Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Spanien Seite 1 von 7

Wie Ernest Hemingway die Sanfermines von Pamplona erfand

Pamplona
Sanfermines
Ernest Hemingway
Die Sanfermines sind ein wilder Mix aus christlichem Fest und weltlichem Spektakel. Foto: W. Stock, April 2024.

Wenn man sich unter den Bewohnern von Pamplona umhört und den Namen Ernest Hemingway fallen lässt, so bekommt man allerlei zu Ohren. Ich hege gespaltene Gefühle in Bezug auf diesen Herrn, pikiert sich ein Mann. Ein anderer Pamplonese meint, der Amerikaner habe viel für die Stadt getan, nicht immer zum Guten. Dass der Nobelpreisträger von 1954 die Sanfermines weltweit populär gemacht hat, es ist ein Fakt, dieser Umstand stößt allerdings nicht überall auf Begeisterung. 

Von Gertrude Stein, seiner Mentorin in Paris, erhält Ernest den Tipp, den Encierro zu besuchen. Die Schriftstellerin aus Pittsburgh und ihre Gefährtin Alice Toklas kennen das Spektakel bereits seit 1915. Zu dem Zeitpunkt ist das Fest in Nordspanien ein lokales Ereignis, ein Geheimtipp für neugierige Weltenbummler. Zum ersten Mal kommt der junge Hemingway im Juli 1923 nach Pamplona, insgesamt wird er die Hauptstadt Navarras zehn Mal besuchen. Der Journalist aus Chicago zeigt sich bei seinem Trip ins Baskenland im Nu elektrisiert von dem mittelalterlichen Schauspiel, so etwas findet man in seiner Heimat nicht.

Sein Erstlingswerk Fiesta, dieses erscheint im Jahr 1926, lässt Ernest Hemingway überwiegend in Pamplona spielen. Im amerikanischen Original heißt der Roman The Sun Also Rises, er wird auf Anhieb zu einem Riesenerfolg. Mit einem Mal werden die Sanfermines mit den Stieraufläufen, den Prozessionen und Tänzen ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit katapultiert. In seiner epischen Erzählung schreibt der Debütant ausführlich über das Großereignis in der nordspanischen Stadt mit damals 35.000 Einwohnern. 

Seit fast 600 Jahren wird das Großereignis mit dem religiösen Ursprung aufgeführt. Gefeiert wird zu Ehren des heiligen Fermín, des Schutzpatrons von Navarra. Firminus der Ältere ist der Sohn eines römischen Offiziers, er wird zum Priester geweiht und im 3. Jahrhundert zum Bischof von Amiens ernannt. Fermín stirbt den Märtyrertod, ihm wird die Kehle durchschnitten. Seine Reliquien werden von Frankreich nach Pamplona überführt. Der Pañuelico – ein rotes Halstuch, das in Pamplona zum Fest getragen wird – erinnert an sein unseliges Schicksal.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist PlazaDeToros-791x1024.jpg

Beim Encierro werden die Stiere aus den Corrales durch die Altstadt von Pamplona zur Plaza de Toros getrieben. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Sanfermines beginnen alljährlich am 6. Juli mit dem Chupinazo, zur Mittagszeit, wenn 12 Feuerwerksraketen vom Rathausbalkon abgeschossen werden. Und endet nach acht Tagen, immer am 14. Juli um Mitternacht, mit dem Klagelied Pobre de mí. Ach, ich arme Seele. Im Laufe der Jahrhunderte hat das Fest zahlreiche Veränderungen durchlaufen. So eine Terminverschiebung von Herbst auf Sommer oder die Hinzunahme des Chupinazo-Rituals, das erst seit 1941 offizieller Bestandteil der Feierlichkeiten ist.

Der bekannteste Teil des Festes bleibt der Encierro. Um acht Uhr morgens findet der Auflauf der schwarzen Kampfstiere mit einem Gewicht von 600 Kilo statt. Der Trubel beginnt in den Stallungen im Norden und endet nach einer Hatz von 826 Metern durch die engen Gassen der Altstadt in der Plaza de Toros. Hunderte von Teufelskerlen – Einheimische wie Touristen – rennen bis zur Arena vor den Bullen her, manche werden von den Stieren zu Fall gebracht oder gar aufgespießt. Jeder Mozo, so werden die tollkühnen Läufer genannt, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose sowie das rote Halstuch und eine rote Schärpe.

Um die archaische Feier herum entwirft Ernest Hemingway in Fiesta ein Kaleidoskop menschlicher Irrungen und Wirrungen. Die amerikanischen Protagonisten Jake Barnes, Robert Cohn und Lady Brett Ashley auf Entdeckungsreise in Pamplona lassen nichts aus: Abenteuer, Raufereien, Stierkampf, sexuelle Ausschweifungen und vor allem Alkohol. Dem biederen Publikum in der Heimat fährt der Schreck in die Glieder, es ist das Jahrzehnt der Prohibition in den USA. Das ungehemmte Fest muss im Land der erzwungenen Abstinenz und des freudlosen Puritanismus wie ein Schreckensgemälde aus der Vorhölle gewirkt haben. 

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Sanfermines6-802x1024.jpg

Blutrot und stierschwarz sind die Farben der Sanfermines. Für die Stiere endet der Encierro bei der Corrida am Abend, derweil so mancher Mozo als Alkoholleiche unterm Tisch einer Kneipe in der Altstadt liegt. Foto: W. Stock, April 2024.

Wie eine Mischung aus christlicher Tradition und überdrehter Volksfeier kommen die Sanfermines daher. Die sommerliche Vorführung in der Kleinstadt wird dank Hemingway und dank Fiesta – als Buch und später als Hollywood-Verfilmung – zu einem kosmopolitischen Radau-Magneten. Wohl als Ventil für die unterdrückten und eingezäunten Bedürfnisse der Feierwütigen, wo auch immer auf diesem Globus. Die unbekümmerte Mischung aus religiöser Wehmut und sakraler Ausgelassenheit faszinieren – pars pro toto – den Mann aus der bigotten Vorstadt wie kaum etwas anderes.

Denn es ist nicht nur das Saufen. Der Autor aus Oak Park entdeckt in Pamplona, beim Fest des Heiligen Firminus, noch etwas. Tief in der Seele des Spektakels werden jene Tugenden gefeiert, die dem Schriftsteller auf seinem Lebensweg wichtig sind: Tapferkeit, Furchtlosigkeit, Stolz und Würde. Und hinter allem Budenzauber erkennt Ernest einen weiteren schwarzen Stier. Den

Loading

Ein Tisch im Paradies: Das Café Iruña von Pamplona

Café Iruña Pamplona
Der technische Fortschritt der Belle Époque geht einher mit wachsendem Wohlstand. Im Café Iruña findet dieser Aufstieg des Bürgertums seine gute Stube. Foto: W. Stock, 2024.

