Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Kategorie: Afrika Seite 1 von 2

Ernest Hemingway: The Man with the Tyrolese Hat

Der Querschnitt vom Juni 1936. Das Berliner Magazin veröffentlicht eine lange Passage aus Ernest Hemingways Afrika-Buch. Riskant in Nazi-Deutschland. Exemplar: Archiv Dr. Stock.

Das deutsche Monatsmagazin Der Querschnitt wartet im Juni 1936 mit einer Überraschung auf. Die Zeitschrift veröffentlicht eine kurze Geschichte von Ernest Hemingway. The Man with the Tyrolese Hat wird auf anderthalb Seiten publiziert. Auf Englisch, ganz ohne Übersetzung. Das elitäre Periodikum besitzt intellektuelles Gewicht: Es erscheint in Berlin, dort im renommierten Propyläen-Verlag, später im Heinrich Jenne Verlag.

Ernest hat bereits in den 1920er Jahren in Der Querschnitt veröffentlicht. Insbesondere seine Kurzgeschichte The Undefeated (zu Deutsch später bekannt als Der Unbesiegte). Beim Querschnitt heißt die Geschichte knapp Stierkampf, sie wird in zwei Teilen im Sommer 1925 abgedruckt. Ein halbes Dutzend Stücke aus der Feder von Ernest Hemingway ist zwischen Herbst 1924 und Juli 1925 in der manchmal arg versnobten Zeitgeist-Gazette veröffentlicht worden.

Der Mann aus Chicago, der in Paris lebt, ist sehr dankbar für die Publizierung in dem bekannten Magazin aus Deutschland. Denn es gibt ein schönes Honorar und – vor allem – es hebt das Selbstwertgefühl des damals noch völlig unbekannten Novizen. Sein Durchbruch als Schriftsteller sollte erst im Oktober 1926 mit The Sun Also Rises (in Deutschland und Europa: Fiesta) stattfinden.

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Im 16. Jahrgang kommt Ernest Hemingway zurück zu seinem Entdecker-Magazin Der Querschnitt. Archiv: Dr. Stock.

Das neue Stück The Man with the Tyrolese Hat ist ein opulentes Fragment aus Die grünen Hügel Afrikas, das im Oktober 1935 als Green Hills of Africa im Verlag Charles Scribner’s Sons in New York erschienen ist. In Hemingways Jagdgeschichten, sie basieren auf den Erlebnissen seiner Ostafrika-Safari im Januar und Februar 1934, kommt es zu einer skurrilen Begegnung.

In der Steppe begegnet Hemingway einem österreichischen Jagdkameraden in Lederhose und mit Tirolerhut auf dem Kopf. Und es entspinnt sich unter afrikanischer Sonne eine muntere Konversation. Der Mann mit dem Tirolerhut erzählt von diesem Aufeinandertreffen in der Savanne.

„Hemingway ist meine Name.“
„Kandisky“, sagte er und verbeugte sich. „Den Namen Hemingway habe ich schon einmal gehört. Wo? Wo habe ich ihn schon gehört? Ach, ja. The Dichter. Kennen Sie Hemingway, den Dichter?“
„Wo haben Sie etwas von ihm gelesen?“
„Im ‚Querschnitt‘.“
„Das bin ich“, sagte ich, hocherfreut. ‚Der Querschnitt‘ ist eine deutsche Zeitschrift für die ich einige Gedichte geschrieben hatte und wo eine lange Geschichte von mir veröffentlicht wurde, Jahre bevor ich etwas in Amerika verkaufen konnte. 

Die beiden Waidmänner fachsimpeln in der afrikanischen Steppe über deutsche Literatur und Autoren. Über Ringelnatz, über Heinrich Mann und über Rainer Maria Rilke. Über Vorzüge, Sympathien und persönliche Aversionen. 

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Nur auf Englisch. Um vielleicht die Zensur zu überlisten? The Man with the Tyrolese Hat. Exemplar Archiv Dr. Stock.

