omar Zevallos die große Fleißarbeit an, denn er hat über

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Ernest Hemingways Liste für Cabo Blanco

Ernest Hemingways Moleskine: Auf zwei Seiten Notizen zu Cabo Blanco.

Ernest und Mary Hemingway fliegen von Havanna über Miami ins südamerikanische Cabo Blanco. Fünf Wochen im April und Mai 1956 wird das prominente Ehepaar in dem winzigen peruanischen Fischerdorf verweilen. Am Pazifik wollen sie einen riesigen Marlin fangen und die Dreharbeiten der Second Unit zu dem Hollywood-Film Der alte Mann und das Meer ein wenig anleiten.

Cabo Blanco wird von dem weltberühmten Autor – zwei Jahren zuvor hat er den Nobelpreis für Literatur erhalten – gut vorbereitet. Die Reise nach Peru ist ihm wichtig. Ernest freut sich auf das fremde Meer, auf den wilden Pazifik, wo es an der Schnittstelle zwischen kaltem Humboldt-Strom und den warmen Äquatorial-Gewässern die größten Marline überhaupt geben soll. Eine Handvoll Freunde aus Kuba begleitet den Nobelpreisträger auf diesem exotischen Trip.

Auf seinen Ausfahrten in Cabo Blanco wird der Schriftsteller mehr oder weniger die gleiche Kleidung anziehen wie zwei Jahre zuvor auf der Safari in Ostafrika. Im Januar 1954 hat er zusammen mit Miss Mary Kenia und Uganda besucht, erfolgreich gejagt, war allerdings auch in zwei verheerende Unfälle mit Flugzeugabstürzen verwickelt.

Der Autor trägt eine helle Safari-Jacke aus etwas zu dicker Baumwolle, die ein Stoffgürtel über dem sichtbaren Bauchansatz zusammen hält. Dazu eine bis zu den Oberschenkel reichende Khaki-Hose und Halbschuhe aus leichtem Leder. An Bord zieht Ernest Hemingway es dann vor, meist barfuß zu laufen.

Obwohl den Autor Komplikationen an den Augen plagen, trägt er im glutheißen Nordperu auch bei prallstem Sonnenschein keine Sonnenbrille. Wenigstens zieht der Nobelpreisträger in der sengenden Sonne seine Baumwoll-Kappe an, ohne deren Schutz es in diesen Breiten böse enden kann.

Auf Finca Vigía hat Ernest Hemingway auf zwei Seiten in sein Moleskine akribisch aufgeschrieben, was er auf die Reise nach Peru mitnehmen möchte. List Cabo Blanco hat er die Blätter seines Büchleins überschrieben, und unter anderem aufgeführt: Rods, Rod Case, Headers, Hooks, Gaff, two Harpoons, Lines – das ist das Angelzeugs wie Haken, Angelschnüre und Angelruten.

Dann folgt die Auflistung der Kleidung: Hemden, eine Jacke, Caps, die Windjacke, eine Krawatte, Trenchcoat, Stiefel, eine Flanell-Hose, Sneakers, Brillen und Fishing Gloves, die Angel-Handschuhe. Und am Ende der zweiten Seite steht Books. Flott unterstrichen und dann ein dicker Punkt. Auf die Auswahl der Bücher möchte Ernest Hemingway wohl ein besonderes Augenmerk legen.

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Die zweite Seite von Hemingways Liste für Cabo Blanco.

Die Reise nach Peru soll ein Erfolg werden. Wir schreiben Mitte April 1956, es geht körperlich langsam bergab mit ihm, und auch das Schreiben fällt ihm schwer. Er braucht den Erfolg. In Peru, aber er braucht den Erfolg vor allem in sich drin. Das Schicksal hat ihm in den letzten Jahren schlimm mitgespielt.

Er ist erst Mitte 50 und sieht doch schon aus wie ein alter Mann. Sein Körper und seine Geisteskraft haben schon vor den Flugzeugabstürzen in Afrika nach und nach abgebaut, doch die starken Verbrennungen, die schweren Kopfwunden und die zahlreichen inneren Verletzungen setzen ihm so heftig zu, dass nichts mehr so ist wie in den guten Jahren.

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