Hier sitzt Ernest Hemingway mit am Tisch. Die extravagante Ausstattung entspringt der Belle Époque. So nennt man die lange Phase des Friedens und Fortschritts in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Der Esprit dieser goldenen Jahrzehnte wird bewahrt in einem Bistro an der Plaza del Castillo, mitten im Herzen von Pamplona. Mit Fiesta hat der bärtige Amerikaner aus Chicago ein dickes Buch um das Café Iruña herum geschrieben.

Man tritt durch das wuchtige Portal und wird hineingeworfen in eine muntere Pracht aus Kunst und Kultur. Das Interieur des Café Iruña ist bemüht, die Vergangenheit mit Stilanleihen aus Barock und Gotik zu achten, zugleich will es neue Wege gehen mit dem Modernisme, wie der Jugendstil in Spanien bezeichnet wird. Die Einrichtung fällt entsprechend üppig aus. Die ornamentierten Säulen und die riesigen Spiegel vermitteln das Gefühl, in einem Wiener Kaffeehaus zu weilen. Unter feinen Leuchten laden Bistro-Tische und bequeme Lehnstühle ein zum Verweilen und Debattieren. 

Als Ende des 19. Jahrhunderts die Elektrifizierung in Pamplona einzieht, da ist das Cafe Iruña das erste Gebäude der Stadt mit elektrischem Licht. Neue Ideen in Kunst, Wissenschaft und Technik kommen aus Paris und New York nach Spanien. Innovationen wie Ozeandampfer, Eisenbahnen, Automobile, Staubsauger und Waschmaschinen werden wie ein Wunder bestaunt. Der rasante Siegeszug der Modernität sollte das Althergebrachte wenn möglich nicht beiseite schieben. Die bewährte Tradition möge vielmehr den Neuerungen als emotionales Fundament dienen. Dies sind die Leitplanken, die dem Café Iruña vorgegeben werden. 

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist PortalIruna1-768x1024.jpg

Hinter dem Portal zum Café Iruña wartet der Genuß. Unsere Stadt heißt Pamplona.  Foto: W. Stock, 2024.

Aus der Mitte des aufstrebenden Bürgertums wird das Café Iruña entworfen. Über 800 Einwohner aus Pamplona erwerben Anteile an der Sociedad Iruña S.A., um das Projekt zu ermöglichen. Treibende Kraft hinter der Aktiengesellschaft wird Serafín Mata y Oneca, ein Geschäftsmann und Stadtrat in Pamplona. Am 2. Juli 1888, wenige Tage vor den Sanfermines eröffnet die Lokalität an der großen Plaza. In kurzer Zeit wird sie zur guten Stube der Stadt. Viel geändert hat sich nichts in den letzten 130 Jahren.

Wenn man heute das Iruña besucht, muss man als Westeuropäer aufpassen, die richtige Zeit zu erwischen. Wer für das Mittagessen zu früh kommt, der darf mit den köstlichen Pintxos, den kleinen Appetithäppchen, vorliebnehmen. Und wer zu spät erscheint, der kriegt knapp zu hören: Die Küche ist geschlossen. Ideal fürs Mittagsmahl ist, wir sind in Spanien, die Zeit zwischen 14 und 15 Uhr. Dann wird das Menu del Dia serviert.

Erst einmal wird Brot, eine Flasche roter Hauswein aus Navarra und Wasser auf den Tisch gestellt. Das Tagesmenü besteht aus drei Gängen mit der Wahl zwischen jeweils 6 bis 8 verschiedenen Speisen. So gibt es eine Crema de Marisco y Merluza oder die Alcachofas de Tudela als Primer Plato. Eine Fischsuppe mit Seehecht oder Artischocken-Salat mit Serrano-Schinken zur Vorspeise. Im Segundo Plato, der Hauptspeise, hat man unter anderem die Auswahl zwischen der Lubina al Horno oder der Paletilla de Cordero Asada, einem gebackenen Wolfsbarsch oder der gegrillten Lammschulter. 

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist IrunaAupenBaeume1-1024x875.jpg

Mitten im Norden der zentralen Plaza del Castillo von Pamplona thront das Café Iruña. Breit und stolz, aber ohne jeden Dünkel. Foto: W. Stock, 2024.

Und zum Nachtisch, dem Postre, wird Tarta de Queso con Confitura de Arándanos, ein Käsekuchen mit Blaubeer-Mus, serviert. Oder die göttliche Torrija de Vainilla, eine Tunkschnitte in hausgemachter Vanillesauce. Die erste Güte der deftigen baskischen Küche wird flott und freundlich dargereicht. Überaus frisch in den Zutaten, wie selten erlebt. Und dies zu einem Preis, den man in den besseren Häusern Münchens als Trinkgeld erwartet.

Dem Café Iruña gelingt eine meisterhafte Balance. Es ist selbstbewusst, aber nicht versnobt. Nicht zu gewöhnlich, aber auch nicht abgehoben. Die Lokalität ist nicht zu teuer und nicht zu billig. Das Restaurant kommt vielmehr daher wie der Treffpunkt einer geerdeten Gutbürgerlichkeit, die dem Einheimischen wohltut und den Fremden auf der Stelle annimmt.

Das Café Iruña wird zu einem Ruhepol, bei dem Tradition und Moderne zu neuer Blüte zusammentreffen. Dieser Ort dient als Kraftquelle, an der man sich selbstvergewissert, um den kleinen und großen Herausforderungen des Alltags zu trotzen. Genau so hat Ernest Hemingway seinen Roman Fiesta angelegt. Mit den desperaten Protagonisten Jake Barnes, Robert Cohn und Lady Ashley, die um die großartige Trutzburg Café Iruña herumwuseln.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist WeinIruna1-768x1024.jpg

Ein roter Tempranillo – Príncipe de Viana, Jahrgang 2022 aus Navarra – auf das Leben. Auf das Haus und auf das gute Leben. Im Café Iruña von Pamplona. Foto: W. Stock, 2024.