Der Abdruck von Ernest Hemingway Story in Der Querschnitt vom Juni 1936  ist bemerkenswert. Denn der US-Amerikaner steht auf der Schwarzen Liste der Nationalsozialisten, die seit drei Jahren Deutschland eng im Würgegriff halten. Nach der Machtergreifung der braunen Despoten ist Ernest Hemingways Buch In einem andern Land bei den Verbrennungen im Mai 1933 in die Flammen geworfen worden.

Dem Schriftsteller, der nun in Key West lebt, wird vorgeworfen, den Krieg in den Dreck zu ziehen. Als Folge: Ernest Hemingway wird in Deutschland nicht mehr publiziert. So darf die deutsche Ausgabe von Green Hills of Africa in der Nazi-Zeit nicht erscheinen, das Buch wird als Die grünen Hügel Afrikas erst im Jahr 1954 im Hamburger Rowohlt Verlag mit fast 20 Jahren Verzögerung erstverlegt.

Trotz Verbot und Zensur besitzt die Berliner Zeitschrift den Mut, eine Geschichte des Verfemten zu drucken. Herman von Wedderkop, ein Förderer Hemingways, hat im April 1931 als Chefredakteur und Herausgeber abgedankt. Die Zeiten bleiben auch unter neuer Leitung hart. Zu den wirtschaftlichen Zwängen kommt ab 1933 die politische Pression, zu sehr eckt die extravagante Publikation bei den Nazis an. Vier Monate nach der Tirolerhut-Story schlägt die letzte Stunde des Magazins.

Im Oktober 1936 wird Der Querschnitt, zu diesem Zeitpunkt mit einer Auflage von 16.000 Exemplaren, von der Hitler-Diktatur verboten. Wobei Hemingway nicht der direkte Anlass gewesen ist. Bösartig und staatsfeindlich ist den Nazis ein Artikel unter der Überschrift Fremdwörterbuch aufgestoßen. So ist dort der Begriff absurd definiert worden als

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Ernest Hemingway und Leni Riefenstahl

Ernest Hemingways Kaleidoskop aus Afrika. Ein eher misslungenes Werk des späteren Nobelpreisträgers.

Ende Oktober 1935 veröffentlicht Ernest Hemingway sein Buch Green Hills of Africa. Darin verarbeitet der bekannte und erfolgreiche Schriftsteller, er lebt mittlerweile in Key West, seine Safari-Erlebnisse aus dem Frühjahr 1934 in Tansania. Die grünen Hügel Afrikas ist ein Werk, das die Faszination des schwarzen Kontinents in den USA und weltweit in den Blickpunkt rücken wird.

Im gleichen Zeitraum hat in Deutschland die Regisseurin Leni Riefenstahl ihre Dokumentation Triumph des Willens abgedreht und geschnitten, im März 1935 wird der Film in Berlin uraufgeführt. Der Streifen ist eine nationalsozialistische Propaganda-Agitation über den Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg. Ein ziemlich übles Machwerk, manipulativ und suggestiv, das handwerklich allerdings neue Maßstäbe setzt.

Helene Riefenstahl, genannt Leni, schwingt sich mit ihren prahlerischen Filmen auf zu einer umstrittenen Person des Kulturbetriebes. Im August 1902 in Berlin geboren, wird sie in den 1930er Jahren zur führenden Regisseurin in Deutschland. Wegen ihrer innovativen Kameraperspektiven und der kreativen Schnitttechnik wird sie von vielen Fachleuten als beste ihres Fachs gesehen. Doch der Ruhm ist teuer erkauft. Eine blinde Verehrung von Adolf Hitler und des Nationalsozialismus wird ihr vorgehalten.

Auch der zweiteilige Dokumentarfilm Olympia aus dem Jahr 1938 – eine Huldigung an die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin – wird von Kennern als ästhetisches Meisterwerk gelobt. Zugleich hinterlässt die Überhöhung des Körperkults jedoch einen schalen Nachgeschmack, doch Leni Riefenstahl stört die Nähe zur braunen Ideologie wenig. Während des Zweiten Weltkriegs filmt sie mit einem Sonderfilmtrupp den deutschen Überfall auf Polen.

