Ein Geist von Konstantinopel durchzieht das Pera Palace Hotel in Istanbul noch heute. Foto: W. Stock, Februar 2020

Wenn man von der Meşrutiyet Caddesi-Strasse in die Welt von Konstantinopel eintritt, wird dem Gast von einer zuvorkommenden Hotelangestellten, bevor die Formalitäten anfangen, zunächst ein kleines Glas mit frischem Tee gereicht. Und einen besseren Tee habe ich in den besten Häusern nicht getrunken. Das Pera Palace achtet mit Bedacht seine Tradition. Pera, so lautet der Name eines Stadtteils nördlich vom Goldenen Horn im europäischen Teil der Stadt, heute heißt der Stadtbezirks Beyoğlu. Alleine der Name Pera Palace Hotel ist insofern eine Ansage.

Glückliche Fügungen sorgen dafür, dass die reiche Tradition nicht zerbröselt, zumal sich akkurate Zeitgenossen finden, die in den Erhalt eines solchen Prachtstückes investieren. Ein ehrwürdiges Grand Hotel braucht mit der Zeit eine technische Generalüberholung, in den Jahren von 2006 bis 2010 schließt das Pera Palace komplett und unterzieht sich einer gründlichen Renovierung. Die 115 Zimmern und 16 Suiten glänzen nun hell und hinter all der Patina steckt ein moderner Standard, der Zeit angepasst, ohne das Flair der guten Tage zu verlieren. Lobby, Orient Bar, die Restaurants, eine Patisserie, das SPA glänzen nun mit dem Angebot von heute und mit dem Esprit der Gründertage.

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Glaskuppeln wie im Sultans-Palast erhellen das Pera Palace. Foto: W. Stock, Februar 2020

Das Hotel Pera Palas, international Pera Palace apostrophiert, wird Anfang des 20. Jahrhunderts schnell zum ersten Haus am Platz. Eigentlich ist es für die Kunden des Orient-Express gebaut worden. Die Gäste, die aus Paris im Luxuszug anreisen, verlangen auch am Reiseziel nach einer entsprechenden Unterkunft.

Der türkisch-französische Architekt Alexandre Vallaury lässt den Hotelkomplex, der sich über einen ganzen Strassenzug erstreckt, ab dem Jahr 1892 erbauen, 1895 wird das Haus eröffnet. Das Luxushotel mit Blick auf den Bosporus beherbergt forthin Monarchen, Staatsoberhäupter, Wirtschaftskapitäne und berühmte Schriftsteller.

Die Fassade ist im Neo-Rokoko gestaltet, das ist jener Stil, bei dem es mit den Schnörkeln immer ein wenig übertrieben wird. Innen überwältigt den Gast ein Mix aus Modernisme und orientalischem Prunk wie im Sultans-Palast. Glitzernde Kronleuchter, Lichtkuppeln in Art déco, feinste Polstermöbel, der Geist Konstantinopels hat sich im Pera Palace festgebissen und will nicht weichen.

Da es zu Ende des 19. Jahrhunderts mit der Motorisierung noch nicht so weit her ist, werden die geneigten Gäste am Zielbahnhof des Orient-Express, dem Sirkeci Garı, abgeholt und einzeln in hauseigenen Sänften die zweieinhalb Kilometer in die Luxusherberge getragen. Später reist das Klientel mit der Limousine an. Die Gästeliste des Pera Palace ist an Wohlklang nicht zu überbieten: Greta Garbo, Sarah Bernhardt, Mata Hari, Alfred Hitchcock nächtigen in dem Hotel.

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Eine Sänfte, in der die Gäste des Orient-Express vom Bahnhof ins Luxushotel getragen wurden, lässt sich im Pera Palace noch heute bestaunen. Foto: W. Stock, Februar 2020.

In der Türkei hat das Pera Palace Standards an Komfort und Eleganz gesetzt. Als erstes Hotel überhaupt erhält es 1895 einen Fahrstuhl, mit dem Schindler-Aufzug aus der Schweiz kann man noch heute die sechs Stockwerke befahren. Es ist dies der allererste Elevator in der Türkei gewesen und der zweite in Europa überhaupt.

Die Britin Agatha Christie hat Anfang der 1930 Jahre in Zimmer 411 ihren packenden Kriminalroman Mord im Orient-Express geschrieben. Das ist ein Krimi von klassischer Raffinesse: Der Orient-Express, auf der Fahrt von Istanbul nach Paris, bleibt in Jugoslawien in einer Schneeverwehung stecken, ein amerikanischer Reisender wird mit zwölf Messerstichen ermordet aufgefunden. Der Mörder kann den Zug nicht verlassen haben, ein Fall für den belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot.

Der Vater der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, ist oft im Pera Palace Gast gewesen. Sein Zimmer mit der Nummer 101 ist heute ein Museumsraum zu Ehren des Staatsgründers. Im Wohnzimmer der Atatürk-Suite hängt ein geknüpfter Teppich, ein Staatsgeschenk während eines Indienbesuches. Eine gewebte Ornament-Uhr zeigt auf 9 Uhr und 7 Minuten, darunter befinden sich zehn Kerzen. Der Gründungsvater der modernen Türkei wird acht Jahre später, am 10. November 1938 in Istanbul sterben, um 9 Uhr und 7 Minuten.

Es ist jedoch der spätere Nobelpreisträger Ernest Hemingway, der das Pera Palace unsterblich machen wird. In seiner Kurzgeschichte Schnee auf dem Kilimandscharo widmet er 1936 dem Hotel einen ganzen Absatz. Der Schriftsteller Harry – das Alter Ego von Hemingway – zerzaust von der heftigen Schlägerei mit einem britischen Kanonier und mit einem leichten Mädchen im Schlepptau streunt durch das nächtliche Konstantinopel.

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Gleich zweimal – als Foto und als Textauszug – hängt Ernest Hemingway in der Suite des Pera Palace über dem kleinen Sekretär. Foto: W. Stock, Februar 2020.

Sie nahmen ein Taxi und fuhren zur Rumelischen Festung am Bosporus, machten kehrt, fuhren in der kühlen Nacht zurück und gingen ins Bett, und sie fühlte sich so überreif an, wie sie aussah, aber weich, rosenblättrig, honigsüß, ihr Bauch weich, die Brüste groß, und sie brauchte kein Kissen unterm Hintern, und er verließ sie, bevor sie aufwachte, reichlich verludert im ersten Tageslicht, und betrat das Pera Palas mit einem blauen Auge, den Mantel überm Arm, weil ein Ärmel fehlte.

Der Amerikaner Ernest Hemingway ist so etwas wie der gute Geist im Pera Palace. Gleich vier Suiten sind nach ihm benannt. Diese 3-Raum-Suiten mit

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