Ein Platz wie das Café Iruña kitzelt Gaumen und Seele. Die Magie von bald 140 Jahren springt, wenn man alle fünf Sinne noch einigermaßen beisammen hat, im Nu auf den Gast über. Lässt man sich in diesen Zauber fallen, so geschieht wie durch Wunderhand etwas Überraschendes. Der Besucher

Loading

Ernest Hemingways Kneipen-König: Wo steckt der edelmütige Rey Carlos III?

Der noble König von Navarra, nicht mehr als Restaurant, aber trotzdem präsent in Pamplona. Foto: W. Stock, 2024.

Während der Sanfermines in Pamplona eilt Ernest Hemingway zum Paseo de Sarasate, einer breiten mit Bäumen gesäumten Allee, dort zur Hausnummer 6, gegenüber vom Monumento a los Fueros. Der US-Autor öffnet die Tür des Las Pocholas, tritt ein und setzt sich im Gasthaus an den gleichen Tisch wie immer, direkt neben dem Eingang, unter die Büste des Namensgebers, des Rey Carlos III El Noble.

In Wirklichkeit heißt das Restaurant an der Prachtstrasse Hostal del Rey Noble, aber jedermann in Pamplona kennt es als Las Pocholas. Seit der Amerikaner aus Chicago das Las Pocholas während seiner zweiten oder den dritten Sanfermines entdeckt hat, ist es neben dem Café Iruña seine Lieblingslokalität in der baskischen Metropole.

Der Schriftsteller setzt sich immer an den Tisch mit der internen Nummerierung 1. Er beobachtete gerne die Leute, die eintraten, erinnern sich die Besitzer Josefina und Conchita Guerendiáin an den berühmten Gast. Ansonsten machte er nicht viel Aufhebens um seine Person, jedenfalls wenn er alleine kam.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist HemRinconDraussen1-768x1024.jpg

Ein anderer Nobler, jener von 1954, fällt in Pamplona noch ein wenig stärker ins Auge als der König. Foto: W. Stock, 2024.

Ein Lokal für besondere Anlässe. Der Schriftsteller und der Stierkämpfer Antonio Ordóñez feiern im Las Pocholas am 10. Juli 1953 bei einem Abendessen einen grandiosen Sieg. Der Torero aus dem andalusischen Ronda hat seinen erlegten Bullen vier Ohren abscheiden dürfen, ein denkwürdiger Tag für einen Matador.

Im Jahr 2000 schließt das Las Pocholas, doch das Luxushotel La Perla schnappt sich kurzerhand die Büste von Carlos III und was sonst nicht niet- und nagelfest ist und lässt es ins Hotel schleppen. Und so darf

Loading

Ernest Hemingway findet seinen Seelenfrieden am Jakobsweg

Hemingway 
Sanfermines
Jakobsweg
Ernest Hemingway sucht die Stille. Im Sommer 1959 nahe von San Ildefonso. Und er schreibt. Photo Credit: Ernest Hemingway Collection at the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Pamplona im Juli ist die Hölle. Sonntagmittag, 6. Juli, explodierte die Fiesta. Anders kann man das nicht nennen. Der Amerikaner Ernest Hemingway wird von dieser Explosion gepackt, mit Fiesta hat er einen ganzen Roman darüber geschrieben. Die Sanfermines beginnen alljährlich am 6. Juli mit dem Chupinazo, am Mittag, wenn 12 Feuerwerksraketen vom Rathaus-Balkon abgeschossen werden. Und endet nach acht Tagen stets am 14. Juli um Mitternacht mit dem Klagelied Pobre de mí. Ach, ich arme Seele.

Nüchtern betrachtet, aber wer tut das schon, sind die Tage Mitte Juli in Pamplona seit dem Jahr 1324 eine Feierlichkeit zu Ehren des Heiligen Firminus. Man tanzte und trank unentwegt, und der Lärm nahm kein Ende – so fasst Ernest Hemingway das Fest zusammen. Acht Tage und Nächte mit morgendlichen Bullenläufen, Prozessionen, mit Musikkapellen, den Tänzen, mit den Umzügen der Gigantes und den Großköpfen der Cabezudos, dazu die Peñas, die Freundeskreise, die mächtig Radau machen. Und am späten Nachmittag die Stierkämpfe.

Die Sanfermines sind ein Mordskrach rund um die Uhr. Ein dröhnender Trubel, der in die Knochen geht. Ernest Hemingway gleicht den Rummel aus, indem er vor oder – noch lieber – nach der Fiesta die Geräuschlosigkeit in den nahen Pyrenäen sucht. Der Schriftsteller nimmt er sich eine Auszeit und fährt hinein in die Stille der Berge. Die Sierra de Abodi und das Valle de Aezkoa sind sein Ziel. Am Rio Irati und Rio Urrobi will er seiner Leidenschaft, dem Angeln, nachgehen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Aribe1-1024x823.jpg

Bei Aribe ist der Irati noch ein kleiner Bergbach. Foto: W. Stock, 2024.

Hemingways Paradies fängt nur eine Autostunde nördlich von Pamplona an, dreimal hat sich der US-Autor in Burguete im einfachen Hostal Burguete einquartiert. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur Selva de Irati. Bereits im benachbarten Aribe führt der Irati so viel Wasser, dass es zu einem Bergbach reicht. Das Wasser des Irati ist klar und quellrein, die Forellen warten und freuen sich auf Ernest.

Wir blieben fünf Tage in Burguete und angelten mit Erfolg. Die Nächte waren kalt, und die Tage waren heiß, und selbst in der Hitze des Tages wehte immer eine Brise. Es war heiß genug, dass es angenehm war, in einen kalten Bach zu waten, und die Sonne trocknete einen, wenn man herauskam und sich ans Ufer setzte. An einem Bach fanden wir eine Stelle, wo es tief genug zum Schwimmen war.

Es ist die Gegend unterhalb der Passwege, an der auch drei Wanderrouten des Camino de Santiago verlaufen. Dieser Streckenabschnitt des Jakobswegs gilt als einer der schönsten. Sowohl der Camino Francés, als auch der navarrische Jakobsweg und der Camino Aragonés führen durch die abgeschiedene Natur am Fuße der Westpyrenäen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Pilgerbuero1-1-768x1024.jpg

Am Monasterio Roncesvalles geht eine der schönsten Strecken des Jakobswegs vorbei. Foto: W. Stock, 2024.