In der Nachkriegszeit – sie wird von den entnazifizierenden Spruchkammern gnädig als Mitläuferin eingestuft – fällt es ihr schwer, den Anschluss zu finden. Zu sehr scheint ihr Œuvre mit dem NS-Regime verbandelt. Der irische Filmhistoriker Liam O’Leary bringt den Widerspruch von Werk und Person wunderbar auf den Punkt: „Leni Riefenstahl war ein künstlerisches Genie und ein politischer Trottel.“

Nach dem verlorenen Krieg geht ihr Blick nun in die Ferne. Ab 1956 reist die resolute Regisseurin mit der Kamera monatelang durch Schwarzafrika, sie besucht Kenia, Tansania, Uganda und den Sudan. Ihre Technik der Über-Ästhetisierung überträgt sie dabei auf schwarze Menschen, als wolle sie der Welt und wohl auch sich selbst beweisen, keine Rassistin zu sein.

Die Regisseurin verlegt sich nun auf das Fotografieren. Sie publiziert zwei Bücher über die Nuba, eine afrikanische Volksgruppe, die im Süden des Sudan lebt. Die Berlinerin bleibt sich treu. Auch auf ihren Fotos aus der Savanne finden sich formvollendetes Ebenmaß und stilvolle Grazie. Sie gibt sich arglos, ihr Ziel sei bloß, „dem Ungewöhnlichen und dem Schönen nachzujagen.“

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Eine Ästhetik der Schönheit. Die Nuba im Südsudan.

Angeregt zu ihrer afrikanischen Leidenschaft wird Leni Riefenstahl durch den Amerikaner Ernest Hemingway. In einer schlaflosen Nacht, so erzählt sie, nimmt sie Die grünen Hügel Afrikas zur Hand und wird sogleich ergriffen von der Faszination eines Fleckens, „wo man freier atmen und glücklicher sein konnte.“ Von Hemingways Buch, es ist 1954 in Deutschland verlegt worden, wird sie derart inspiriert, dass ihre Sehnsucht fortan dem schwarzen Kontinent gilt.

Ähnlich wie der Schriftsteller wird Riefenstahl sofort überwältigt von der Kraft der tropischen Natur. „Als ich in Afrika war, dieser Schimmer, dieses Licht, die Wärme, die Hitze und die Farbenpracht, all das, was ich in Afrika vorfand, war so verschieden von den Eindrücken in Europa, all das faszinierte mich tief. Es erinnerte mich an die impressionistischen Maler, an Manet, Monet und Cézanne.“

Freilich gibt es einen Unterschied zwischen dem afrikanischen Werk von Hemingway und dem von Leni Riefenstahl. Die eher diffusen Schilderungen von wilden Tieren, der Jagd und dem Töten und Saufen gehören

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Eine etwas andere Sichtweise auf Hemingway & Co.: 111 Actionszenen der Weltliteratur

Ernest Hemingway
Actionszenen der Weltliteratur
Eine wunderbare Neuerscheinung. Die andere Bibliothek: 111 Actionszenen der Weltliteratur.

In diesem neuen Buch zeigen sich gefeierte Autorinnen und Autoren der Weltliteratur, wie wir sie bislang noch nicht kannten: mitten im Geschehen, im Nahkampf und im Getümmel. Als Schurken, als Opfer oder als Helden. Tolstoi, Proust, Shelley, Oscar Wilde, James Joyce und viele andere Berühmtheiten in Action!

Und der Leser ist mitten drin. Als Cervantes in der Schlacht von Lepanto kämpfte. Als Tolstoi von einem Bären gebissen wurde. Als Jules Verne Achterbahn fuhr und Antoine de Saint-Exupéry vier Bruchlandungen überstand. Als die Schwestern Brontë den Weltuntergang erlebten. Als Marcel Proust sich duellierte und die Polizei nach Agatha Christie fahndete. Als Mary Shelley am Genfer See ihr Monster traf und Emily Dickinson den Sturm der Liebe erlebte. Als Bob Dylan sich in Woodstock das Genick brach und David Foster Wallace im Fitnessklub zu Boden ging.

