Ernest Hemingway lebte sieben Jahre in Paris. Die Stadt hat den Autor aus Chicago nicht vergessen.

Ab Dezember 1921 lebt Ernest Hemingway in der Stadt an der Seine, es sind mühevolle Lehrjahre. Paris ist in jenen Jahren eine Stadt im Aufbruch. Autoren, Maler und Komponisten begeben sich auf die Suche nach neuen Ideen. Es ist eine aufregende Zeitepoche für Künstler, voller Unsicherheit: Eine verlorene Generation muss nach einem schrecklichen Weltkrieg ihren Weg finden, Neues wie Surrealismus, Kubismus oder Dadaismus werden ausprobiert.

Doch materiell reiht sich der Mann aus einem Vorort von Chicago ein in das Heer mittelloser Schriftsteller aus aller Welt, meist verkrachte Existenzen, die nicht wissen, woher sie das Geld für die nächste Miete nehmen sollen. Auch Ernest Hemingway muss das knappe Geld gut einteilen, besonders seit er den Vertrag mit einer kanadischen Tageszeitung gekündigt hat und als Schriftsteller reüssieren will.

Doch der frisch gebackene Familienvater, Sohn John wird 1923 geboren, erhält von Verlagshäusern aus den USA eine Absage nach der anderen. Seine Themen seien schwer vermittelbar, kriegt Hemingway als Kritik zu hören. Mit solch schroffer Ablehnung hat er nicht gerechnet, den Kerl mit dem riesigen Ego übermannen in Paris die Selbstzweifel und Depressionsschübe. Der junge Autor fällt in ein tiefes Loch.

Nach zahlreichen Tiefschlägen erreicht ihn endlich eine Zusage, überraschenderweise aus Deutschland. Der Herausgeber einer Berliner Zeitschrift mit dem Titel Der Querschnitt will ihn veröffentlichen. Wedderkop schreibt, meine Stierkampf-Story sei wunderbar, verkündet er stolz. Man wolle ihn drucken, ein gutes Honorar gebe es obendrein.

Am 9. Oktober 1924 treffen sich Querschnitt-Chef und der junge Amerikaner in Paris, im Apartment von Ezra Pound, der schon öfter für das Berliner Magazin geschrieben hat. Man findet Gefallen aneinander. Ernest Hemingway ist angetan von den Ideen des avantgardistischen Chefredakteurs und Hermann von Wedderkop erspürt das Talent des unbekannten US-Autors.

Seit 1924 verantwortet Hermann von Wedderkop als Chefredakteur und Herausgeber die redaktionelle Linie, er fördert innovative Autoren mit wirklichkeitsnahen Themen und realistischem Stil. Der Querschnitt druckt zunächst einige schlüpfrige Gedichte Hemingways. Wedderkop veröffentlicht meine ganzen obszönen Arbeiten schneller als ich sie schreiben kann.

Im Sommerheft des Jahres 1925 druckt Der Querschnitt Hemingways Stierkampf-Story. Im folgenden Heft 7, vom Juli 1925, findet sich der zweite Teil der Erzählung über den abgehalfterten Torero Manuel Garcia. Gekonnt improvisiert schon diese Kurzgeschichte von gut 30 Seiten über die Grundmelodie des Hemingway’schen Werkes: den heroischen Willen, gegen die menschlichen Grenzen zu kämpfen und niemals aufzugeben. 

Die Story überzeugt die Leser durch die Kürze und Klarheit ihres Stils, besonders gelungen ist schon hier die unterkühlte Kargheit in den Dialogen. Während andere zeitgenössische Autoren immer noch die gespreizte Stilistik der Vätergeneration pflegen, stammelt Ernest Hemingway nicht herum, sondern kommt ohne Umschweife zur Sache. Seine Themen scheinen nicht gedrechselt, sondern treffen das konfuse Lebensgefühl seiner Leser.

Durch Der Querschnitt erfährt Ernest Hemingway eine emotionale Verbindung zu Deutschland. Ein deutsches Magazin und dessen Chefredakteur haben an ihn geglaubt. In einer Zeit, zu der man dem Novizen in dessen Heimatland die kalte Schulter gezeigt hat. Die Berliner Zeitschrift hat ihn aus einem tiefen Loch geholt. Und zugleich auch ein wenig entdeckt. Bei Ernest Hemingway wird Dankbarkeit bleiben, ein Leben lang. 

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