Das gotische Monasterio Roncesvalles kennt Ernest Hemingway gut. Es liegt nur ein paar Minuten nördlich von seiner Unterkunft in Burguete. In dem ehemaligen Augustinerkloster Real Colegiata liegen die Gebeine des 1234 verstorbenen Königs Sancho El Fuerte. Heute dient das mönchlose Kloster als Rast- und Übernachtungsstation für die Pilger auf dem Jakobsweg. Man muss nur die Augen aufmachen vor der Schönheit der Schöpfung.

Der Weg kam aus dem schattigen Wald in die heiße Sonne. Vor uns lag ein Flusstal. Jenseits des Flusses war ein steiler Berg. Auf dem Berg ein Buchweizenfeld. Wir sahen ein weißes Haus unter ein paar Bäumen auf dem Hang. Es war sehr heiß, und unter ein paar Bäumen neben einem Wehr, das den Fluss kreuzte, machten wir halt.

Die Gebirgsgegend in Navarra Nafarroa beeindruckt mit seiner makellosen Unberührtheit, mit einem Meer aus Grün, den einsamen Waldgebiete, den saftigen Viehweiden und mit den zahlreichen kleinen Gebirgsbächen. Die Wander- und Pilgerwege durchlaufen winzige Ortschaft, mit nur wenigen Bewohnern. Ansonsten Wald und Flur, die urwüchsige Ordnung der Natur. Die Pyrenäenausläufer mit den dichten Hainen und den klaren Bächen erinnern ihn an den Schwarzwald, den er von einer Sommerreise im August 1922 kennt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Nagore1-1024x690.jpg

Unterhalb von Arce Nagore weitet sich der Rio Urrobi zu einem breiten Gewässer aus und vereint sich mit dem Rio Irati zum stattlichen Speichersee Embalse de Itoiz. Foto: W. Stock, 2024.

Im Gebiet der nordspanischen Pilgerwege des Heiligen Jakobus findet Ernest Hemingway, der zeitlebens ein Suchender und seelisch Zerrissener gewesen ist, einen kleinen Frieden mit sich. Wie jede zwiegespaltene Persönlichkeit, die zwischen dunklem Schwarz und hellem Weiß springt, so muss er

Loading

Ernest Hemingway und Juan Duñabeitia bewegen sich nicht vom Fleck in Bilbao

Ernest Hemingway
José María de Ucelay
Ein Gemälde des baskischen Malers José María de Ucelay. Ein Doppelportrait aus dem Jahr 1957. Hemingway y Juan Duñabeitia. (c) Museo de Bellas Artes de Bilbao.

Im Museo de Bellas Artes von Bilbao hängt – wenn nicht mal wieder umgebaut wird – ein merkwürdiges Gemälde. Im diesem Museum der schönen Künste kann der Besucher ein Kunstwerk des renommierten Malers José María de Ucelay bestaunen. Der baskische Künstler hat den Schriftsteller Ernest Hemingway gemalt, zusammen mit seinem Freund Juan Duñabeitia.

Der Maler De Ucelay, der aus dem nordspanischen Fischerdorf Bermeo stammt, stellt den bärtigen US-Amerikaner dar mit zerzaustem Haar und weißem Bart. Trotzdem voller menschlicher Würde, mit Eleganz und in sich ruhend. Der Freund Juan Duñabeitia, der in Kuba auf den Spitznamen Sinsky hört, ist in traditioneller baskischer Tracht gekleidet, dazu mit Baskenmütze.

Conversation Piece, Just Leisure oder Hemingway y Duñabeitia lautet der Name des Gemäldes. Ein friedliches Motiv, der Autoren-Titan neben dem unbekannten Juan auf einer Parkbank, der zweideutige Titel deutet es an. Ein Symbol für Männerfreundschaft über alle Landstriche, Klassen und Vorurteile hinweg. Der berühmte Nobelpreisträger und der bescheidene Seefahrer. Letztendlich auch nur zwei Handwerker im Schöpfungskosmos des Herrn. Und das Meer umarmt ihre Freundschaft.

Es war der Schriftsteller selbst, der De Ucelay in den 1950er Jahren bei einem Besuch in Pamplona angeregt hat, das Doppelporträt zu malen. Das Bild des baskischen Künstlers strahlt eine behagliche Grandezza aus. Ernest und Juan lässig auf einer Bank an der Strandpromenade, dahinter die Wellen des Meeres. Hemingway hat gerade eine Zeitung gelesen, die Brille befindet sich noch in seiner rechten Hand.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Cantina31.jpg

Ernest Hemingway mit Juan Duñabeitia und Ava Gardner in einer einfachen Cantina auf Kuba. Foto: Archiv Dr. Stock.

So ganz gelungen ist das Gemälde aus dem Jahr 1957 nicht. Die Perspektive des Meeres wackelt, Sinkys rechter Arm fällt viel zu lang aus, die Gesichter scheinen plastisch und eine Spur zu emotionslos. Doch wir wollen die Elle nicht zu eng anlehnen. Auch wenn wir gerade aus dem Guggenheim Museum mit der atemberaubenden skulpturalen Architektur des Frank O. Gehry kommen, das neue Kunsthaus ist nur ein paar Minuten weiter.

Juan Duñabeitia wird 1898 in Bilbao geboren, als junger Kerl fährt er zur See. Später lässt der Baske sich in Havanna nieder. Der Kreis des Lebens schließt sich wieder in Bilbao, wo Sinsky stirbt. Beide – Ernest Hemingway und Juan Duñabeitia – bleiben in Bilbao. Der eine in der Calle Santimami Auzoa auf dem Cementerio, der andere acht Kilometer südlich an einer Wand des Museo de Bella Artes

Loading

Ernest Hemingway und Guernica

Heute erinnert eine Skulptur des baskischen Künstlers Eduardo Chillida im Friedenspark von Guernica an den Horror des Bombardements. Foto: W. Stock, 2024.

Im Spanischen Bürgerkrieg stellt sich das Nazi-Regime in Berlin auf die Seite der Putschisten um den General Franco. Am 26. April 1937, an einem Marktmontag, bombardieren Kampfflugzeuge der deutschen Legion Condor zusammen mit der italienischen Luftwaffe die Stadt Guernica im Baskenland. Die Militäraktion der Wehrmacht ist ohne jede militär-strategische Bedeutung. Am Ende sind 1.654 zivile Opfer in Guernica zu begraben.

Ernest Hemingway, mit seiner neuen Geliebten Martha Gellhorn, befindet sich zu diesem Zeitpunkt in Madrid, im Hotel Florida, das seit Tagen dem Beschuss der Putschisten standhält. Als der Korrespondent die Nachricht aus dem Baskenland erfährt, ist er schockiert von der Brutalität der Gewalttat, die Grausamkeit in Guernica lässt seine Empathie für das baskischen Volkes weiter wachsen. 