Diese Neuerscheinung sammelt die besten Stories aus der gleichnamigen Kult-Serie in der LITERARISCHEN WELT, die von Mara Delius und Marc Reichwein herausgegeben wird. Eine andere Geschichte der Literatur, in deren Licht sich die herkömmlichen Literaturgeschichten allesamt blass und anämisch ausnehmen. Die grandiose grafische und editorische Gestaltung dieser Novität durch Paul Fretter und Manja Hellpap im Rahmen der Anderen Bibliothek im Aufbau Verlag bleibt hervorzuheben.

Auch Ernest Hemingway mischt bei diesen Actionszenen mit. Wie sollte es anders sein! Ich habe die Freude, in dem Band von seinen zwei Flugzeugabstürzen in Ostafrika zu berichten. Action genug. So schlimm, dass die beiden Unglücke im Jahr 1954 so etwas wie

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Tania Blixen schreibt einen Brief an Ernest Hemingway

Tania Blixen: Jenseits von Afrika. Ein Bestseller aus dem Jahr 1937. Bis heute.

Karen Blixen (1885 – 1962) ist eine dänische Schriftstellerin, die siebzehn Jahre in Kenia gelebt und dort eine Kaffeefarm aufgebaut hat. Auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht sie unter dem Pseudonym Tania Blixen, die englischsprachigen Bücher weisen als Autorennamen Isak Dinesen aus, in Anlehnung an ihren Mädchennamen.

Weltberühmt wird Tania Blixen im Jahr 1937 mit ihren autobiographischen Erinnerungen Out of Africa. Als Jenseits von Afrika hat das Buch in Deutschland seit Jahren eine Renaissance erlebt. Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß des Ngong-Gebirges, so beginnt der Roman, wie auch die Verfilmung mit Meryl Streep und Robert Redford aus dem Jahr 1985.

Die Äquatorlinie zog sich 25 Meilen weiter nördlich durchs Hochland, doch meine Farm lag 2000 Meter über dem Meer. Mitten am Tag konnte man diese Höhe und die Nähe der Sonne wohl empfinden, aber nachmittags und abends war es klar und kühl, und die Nächte waren kalt.

Das ist ein Hemingway-Anfang. Lakonisch, authentisch, in den Naturbildern schwelgend. Beide eint die Liebe zum Kontinent. Jenseits von Afrika ist eine Liebeserklärung an den Schwarzen Erdteil und an seine Bewohner. Doch das Leben ist hart in der Buschsteppe, sie verliert den Mann, dann den Geliebten und schließlich auch ihre Farm. Für Tania Blixen, zurück in Dänemark, bleibt Afrika wie ein ferner Wunschtraum. Das Paradies ist Gottes Hab und Gut, der kleine Mensch kann nur ausborgen.

Als Ernest Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur erhält, sagt der Amerikaner in seiner Dankesrede, Tania Blixen habe die Auszeichnung eher verdient als er. Daraufhin schreibt die dänische Schriftstellerin – unter dem Datum 1. November 1954 – einen Brief an den frisch gekürten Nobelpreisträger. 

Lieber Ernest Hemingway,

Die dänischen Zeitungen berichten, dass Sie bei der Verleihung des Nobelpreises mir die Ehre erwiesen haben, mich als eine der Autoren zu erwähnen, die den Preis eher verdient haben.

In der Hoffnung, dass diese Information wahr ist, danke ich Ihnen sehr für diese freundlichen Worte. Sie bereiten mir in diesem Moment, glaube ich, viel himmlische Freude. Wenn auch nicht so viel irdischen Nutzen, wie der Nobelpreis mir selbst gegeben hätte.

Ich habe Ihnen vielerlei zu verdanken. Ihre Bücher – seit ich zufällig „Fiesta“ in meiner Stamm-Buchhandlung in Nairobi entdeckte – haben mir sehr viel bedeutet. „Der alte Mann und das Meer“ war wie eine Heilquelle für mich oder wie eine Umarmung.

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Ernest Hemingway: Schnee auf dem Kilimandscharo. Drei Übersetzungen

Ernest Hemingway: The Snows of Kilimanjaro (Schnee auf dem Kilimandscharo).

