Die Hemingway-Ecke im El Pasaje. Conil, im April 2023. Foto: W. Stock.

An einem Sommertag im Jahr 1959 besuchen Ernest Hemingway und der Torero Antonio Ordóñez während eines Aufenthalts im südspanischen Conil de la Frontera das Restaurant El Pasaje. Es ist Juni und der Nobelpreisträger weilt zu Besuch auf der Ranch seines Freundes Antonio in Medina-Sidonia. Von dort fahren sie zur Feria von Algeciras am 15. bis 21. Juni. Und von Medina-Sidonia ist es nur ein Katzensprung zur Küste bei Conil.

An der Eckwand des Restaurants El Pasaje, neben jenem Tisch, wo der Nobelpreisträger und sein Freund aus Ronda gesessen haben, erinnern die Besitzer seit kurzem an den berühmten Gast aus Übersee. Mit einem Zeitungsausschnitt, Fotos und einer Inschrift hat Tomás González diese Erinnerungsecke gestaltet.

Die Inhaberfamilie Sánchez, die das beliebte Restaurant an der Avenida de la Playa seit 1929 Jahren nun bereits in vierter Generation betreibt, zeigt sich stolz auf den prominenten Besucher von einst. Die volkstümliche Gaststätte, die in erster Linie zum Meer liegt, weckt die Erinnerung an den Schriftsteller zu neuem Leben. Erinnerungen, die vorher als Anekdoten von Generation auf Generation mündlich übertragen worden sind.

Die Tageszeitung Diario de Cádiz erinnert am 12. Juli 1961 an den Besucher des El Pasaje. Der Nobelpreisträger hat sich Tage zuvor in Ketchum das Leben genommen. Foto: W. Stock.

Im Jahr 1929 hat Diego Sánchez Moreno einen Ausschank in einer einfachen Hütte am Strand von Los Bateles in Conil de la Frontera eröffnet. Fast hundert Jahre später ist das El Pasaje ein gastronomisches Juwel, das aus Conil nicht wegzudenken ist. Die privilegierte Lage an der breiten Strandpromenade zieht Einheimische ebenso wie Touristen an.

José im Speisesaal und drei Köche im Küchentrakt legen Wert auf genussreiche Speisen und einen guten Service. Das El Pasaje steht für eine bodenständige Qualitätsküche, hochwertig, jedoch ohne abgehoben zu sein. Regionale Produkte werden mit einer innovativen Kulinarik verbunden. Vor allem die populären Fischspeisen aus Andalusien werden gerne bestellt.

Traditionelle Gerichte, ohne Schnickschnack, findet man auf der Speisekarte. Zu den Highlights gehört der Atún encebollado de almadraba, frische Thunfischwürfel mit Zwiebeln. Der rote Thunfisch gilt als die kulinarische Visitenkarte der Region rund um Cádiz. Der Atún rojo, der wild gefangen und nicht gemästet wird, besitzt einen sehr feinen und doch intensiven Geschmack.

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Roter Thunfisch, roh oder gebraten, ist die Spezialität im El Pasaje. Conil, im April 2023. Foto: W. Stock.

Wo saß Ernest Hemingway?, frage ich José. Er zeigt auf den Ecktisch für zwei Personen. Es ist ein schöner Tag im Juni 1959. An der Wand hängt ein Zeitungsausschnitt des Diario de Cádiz aus den frühen 1960er Jahren. Mi recuerdo del Hemingway que conocí en Conil – Meine Erinnerung an den Hemingway, den ich in Conil kennenlernte – berichtet von der Visite des Nobelpreisträgers im El Pasaje.

Wir setzen uns an den nächsten Tisch mit Blick auf das Meer. Und bestellen den Atún rojo. Selten habe ich einen so schmackhaften Thun essen dürfen. Und auch der Nachtisch ist eine Offenbarung. Für eine Portion Huevos Moles hechos al estilo de Conil, der regionalen Puddingcrème mit Eiern und Zuckersirup, lasse ich jede Crème Brûlée stehen. Und dies will etwas heißen.

In der Hemingway-Ecke des El Pasaje kommt man der Ahnung näher, weshalb Spanien das Herzensland dieses Mannes aus Chicago gewesen ist. Es ist zunächst das wilde Meer, das er so liebt. Comer, Amar, Vivir – Essen, Lieben, Leben finde ich als Inschrift an einer anderen Lokalität. Es ist der Genuss in Andalusien, der in ein gutes Leben mündet. Es ist Hemingways Welt, schlicht und einfach, es ist das richtige Leben.

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