Im Spanischen Bürgerkrieg ist Ernest Hemingway eigentlich neutraler Beobachter, er hat einen Vertrag mit der Nachrichtenagentur NANA. Seine Depeschen von der iberischen Halbinsel gehören mit zu den besten Kriegsreportagen überhaupt. Zugleich ist der Schriftsteller aber auch mit vollem Herzen auf Seiten der republikanischen Regierung, die sich verzweifelt gegen den Umsturz wehrt.

Die Barbarei in Guernica wird für den Amerikaner aus Chicago zum Sinnbild für das Leid und Elend dieses Krieges unter Brüdern. Die zwei Spanien stehen sich erbarmungslos gegenüber. Links gegen rechts, liberal gegen faschistisch, Tagelöhner gegen Latifundistas. In manchen Fällen geht der Riss quer durch die Familien.

Der Schriftsteller ahnt, dass nun die Desinformation einsetzen wird, er will mit seinen Artikeln dagegen halten. In einem Brief an die Mutter seiner Ehefrau Pauline stellt Ernest die Lage so dar: Gerade machen sie eine riesige Anstrengung, um zu belegen, dass Franco nicht hinter dem Bombardement von Guernica steckt. Gut, ich bin nicht in Guernica gewesen, aber ich war an der Front in Mora del Ebro, in Tortosa, in Reus, in Tarragona, in Sagunto und in vielen weiteren Orten, wo genau dasselbe passiert ist, was er nun bei Guernica abstreitet.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist arbol1-768x1024.jpg

Nur noch der Stumpf ist von dem historischen Baum der Basken verblieben. Einige Meter weiter hat man 2015 einen neuen Baum gepflanzt, den fünften in Generation. Foto: W. Stock, 2024.

Am 4. Juni 1937 hält Ernest Hemingway auf dem Kongress der amerikanischen Schriftsteller in New York einen Vortrag unter dem Titel Faschismus ist eine Lüge. Seine These: Totalitarismus ziehe den totalen Krieg nach sich. Einfach erklärt bedeutet dies, wenn das faschistische Militär eine Schlacht verliert, nehmen sie dafür Rache an unbewaffneten Zivilisten. Es gibt aber auch Hoffnung für den Amerikaner. Eine Sache ist, Guernica zu zerstören. Eine andere Sache ist, es nicht zu schaffen, Bilbao einzunehmen.

Den Überlebenswillen des Baskenvolkes symbolisiert eine Eiche. In Guernica, auf Baskisch Gernika, steht der Gernikako Arbola, der Baum von Guernica. Dieser Baum wacht über die Freiheit und Unabhängigkeit der Basken. José María Iparraguirre hat im Jahr 1853 ein Lied komponiert, das zur inoffiziellen baskischen Nationalhymne wurde. 

Gesegnet sei der Baum von Gernika,
geliebt von allen Basken.
Trage und verbreite deine Frucht in alle Welt,
wir verehren dich, Heiliger Baum.

Als die Franco-Truppen dann Ende April 1937 in Guernica einmarschieren, da finden sie eine Stadt vor, die in Schutt und Asche liegt. Zahlreiche Bewohner haben eine Wache um die Eiche gebildet. Um sie vor den Falangisten zu schützen, die das Wahrzeichen des baskischen Nationalismus fällen wollen.

Der Gernikako Arbola ist für die Basken unantastbar. Die Früchte des Baumes sollen

Loading

Auf der Suche nach der versunkenen Welt des Ernest Hemingway in Pamplona

Banken Pamplona Spanien
Die austauschbaren Bankhäuser machen sich auch in Pamplona breit und drücken die Tradition zur Seite. Foto: W. Stock, 2024.

Hundert Jahre sind eine lange Zeit! Vieles aus der Welt des Ernest Hemingways in Pamplona kann noch heute bestaunt werden. Das Café Iruña, das Bistro Txoko, die Plaza de Toros. Ihnen allen sei ein langes Leben gewünscht. Für viele Mitstreiter kommen die guten Wünsche zu spät. 

So für das Café Kutz, einst zwischen dem Iruña und dem Pasaje de la Jacoba gelegen. Die Lokalität gibt es nicht mehr. Oft hat Hemingway auf der Terrasse des Kutz gesessen. Luis Kutz, der Sohn eines Bierbrauers aus Ulm, der nach Pamplona ausgewandert ist, hat die Bar 1912 gegründet. Ernest erwähnt sie in Tod am Nachmittag.

Auch ein anderer Nobelpreisträger lässt sich oft im Kutz blicken, Camilo José Cela. Er ist Schulfreund des Besitzersohnes José Luis Kutz gewesen. 1961 wird kein gutes Jahr. Die Bar schließt ihre Pforten im gleichen Jahr, in dem sich Ernest Hemingway in Ketchum entscheidet, aus dem Leben zu treten. Statt auf das Café Kutz treffen wir heute auf eine Bank, die sich dort breitgemacht hat, die Banco Bilbao Vizcaya Argentaria.

Die Bar Torino an der Ecke vom Hotel La Perla, auf der Plaza del Castillo Nummer 3, ist ebenfalls Geschichte. Ernest Hemingway nennt die Lokalität Bar Milano in seinem Debütroman Fiesta, leicht abgewandelt. Da ist die Kneipe, sagte Mike. Es war die Bar Milano, eine kleine ungemütliche Bar, wo man essen konnte und wo im Hinterzimmer getanzt wurde. Wir setzten uns an einen Tisch und bestellten eine Flasche Fundador. Die Bar war nicht voll. Es war nichts los.

Ernest Hemingway kommt oft hierher, in den den Julitagen der Sanfermines der Jahre 1953 und 1959. Halb Bar, halb Bierschänke. Heute findet sich dort ebenfalls ein Bankhaus, die Caja Navarra. Geld statt Saufen, im Jahr 1971 muss die Bar Torino zumachen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist MenschenStiere1-1024x768.jpg

Solange in Pamplona noch ein paar Verrückte aus den Peñas herumlaufen, solange sollte uns nicht bange sein um die Zukunft. Foto: W. Stock, 2024.

Das Café Suizo, Hausnummer 37 auf der Plaza del Castillo, hat es seit 1844 gegeben, gegründet von zwei Schweizern, Matossi und Fanconi. Es ist die  älteste Bar von Pamplona. Hemingway erwähnt das Café Suizo in The Sun Also Rises – so heißt die amerikanische Originalausgabe von Fiesta – gleich zweimal. Als die Lokalität, deren Inhaber Deutsch und Englisch spricht.