Wohl die schönste Prosa aus der Feder von Ernest Hemingway. The Snows of Kilimanjaro. Zu Deutsch: Schnee auf dem Kilimandscharo. Eine eher lange Kurzgeschichte von etwa 40 Seiten.

Im August 1936 wird diese Short Story in der Zeitschrift Esquire erstveröffentlicht und im Jahr 1938 in die Sammlung The Fifth Column and the First Forty-nine Stories aufgenommen. 
Der Schriftsteller Harry, auf Safari in Ostafrika, liegt im Sterben, der schneebedeckte Gipfel des Kilimandscharo in Sichtweite. Nachstehend eine meiner Lieblingsstellen.

All he could see, as wide as all the world, great, high, and unbelievably white in the sun, was the square top of Kilimanjaro. And he knew that there was where he was going.
Ernest Hemingway, 1936

  • Dort vor ihnen, so weit er sehen konnte, so weit wie die ganze Welt, groß, hoch und unvorstellbar weiß in der Sonne war der flache Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wußte er, dorthin war es, wohin er ging. 
    Annemarie Horschitz-Horst, 1961
  • Und er sah, weit wie die ganze Welt, riesenhaft und hoch und unglaublich weiß in der Sonne, den breiten Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, das war der Ort, an den er ging.
    Werner Schmitz, 2015
  • Dort vor ihnen, so weit das Auge reichte, so fern wie die ganze Welt, großartig, gewaltig und unvorstellbar weiß in der Sonne war der kantige Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, dorthin war es, wohin er ging. 
    Wolfgang Stock, 2023

Man kann die Prosa des Ernest Hemingway verschieden übersetzen. Man muss sich nur tief einfühlen in seine Welt. Übersetzungen von Hemingway sind fast

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Fantastisch: Schnee auf dem Kilimandscharo

Die beste Kurzgeschichte von allen. Ernest Hemingway: Schnee auf dem Kilimandscharo.

Literarisch fängt Ernest Hemingways Kurzgeschichte Schnee auf dem Kilimandscharo mit einem Erdbeben an – und steigert sich. Der Kilimandscharo ist ein schneebedeckter Berg von 6.007 Metern Höhe und soll der höchste Berg Afrikas sein. Sein westlicher Gipfel heißt in der Sprache der Massai ‚Ngàje Ngài‘, das Haus Gottes. Dicht unter dem westlichen Gipfel liegt der ausgedorrte und gefrorene Kadaver eines Leoparden. Niemand kann sagen, was der Leopard in dieser Höhe gesucht hat.

So lautet das rätselhafte Vorzitat von Schnee auf dem Kilimandscharo, das auch im Originaltext kursiv gesetzt wird. Ernest Hemingway deutet schon in dieser Einleitung eine tiefe Sehnsucht an. Den hohen Gipfel des Kilimandscharo erreichen. Hin zu Gott. Offen lässt der Autor, ob er philosophisch zu Gott strebt, weil er den Sinn in seinem Leben sucht. Oder ob er gottesgleich von oben herrschen will. Unsterblich sein, auch diesen Wunsch mag er in sich tragen.

Die Handlung ist schnell erzählt: Der Schriftsteller Harry, mit Ehefrau Helen, befindet sich auf Fotosafari in Ostafrika. Dort erkrankt er schwer, ein kleiner Dorn hat sich ins rechte Knie geritzt, der Wundbrand befällt schließlich das ganze Bein. An medizinische Hilfe ist in der einsamen Steppe nicht zu denken. Die Natur, sonst lieblich und trostreich, wirkt bei Hemingway mit einem Mal bedrohlich. Hyänen und Aasgeier tauchen auf – der Geruch des Sterbenden zieht sie an.

Auch als Lebensbeichte des Ernest Hemingway kann man diese Kurzgeschichte lesen. Harry ist seiner Ehe mit Helen, einer reichen Frau überdrüssig, seine Seele hat Fett angesetzt. Trägheit, Snobismus und Hochmut haben sich in sein Leben geschlichen. Der stolze Schriftsteller Harry ist es leid, sich aushalten zu lassen. Im richtigen Leben ist es ähnlich. Die Kurzgeschichte, im Jahr 1936 erstmals veröffentlicht, ist ein Tiefschlag für Ernests Ehe mit Pauline Pfeiffer.

