Hemingway
Katzen 
Cats
Ernest Hemingway mit einer Katze auf Finca Vigía, im Herbst 1949. Fotografiert von Paul Radkai. By courtesy of Marton Radkai

Nach San Francisco de Paula, viele Nebenstraßen sind nicht asphaltiert, braucht man von Havanna eine halbe Autostunde, zum Meer sind es von dem Anwesen gerade einmal zehn Meilen. Etwas außerhalb dieses ärmlichen Dorfes wohnt der illustre Schriftsteller auf seiner Finca Vigía, mehr als zwanzig Jahre lang. Dort lebt er zusammen mit Ehefrau Nummer Drei und Ehefrau Nummer Vier, nacheinander natürlich, sowie mit sechs Hunden und achtunddreißig Katzen. 

Achtunddreißig Katzen. Das ist keine Zuneigung, es ist eine Hingabe mit Haut und Haaren. Liebevoll betreut der Nobelpreisträger in seinem kubanischen Refugium die Katzen, er sorgt sich um sie, streichelt und drückt sie ans Herz. Und der bärtige Autor spricht mit ihnen wie mit einem Menschen. Als guter Vater kümmert er sich fürsorglich um die Kreaturen. Der Schriftsteller ist ganz vernarrt in die Katzen.

Denn Ernest sieht seine Tiere als Seelenverwandte. Eine Katze ist redlich in ihren Gefühlen. Menschen, aus welchem Grund auch immer, können ihre Gefühle verbergen, aber eine Katze kann das nicht. Auch er kann seine Gefühlswelt schwer verheimlichen, er lässt seine Umgebung und eigentlich die ganze Welt teilhaben an seinem Inneren, und selbst an seinen Lastern.

All seine Katze kennt er beim Namen, er gibt ihnen Identität und Persönlichkeit. Einer seiner Lieblingskater heißt Cristobal Colón und dieser Christoph Kolumbus wird von ihm gekrault, selbst wenn er am Schreibpult steht und an einem Manuskript arbeitet. Eine andere Katze, eine Angora, ruft er Princesa, eine weitere Good Will, Feather Puss, Furhouse und Boise. Viele Katzen nennt er nach Berühmtheiten, so Zane Grey, dem Schriftsteller, oder Clark Gable, dem Schauspieler.

Die Katzen besitzen auf der Finca Vigía Narrenfreiheit, Ernest ist kein gestrenger Vater, er erlaubt so ziemlich alles. Die Tiere dürfen auf Tischen und Schränken streunen, auf der Küchenanrichte naschen, sich in den Hausschuhen und in den Safari-Stiefeln bequem machen, und überall in Haus umherstreifen und über das weitläufige Landgut stromern. Für die Katzen räumt der Autor eine ganze Etage des Arbeitsturms frei. Ernest schreibt im Obergeschoss, die Haustiere dürfen auf der unteren Ebene des Turms machen, was sie wollen.

Als Paul Radkai im Herbst 1949 auf die Finca Vigía kommt, gelingt es dem ungarischen Fotografen, die Liebe Hemingways zu seinen Tieren wunderbar einzufangen. Der Schriftsteller spielt mit den Katzen und die Fotos von der Farm zeigen einen ausgeglichen und doch melancholischen Ernest inmitten der heilen Landschaft. Die Tiere und der Mensch als Schöpfung der Natur, in Verbundenheit.

Dennoch bemerkt man eine zerbrechliche Gemütslage über diesen Momentaufnahmen aus dem tropischen Paradies. Wo das Leben ist, da lauert auch der Tod. Ernest wird seit Jahren von depressiven Schüben übermannt, da fällt er innerlich in sich zusammen, und auch der Alkohol vermag ihn immer weniger zu trösten. Die Katzen sind seine Medizin. Nur die Katzen, in ihrer Unbekümmertheit, frei von Sorgen, schenken dem Autor kurze Augenblicke des Glücks. 

Den Katzenfriedhof auf dem Anwesen, versteckt hinter den Steinplatten der rückwärtigen Veranda, lässt der Schriftsteller liebevoll instand halten. Die Grabstätten der Tiere sind mit Sorgfalt gestaltet, mit Kreuzen und Grabplaketten, so als würde es sich um Menschen handeln, die hier begraben liegen. Gerade in den Katzen sieht Ernest Hemingway das Idealbild von Zartheit und Lauterkeit, es sind zerbrechliche und unschuldige Glücksmomente.  

In seinem karibischen Garten Eden auf der geliebten Finca Vigía, in seinem Imperium inmitten der tropischen Vegetation, bei seinen Katzen, findet dieser suchende Mensch die Augenblicke von Ausgeglichenheit und Frieden, nach denen er sich so sehnt. Es gibt sie noch, die Stunden des Glücks im Alltag des Ernest Hemingway, und oft haben sie mit seinen Tieren zu tun. Auch wenn er merkt, jede Lebensreise nähert sich ihrem Ende.

Als sein Lieblingskater Uncle Willie im Jahr 1953 auf der Straße angefahren wird und sich zwei Beine bricht, da muss er die Katze einschläfern. Ernest Hemingway nimmt das Tier in den Arm, krault es zärtlich und flüstert ihm zu, welch ein wunderschöner Kater er doch sei. Dann legt er Uncle Willie auf die Terrasse der Finca, greift sein Gewehr, hält an, zielt und tötet den Kater mit einem Schuss. So verstört wie an jenem Tag hat Miss Mary ihren Ehemann noch nie gesehen. Er hat den Tod gebracht. Der Schriftsteller wird von Weinkrämpfen geschüttelt und fällt tagelang in tiefe Depression.

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