– Wo wart ihr?
– Hier. Und als hier zugemacht wurde, sind wir in dieses andere Café gegangen. Der alte Mann da spricht Deutsch und Englisch.
– Das Café Suizo.
– Richtig. Scheint ein netter Bursche zu sein. Das Café gefällt mir besser als das hier.
– Tags über ist es nicht so gut, sagte ich. Zu heiß.

Mit 108 Jahren geht dem Café Suizo die Puste aus, 1952 zwängt sich ein Bankhaus in das Gebäude. Die Banco de Bilbao, bis auch diese weggedrückt wird, von einer anderen Bank. Heute findet man dort die Banco de Comercio. Und den Orfeón Pamplonés, den Gesangsverein der Stadt. Heiliger Gesangsverein!, möchte man ausrufen, ist der Bankenboom jene kreative Zerstörung von der die Volkswirtschaftslehre so stolz kündet?

Ein Hoch den Banken? Es scheint wie in anderen Orten. Die Geldhäuser schieben die Historie weg. Möglicherweise ist dies der Preis, den ein Land für

Loading

Der Aficionado Ernest Hemingway wird enttäuscht in Bilbao

Der geschlossene Eingang zur Plaza de Toros de Vista Alegre in Bilbao. Foto: W. Stock, 2024.

Der Amerikaner kennt die Stadt seit seinem Besuch im August 1927, als er und Pauline Nordspanien erkunden und bis nach Santiago de Compostela und La Coruña fahren. Im Sommer 1931 kommt er zurück ins Baskenland. Bilbao is a rich, solid city of great sportsmen and women in which I have numerous friends. So schreibt Ernest Hemingway in The Dangerous Summer. Er habe in dieser reichen und gediegenen Stadt mit den vielen Sportsmännern und Sportsfrauen zahlreiche Freunde.

Bilbao ist in der Tat eine wohlhabende Handelsmetropole an der Küste, mit einem rauen Wetter. Es kann dort, so schreibt Ernest, heiß werden wie in St. Louis am Mississippi. Von allen spanischen Großstädten ist sie wohl die europäischste, mit einer Nähe zu Frankreich. Und dennoch behält diese Kapitale ihr iberisches Flair. Der Schriftsteller aus Chicago mag die Stadt und kann sich gut in ihr bewegen.

Er hat viele Freunde im Baskenland. Juan Duñabeitia, Padre Andrés Untzaín, den Maler José María de Ucelay aus Bermeo. Der Amerikaner ist angetan von der Kultiviertheit der Stadt, Bilbao ist seit jeher ein Fleckchen voller Kunst und Kultur. Architektur und Malerei spielen dort eine große Rolle, heute mehr denn je. Von seinen Tantiemen kauft Hemingway zahlreiche Kunstwerk, er hat auf Finca Vigía eine außerordentliche Collection spanischer Maler an den Wänden hängen.

Am Abend geht der Amerikaner in das lebhafte Stadtviertel Casco Viejo. In den Siete Calles der mittelalterlichen Altstadt finden sich die traditionellen Bars und Restaurants. Die Silhouette der am Nervión gelegenen Markthalle Mercado de la Ribera erinnert an ein Schiff. Die gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert wird von zahlreichen Pintxo-Kneipen umklammert. Ernest mag die Fischlokale wie das Victor Montes an der Plaza Nueva.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Torero1-768x1024.jpg

Demut. Iván Fandiño als Skulptur vor der Plaza in Bilbao. Der baskische Torero stirbt durch eine cornada bei einem Stierkampf 2017 im französischen Aire-sur-l’Adour. Foto: W. Stock, 2024.

Auf seiner Rundreise während der Temporada bucht sich Ernest Mitte August 1959 ins Hotel Carlton von Bilbao ein. Zu jeder Plaza de Toros zieht es ihn wie magisch. Die Stierkampfarena von Bilbao stehe jenen in Pamplona, San Sebastián oder Biarritz in nichts nach. Besonders lobt der Kenner Hemingway die Qualität der Bullen im Baskenland. Antonio wollte seinen Kampf in Bilbao austragen, der schwierigsten Arena in Spanien. Hier sind die Stiere größer, das Publikum strenger und härter.

Der bärtige US-Autor schreibt im Sommer 1959 an seiner üppigen Reportage über das Mano a Mano für die Zeitschrift LIFE. Das Schlusskapitel von The Dangerous Summer spielt in Bilbao. Der Nobelpreisträger wohnt hier dem Zweikampf seines Freundes Antonio Ordoñez mit dem Rivalen Luis Miguel Dominguín bei. Doch in der Arena von Bilbao wird der Kampf kein gutes Ende nehmen. 

Die Ernüchterung wird groß, in jeder Hinsicht. Die Ehefrau des von ihm verhassten Diktators, Carmen Polo de Franco, ist Ehrengast in der Arena. Und Luis Miguel Dominguín wird von einem Kampfbullen so blutig aufgespießt, dass der Matador auf dem Notoperationstisch landet. Der Wettkampf ist damit beendet. Und auch für den Gefährlichen Sommer findet Ernest keinen guten Schluß.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist HemPlakette1-1024x768.jpg

Ein Zitat von Ernest Hemingway befindet sich hoch neben dem Eingangsportal der Plaza de Toros von Bilbao. Foto: W. Stock, 2024.

Doch alles kommt an sein Ende. Im Juli 1961 nimmt sich Ernest Hemingway aus dem Leben. Zwei Monate nach seinem Tod macht auch die Arena in Bilbao dicht. Als wolle sie ihm folgen. Im Jahr 1962 eröffnet die neue Plaza de Toros. Dort, direkt links neben dem Eingang, prangt über Kopfhöhe eine Plakette mit einem Zitat des Schriftstellers. Auf Spanisch und auf Baskisch ist dort zu lesen:

Wenn euch die Hitze nicht abschreckt – diese wirklich schwere und dumpfige Hitze aus den Blei- und Zink-Bergwerken – und wenn ihr gewaltige und stattliche Stiere sehen wollt, atemberaubende Tiere, dann solltet ihr nach Bilbao kommen, während der Feria im August.