Ernest Hemingway ist – wie immer – leicht zu entschlüsseln, weil er sich allen Kummer von der Seele schreibt. So auch in Schnee auf dem Kilimandscharo: Überdeutlich wird die zweite Mrs. Hemingway in der Figur der Helen nachgezeichnet. Auch Paulines Familie ist steinreich, ihr Uncle Gus zahlt dem jungen Ehepaar so ziemlich alles. Er schenkt der vierköpfigen Familie das herrschaftliche Haus in Key West, er finanziert die mehrmonatige Safari nach Afrika.

Die Streitereien zwischen Harry und Helen wirken zunächst wie die Aufforderung an ihn selbst, sein Leben nicht durch Komfort und Bequemlichkeit zu vergeuden. Wo andere dem Ehepartner die Scheidungspapiere schicken, schickt Ernest Hemingway eine Kurzgeschichte. Der kernige Abenteurer hat die Schnauze voll von der erzkatholischen Pauline und dem wohlfeilen Gepränge. Sein Blick richtet sich auf Wichtigeres – den Bürgerkrieg in Spanien – und auf eine neue Frau. Martha Gellhorn.

Diese wunderbare short story, eine der besten aller Zeiten, verdichtet Hemingways Themen: Leben, Liebe und Tod. Unverblümt findet in Schnee auf dem Kilimandscharo unter den Augen der gesamten Leserschaft ein persönliches Tabula rasa statt. Ein – trotz aller Erfolge – an sich zweifelnder, unzufriedener Ernest Hemingway unterzieht sein Denken, sein Verhalten und seine Werte einer schonungslosen Prüfung, so als habe seine letzte Stunde geschlagen. Und er scheut nicht, eigene Fehler einzugestehen.

Insofern verwundert es nicht, dass der im Sterben liegende Harry zahlreiche Rückblenden auf seinen – ergo Hemingways – Lebensweg einbaut. Der Schriftsteller Harry erinnert sich in poetischen Rückschauen an seine Anfangsjahre in Paris mit der ersten Ehefrau, an die Schneeurlaube im österreichischen Winter, an Triberg im Schwarzwald und an seine erotischen Eskapaden in Konstantinopel. 

Der bärtige Autor aus Chicago, jener Leopard unter den Schriftstellern, will das

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Ernest Hemingways zweite Safari in Afrika

Mutter Erde. Ernest Hemingway inmitten eines Massai-Stammes, in Ostafrika, im Jahr 1953. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston. Public Domain

Von August 1953 bis März 1954 dauert die zweite Jagdreise Ernest Hemingways nach Ostafrika. Sie führt ihn durch Belgisch Kongo, Uganda und Kenia. Der legendäre Jäger Philip Percival wird aus dem Ruhestand in Machakos geholt, die kenianische Regierung unterstützt das Vorhaben in der Hoffnung auf dollarschwere Touristen. Finanziert wird die Exkursion durch das Hochglanz-Magazin LOOK, der bekannte Schriftsteller soll in dem Magazin über Afrika berichten. Starfotograf Earl Theisen wird die Expedition begleiten und für grandiose Fotos sorgen.

Die Hemingways besuchen zunächst Ernests Sohn Patrick, der sich seit kurzem in Tanganjika als Farmer und Safari-Veranstalter niedergelassen hat. Danach geht es auf die Jagd, es ist wie immer. Löwen schießen, Nashörner, Leoparden, Antilopen. Ernest Hemingway – der Großwildjäger, der Macho-Mann und der Säufer. Wie schon in Spanien beim Stierkampf kultiviert der bärtige Autor sein Image als stahlharter Abenteurer und erfolgreicher Jäger. Und als Gebieter über die Tiere. Trotzdem bleibt Ehrfurcht: The man is not a great thing in front of the great birds and the wild animals.

Ernest Hemingway befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Doch die zweite Safari des weltbekannten Autors, genau zwei Jahrzehnte nach seiner ersten, endet im Desaster. Bei den Murchison Falls erleidet das Ehepaar Ende Januar zwei Flugzeugunglücke in Folge, Ernests Leben hängt am seidenen Faden. Er überlebt, doch die inneren Verletzungen werden ihn bis an sein Lebensende plagen.

Als der LOOK-Fotograf Earl Theisen vorzeitig abreist, geschieht etwas Merkwürdiges: Ernest scheint von einem Tag auf den anderen wie ausgewechselt. Er verliert das Interesse an der Jagd, befasst sich mehr mit den Tieren, der Flora und wendet sich den Massai zu. Der Mann aus Chicago taucht ein in ihre Welt, ergründet ihre Fertigkeiten und entschlüsselt die Bräuche der Halbnomaden, ihre Tänze und die Musik. Es ist für ihn mental ein trotziges zurück zum Einfachen und Ursprünglichen. Zur Natur, wie in den Kindheitstagen am Lake Michigan.

In den flachen Steppen Ostafrikas, bei den Massai, lernt er das Umherschleichen, es gibt keinen besseren Jäger als einen Massai mit seinem Speer. Die Massai trinken saroi, das Blut ihrer Rinder, das sie

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Ernest Hemingways erste Safari in Afrika

Ben Fourie, Charles Thompson, Philip Percival und Ernest Hemingway mit dem Geweih einer Kudu-Antilope in Tanganjika, Tansania, im Februar 1934. Credit Line: Ernest Hemingway Photograph Collection, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

In seinem Leben unternimmt Ernest Hemingway zwei große Afrika-Reisen. Die erste im Jahr 1933, die zweite zwei Jahrzehnte später im Jahr 1953. Man darf sich solche Reise nicht als Wochenendaufenthalte vorstellen, wie heute. Vielmehr lassen sich Hemingway und seine Entourage monatelang in den Steppen und Savannen des Kontinents treiben. Auch die Kosten haben es in sich, die erste Reise nach Ostafrika schlägt mit 25.000 Dollar zu Buch, auf heutige Kaufkraft umgerechnet muss man den Betrag um das achtfache anheben. Glücklicherweise öffnet Paulines Uncle Gus seinen prallen Geldbeutel.

Am 22. November 1933 brechen Ernest Hemingway, seine zweite Ehefrau Pauline und Charles Thompson, ein Freund aus Key West, zur Safari-Reise auf. Von Paris aus geht es nach Marseille, wo sie die General Metzinger besteigen, das Schiff wird sie nach Mombasa bringen. Am 9. Dezember treffen sie in Kenias Hafenstadt ein und logieren eine Nacht im Palace Hotel. Am nächsten Tag geht es dann nach Nairobi, wo sie im New Stanley Hotel unterkommen.

Vier Tage vor Heiligabend brechen die Hemingways im Anschluss auf zu ihrer Safari. Der Jagdausflug wird von Philip Percival geleitet, dem legendären weißen Jäger, der im Jahr 1909 schon Jagdführer von Theodore Roosevelt gewesen ist. Percival meint, der Schriftsteller ähnele von der Physiognomie dem ehemaligen US-Präsidenten. Hemingway ist gerührt, denn Teddy Roosevelt zählt zu seinen Jugendidolen.

Doch dann haut es Ernest Hemingway um. Mitte Januar erkrankt der Autor an Amöbenruhr, einer widrigen Infektion des Darmtrakts. Er wird mit dem Flugzeug zurück nach Nairobi geflogen, wo er sich nach einem kurzen Krankenhaus-Aufenthalt im New Stanley Hotel erholt. Nach einer Woche stösst er dann wieder zum Safari-Trupp in der Serengeti hinzu.

Die Jagdgesellschaft zieht weiter in Richtung Süden, bis nach Tansania. Besonders der Kilimandscharo, dessen Gipfel ganzjährig von einem Schneegletscher gekrönt wird, beeindruckt den Schriftsteller. Am Lake Manyara und im Tarangire Nationalpark geht es dann weiter auf die Großwildjagd.

Schon am Morgen, noch bevor die ganze Schar aufbricht, greift Ernest Hemingway zur Whiskeyflasche. Dennoch wird

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Der schönste Hemingway-Satz: Afrika wird zerstört

Ein Kontinent altert schnell, sobald wir kommen. Die Eingeborenen leben mit ihm in Harmonie. Doch der Fremde zerstört… Ernest Hemingway, Die grünen Hügel Afrikas, 1935.

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Als Ernest Hemingway zwei Flugzeugunglücke in Folge überlebte

Die Tageszeitungen weltweit rätseln: Ist Ernest Hemingway tot?

Vor 60 Jahren beendete der Weltautor sein Leben, ein Auslöser ereignete sich sieben Jahre früher.

Von Frankreich aus reisen im August 1953 Ernest Hemingway und seine Frau Mary zu einer mehrmonatigen Safari nach Ostafrika. Zuvor haben sie im Juli das Bullenrennen der Sanfermines in Pamplona besucht, das alljährliche Spektakel wird zu einem heiligen Termin im Kalender des US-Autors.

Am 23. Januar 1954 gerät die gemietete Cessna mit dem Ehepaar Hemingway an Bord im Nordwesten Ugandas ins Trudeln. Bei Murchison Falls, einem Bergsturz am Viktoria-Nil, der auf dem Landweg schwer zu erreichen ist. Zuvor haben die Hemingways einige Runden über dem Wasserfall gedreht, der 42 Meter in die Tiefe stürzt. Fünf Kilometer unterhalb des Katarakts kracht der einmotorige Propellerflieger dann mit einer Bruchlandung zu Boden.

Ein zweites Flugzeug, eine britische De Havilland Dragon Rapide, mit dem das verletzte Ehepaar am nächsten Tag von Butiaba nach Entebbe zurückkehren will, fängt beim Abflug Feuer. Der Pilot Reginald Cartwright und Miss Mary, die vorne sitzen, winden sich flink aus dem zweimotorigen Doppeldecker. Doch bei Ernest, der auf der Rückbank kauert, klemmt die Hintertür. Mit Schulter und Schädel als Rammbock findet schließlich auch der Schriftsteller nach draußen.

Die Nachrichtenagentur United Press schickt am 24. Januar 1954 eine Eilmeldung samt Foto um den Globus. „Kampala, Uganda, Afrika: Der bärtige Pulitzer-Gewinner, der Autor Ernest Hemingway, und seine Frau sind vermutlich bei einem Crash mit ihrem gecharterten Flugzeug im Urwald von Uganda ums Leben gekommen. Ein Flieger, der die Unglücksstelle überflog, konnte kein Lebenszeichen ausmachen.“

Die Hemingways jedoch überleben beide Flugunglücke, die Verletzungen stellen sich allerdings als verheerend heraus, besonders bei Ernest. Der Schriftsteller erleidet eine schwere Gehirnerschütterung, die Schulter wird ausgekugelt, dazu kommen Darmquetschungen, ein Nierenriss und die Verletzung der Leber. Schmerzvoll sind die Verbrennungen an Beinen, am Bauch, am rechten Unterarm und am Kopf.

Zeitungen in den USA drucken, meist riesig auf der Titelseite, Meldungen vom Tod des Schriftstellers. Und Ernest Hemingway darf im fernen Afrika seinen eigenen Nachruf lesen. Trotz seiner Verletzungen trägt der Autor sein Schicksal mit Galgenhumor. Die schlimmste Explosion war die, als die Carlsberg Bierflaschen hochgingen, der Grand Macnish Scotch machte auch einen gehörigen Krach, aber am lautesten explodierte der Gordon’s Gin, schildert er seinem Freund A. E. Hotchner in der Biografie Papa Hemingway, die 1966 erscheinen wird.

Seine gute Laune hat er nicht verloren, in Wirklichkeit jedoch leidet der Schriftsteller unter höllischen Schmerzen. Die Unfälle beeinträchtigen sein Seh- und Hörvermögen, es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren und auch das Schreiben bereitet ihm Mühe.

Der Abenteurer wirkt nicht mehr so kernig wie früher. Er ist erst Mitte fünfzig und sieht doch

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