Jeder, der durch das Hauptportal die Arena betritt, der kommt heute an Ernest Hemingway vorbei. Als ob es ein krampfhaftes Festhalten an bessere Zeiten symbolisieren möchte. Denn dieser Tage ist der Stierkampf in Bilbao eine tote Leiche. Also doppelt hinüber. Die Gegend um die Plaza de Toros sackt beständig ab, das Areal wird nun als Parkplatz genutzt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist StadionAthletic1-768x1024.jpg

Seit 2013 ist das Estadio de San Mamés die Spielstätte des spanischen Spitzenklubs Athletic Bilbao. Foto: C. Stock, 2024.

Ganz anders ein paar hundert Meter weiter, wo sich das futuristische Stadion des Fußballklubs Athletic Bilbao befindet. Jungs bolzen auf dem Vorplatz herum, ein Fußball-Museum lockt und der Merchandising-Shop macht prächtige Umsätze. Hier spielt die Musik, bekommt der Betrachter unbefangen präsentiert, das Stier-Spektakel ist aus der Zeit gefallen. 

Zwar kommt der gesamte Stierkampf in Spanien an seinem Schutzpatron aus Chicago nicht vorbei. Die Afionados zwischen Baskenland und Andalusien beten ihn an und lieben ihn, weil er so schön über ihre Passion schreiben konnte. Doch Ernesto liegt seit über 60 Jahren auf dem Dorffriedhof von Ketchum in den Rocky Mountains. Und kriegt nicht mehr mit, wie trostlos das Ende von The Dangerous Summer in Wirklichkeit hätte ausfallen müssen.

Loading

Ernest Hemingway und sein Seelenhirte Padre Andrés

Im Baskenland geht für viele der Blick übers Meer. Das Glück muss in der Ferne gesucht werden. So auch bei dem Priester Andrés Untzaín aus Mundaka. Skulptur in Bermeo. Foto: W. Stock, 2024.

Zum Freundeskreis des Schriftstellers auf Kuba gehört der baskische Priester Andrés Untzaín. Wegen seines schwarzen Priestergewandes ruft Ernest ihn liebevoll Don Black. Don Black stammt aus Mundaka, einem Küstenflecken 40 Kilometer nordöstlich von Bilbao. Es ist eines der ältesten Dörfer Spaniens, hier wird Andrés Untzaín im August 1895 geboren.

Nach seiner Priesterweihe übernimmt er die Kirchengemeinde von Kanala, das auf der anderen Seite des Rio de Mundaka liegt. Kanala, damals schrieb man es auf Spanisch als Canala, ist ein hübsches Fleckchen am Meeresarm der rauen baskischen Küste mit Blick auf den Naturschutzpark Reserva de la Biosfera de Urdaibai.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges 1936 steht der Pastor fest auf republikanischer Seite, er wird Militär-Kaplan des baskischen Saseta-Bataillons. El cura rojo – der rote Priester – so nennen ihn die Franco-Getreuen in der Region abfällig. Als die Putschisten im August 1937 das Baskenland einnehmen, flieht Padre Andrés zunächst nach Frankreich. Die Rache der Franquisten macht auch vor Kirchenautoritäten nicht halt. Viele Pfarrer und Nonnen werden erschossen oder ins Gefängnis geworfen.

Ende 1937 erreicht Andrés Untzaín Havanna, wo eine Schwester von ihm lebt. Auf Kuba wird der rote Priester von der dortigen Amtskirche mit Argwohn betrachtet und so setzt man ihn auf eine bitterarme und entlegene Kirchengemeinde, jene von Catalina de Guines und Melena del Sur. Im Jahr 1942 wird er Presbyter und leitet die Pfarrgemeinde von Guara, 40 Kilometer südlich der Hauptstadt. Bei seinen Schäfchen ist der Pastor, von kräftiger und großer Gestalt, überaus beliebt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1HemUntzainCuba1947.jpg

Ein Freundestrio: Ernest Hemingway mit den Basken Juan Duñabeitia (links) und Padre Andrés Untzaín (mit Glas) auf Finca Vigía, Kuba 1947.

Der Kirchenmann bleibt ein baskischer Nationalist durch und durch. Als der Exil-Präsident des Baskenlandes José Antonio de Aguirre der Insel Kuba einen Besuch abstattet, mischt Padre Andrés an vorderster Front mit. Die Daheimgebliebenen spüren währenddessen die Unterdrückung in der Diktatur von General Franco. Ihre Sprache wird verboten, ebenso wie alle baskischen Symbole und die regionalen Parteien.

Padre Andrés Untzaín ist ein Priester, wie man ihn sich wünscht. Umgänglich, leise, offen, er mag den Wein und gutes Essen. Ein Gottesmann, ganz von dieser Welt. Oft besucht er den Frontón des Jai Alai, ohne Soutane, mit einer Zigarre im Mund, in der Hand einen Jaibol, einen Likör mit Wasser, Soda oder einen bloßen Refresco. Und der Priester schaut andauernd nervös auf seinen Wettschein.

Jeden Mittwochnachmittag kommt Don Black zur Finca Vigía. Mit den anderen baskischen Freunden –  den Brüdern Patxi und Julián Ibarluzea, Félix Areitio, bekannt unter dem Spitznamen Ermua, Paco Garay, Juan Duñabeitia – geht es feucht und fröhlich zu. Man isst reichlich, trinkt mehr als üblich, springt in den Pool, schwelgt in Erinnerungen und der Krieg gegen General Franco wird dann irgendwie doch noch gewonnen.

Ein wenig kommt Don Black die Rolle des Seelenhirten von Ernest Hemingway zu, manchmal auch die eines Beichtvaters. Der Schriftsteller ist kein gottesgläubiger Mensch, er ist vielmehr einer von jener Sorte Atheist, der andauernd von Gott redet. Kommt er neu in eine Großstadt, dann ist die Besichtigung der Kathedrale eine Selbstverständlichkeit.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1HemUntzain.jpg

Padre Andrés Untzaín zu Besuch bei Ernest auf der Finca Vigía beim Fachsimpeln über das Pelota-Spiel.

Ernest Hemingway geht die Selbstgewissheit des Katholizismus ab, er bleibt zeitlebens ein Suchender. Jemand, der spürt, dass über den Gesetzen der Natur eine höhere Macht steht. Er möchte diese Autorität begreifen, sie entschlüsseln und in Kontakt mit ihr treten. Mit seinem Freund Andrés Untzaín kann der Schriftsteller über die Ideenwelt des Ignatius von Loyola philosophieren, die Ideenwelt der Jesuiten stößt bei beiden auf Interesse.

In seinem letzten Lebensjahr schreibt Ernest Hemingway in einem Brief an Malcolm Cowley über seine Freundschaft mit dem Priester. Auf Kuba sei Andrés Untzaín einer seiner drei besten Freunde gewesen. Deshalb habe er auch ein Dach für seine Kirchengemeinde gestiftet. Don Andrés, der Gemeindepfarrer auf Kuba, pflegte den Leuten zu sagen, dass er mein geistlicher Lehrer sei. Aber bei mir ist nichts zu gewinnen, außer beim Rennen.

Mit den Jahren auf Kuba mehren sich beim Pater die Probleme mit der Gesundheit. Er geht 1954 zurück in sein baskisches Heimatdorf. Als Pensionär, im Casino von Mundaka, überrascht ihn beim Kartenspiel ein Herzinfarkt. Andrés Untzaín stirbt im Oktober 1955 und wird seiner Heimaterde übergeben.

Als Hemingway im August 1959 in Bilbao weilt, macht er einen Abstecher nach Mundaka. Dort trifft der Nobelpreisträger

Loading

Ernest Hemingway taucht ab in San Sebastián

Eine Bucht, wie vom Künstler gemalt. Die Bahía de la Concha vor San Sebastián. Foto: W. Stock, April 2024.

Der Amerikaner aus Chicago besitzt seit jeher ein Faible für das Meer und für die Städte am Meer. Sein Leben lang zieht es ihn hin zu seinem geliebten blauen Wasser. Einer seiner Lieblingsplätze am Meer liegt im Golf von Biskaya. Ein altes Foto aus dem Jahr 1927 zeigt Ernest Hemingway mit seiner zweiten Ehefrau Pauline in San Sebastián, am Strandabschnitt dieser Muschel-Playa. Er mag die Bahía de la Concha sehr, wie er in seinem Erstling Fiesta verrät.

Als ich aufwachte, war es halb fünf. Ich nahm meinen Badeanzug, wickelte ihn und einen Kamm in ein Handtuch, verließ das Hotel und ging die Straße zur Concha hinunter. Die Flut war etwa zur Hälfte hinaus. Der Strand war glatt und fest, der Sand gelb. Das ganze letzte Kapitel von Fiesta findet in San Sebastián statt.

Jake Barnes, der Protagonist und das Alter Ego Hemingways, kommt in die baskische Küstenmetropole und atmet durch. Nach dem siebentägigen Encierro in Pamplona genießt er an der Küste die Ruhe. Ganz im Einklang mit der Natur. Er schwimmt, er erkundet die Stadt. Alleine. Er taucht ab in diese mondäne Melange aus Spanien und Frankreich. Ihm tut sein Aufatmen gut nach dem krawalligen Wirbel der Sanfermines. Jake besucht die Parte Vieja der Stadt, den Puerto um die Landspitze herum und das Casino. Die Nachmittage verbringt er am liebsten im Café de la Marina.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist HemPaulineSanSebastian-743x1024.jpg

Ernest Hemingway und seine Ehefrau Pauline Pfeiffer im September 1927 am Strand von San Sebastián. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Es ist in San Sebastián, wo Ernest Hemingway im Jahr 1927 das Pelota-Spiel kennenlernt. Der US-Amerikaner wird zu einem begeisterten Anhänger dieses schnellen baskischen Ballspiels und oft findet man ihn in San Sebastián im Frontón Jai Alai, das allerdings im Jahr 1932 seine Pforten schließen musste.

Am Meer lässt sich exzellent speisen, das gute Essen gehört seit eh und je zur baskischen Identität. Das gastronomische Niveau liegt hoch im Norden Spaniens. Gegrillter Lachs mit Sauce béarnaise ist eine von Hemingways Lieblingsspeisen. Im Restaurant Azaldegui, das es heute nicht mehr gibt, hat der Schriftsteller die Regionalküche von San Sebastián, das heute auf Baskisch Donostia heißt, in vollen Zügen genossen.

Im Jahr 1953 trifft Ernesto im Café de la Marina seinen alten Freund Juanito Quintana aus Pamplona, der in der Calle de San Bartolomé eine Ferienwohnung besitzt. Ich ging unter den Bäumen um den Hafen herum zum Casino und dann eine der kühlen Straßen hinauf zum Café Marinas. Im Café spielte ein Orchester, und ich setzte mich draußen davor, genoss die frische Kühle an diesem heißen Tag und trank ein Glas Zitronensaft mit geschabtem Eis und dann einen Whisky mit viel Soda. Ich blieb lange vor dem Marinas sitzen und las und beobachtete die Leute und hörte der Musik zu.

Das Café de la Marina in der Calle Garibai 2 ist heute eine Eisdiele. Auch die Hotels, in denen Hemingway in den 1920er Jahren abstieg, gibt es nicht mehr. Das Hotel Biarritz und das Hotel Suizo sind nicht mehr da. Im Sommer 1959 steigt der Nobelpreisträger im Hotel María Cristina ab. Dieser Luxusbau, im Paseo República de Argentina 4, existiert noch heute. Ob es noch ein Gedenken an Ernest Hemingway gebe, frage ich an der Rezeption. Die Dame schüttelt den Kopf. Er ist Gast bei Ihnen gewesen, bohre ich weiter. Nein, nein, es gibt nichts.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist MariaCristina1-768x1024.jpg

Innen ist das Hotel María Cristina ein kleiner Palast. Nach außen blickt die Luxusherberge auf das Kantabrische Meer und den Rio Urumea. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Region agiert als Schauplatz des letzten Kapitels von Fiesta. Im Werk schwärmt er von der Bahía de Txingudi, der Bucht am französischen Ufer der Bidasoa-Mündung, die Grenzlinie zwischen Frankreich und Spanien. Selbst an einem heißen Tag hat San Sebastián immer etwas Frühmorgendliches. Das Laub an den Bäumen scheint nie ganz vertrocknet. Die Straßen wirken wie frisch besprengt. In manchen Straßen ist es auch an den heißesten Tagen immer kühl und schattig. 

San Sebastián strahlt etwas aus, wie alle Städte am Meer. Eine Offenheit nach draußen, mit vielen Veränderungen, die über den Ozean kommen. Eine Buntheit, die Lust aufs Leben macht. Zugleich allerdings verflüchtigen sich im regen Treiben die Erinnerungen und die Gebräuche. Im Gegensatz zur Provinz besteht eine größere Gefahr, dass man ein wenig nachlässig umgeht mit seiner Tradition.

Loading

Seite 1 von 7

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén