Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Bilbao

Ernest Hemingway und Juan Duñabeitia bewegen sich nicht vom Fleck in Bilbao

Ernest Hemingway
José María de Ucelay
Ein Gemälde des baskischen Malers José María de Ucelay. Ein Doppelportrait aus dem Jahr 1957. Hemingway y Juan Duñabeitia. (c) Museo de Bellas Artes de Bilbao.

Im Museo de Bellas Artes von Bilbao hängt – wenn nicht mal wieder umgebaut wird – ein merkwürdiges Gemälde. Im diesem Museum der schönen Künste kann der Besucher ein Kunstwerk des renommierten Malers José María de Ucelay bestaunen. Der baskische Künstler hat den Schriftsteller Ernest Hemingway gemalt, zusammen mit seinem Freund Juan Duñabeitia.

Der Maler De Ucelay, der aus dem nordspanischen Fischerdorf Bermeo stammt, stellt den bärtigen US-Amerikaner dar mit zerzaustem Haar und weißem Bart. Trotzdem voller menschlicher Würde, mit Eleganz und in sich ruhend. Der Freund Juan Duñabeitia, der in Kuba auf den Spitznamen Sinsky hört, ist in traditioneller baskischer Tracht gekleidet, dazu mit Baskenmütze.

Conversation Piece, Just Leisure oder Hemingway y Duñabeitia lautet der Name des Gemäldes. Ein friedliches Motiv, der Autoren-Titan neben dem unbekannten Juan auf einer Parkbank, der zweideutige Titel deutet es an. Ein Symbol für Männerfreundschaft über alle Landstriche, Klassen und Vorurteile hinweg. Der berühmte Nobelpreisträger und der bescheidene Seefahrer. Letztendlich auch nur zwei Handwerker im Schöpfungskosmos des Herrn. Und das Meer umarmt ihre Freundschaft.

Es war der Schriftsteller selbst, der De Ucelay in den 1950er Jahren bei einem Besuch in Pamplona angeregt hat, das Doppelporträt zu malen. Das Bild des baskischen Künstlers strahlt eine behagliche Grandezza aus. Ernest und Juan lässig auf einer Bank an der Strandpromenade, dahinter die Wellen des Meeres. Hemingway hat gerade eine Zeitung gelesen, die Brille befindet sich noch in seiner rechten Hand.

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Ernest Hemingway mit Juan Duñabeitia und Ava Gardner in einer einfachen Cantina auf Kuba. Foto: Archiv Dr. Stock.

So ganz gelungen ist das Gemälde aus dem Jahr 1957 nicht. Die Perspektive des Meeres wackelt, Sinkys rechter Arm fällt viel zu lang aus, die Gesichter scheinen plastisch und eine Spur zu emotionslos. Doch wir wollen die Elle nicht zu eng anlehnen. Auch wenn wir gerade aus dem Guggenheim Museum mit der atemberaubenden skulpturalen Architektur des Frank O. Gehry kommen, das neue Kunsthaus ist nur ein paar Minuten weiter.

Juan Duñabeitia wird 1898 in Bilbao geboren, als junger Kerl fährt er zur See. Später lässt der Baske sich in Havanna nieder. Der Kreis des Lebens schließt sich wieder in Bilbao, wo Sinsky stirbt. Beide – Ernest Hemingway und Juan Duñabeitia – bleiben in Bilbao. Der eine in der Calle Santimami Auzoa auf dem Cementerio, der andere acht Kilometer südlich an einer Wand des Museo de Bella Artes

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Der Aficionado Ernest Hemingway wird enttäuscht in Bilbao

Der geschlossene Eingang zur Plaza de Toros de Vista Alegre in Bilbao. Foto: W. Stock, 2024.

Der Amerikaner kennt die Stadt seit seinem Besuch im August 1927, als er und Pauline Nordspanien erkunden und bis nach Santiago de Compostela und La Coruña fahren. Im Sommer 1931 kommt er zurück ins Baskenland. Bilbao is a rich, solid city of great sportsmen and women in which I have numerous friends. So schreibt Ernest Hemingway in The Dangerous Summer. Er habe in dieser reichen und gediegenen Stadt mit den vielen Sportsmännern und Sportsfrauen zahlreiche Freunde.

Bilbao ist in der Tat eine wohlhabende Handelsmetropole an der Küste, mit einem rauen Wetter. Es kann dort, so schreibt Ernest, heiß werden wie in St. Louis am Mississippi. Von allen spanischen Großstädten ist sie wohl die europäischste, mit einer Nähe zu Frankreich. Und dennoch behält diese Kapitale ihr iberisches Flair. Der Schriftsteller aus Chicago mag die Stadt und kann sich gut in ihr bewegen.

Er hat viele Freunde im Baskenland. Juan Duñabeitia, Padre Andrés Untzaín, den Maler José María de Ucelay aus Bermeo. Der Amerikaner ist angetan von der Kultiviertheit der Stadt, Bilbao ist seit jeher ein Fleckchen voller Kunst und Kultur. Architektur und Malerei spielen dort eine große Rolle, heute mehr denn je. Von seinen Tantiemen kauft Hemingway zahlreiche Kunstwerk, er hat auf Finca Vigía eine außerordentliche Collection spanischer Maler an den Wänden hängen.

Am Abend geht der Amerikaner in das lebhafte Stadtviertel Casco Viejo. In den Siete Calles der mittelalterlichen Altstadt finden sich die traditionellen Bars und Restaurants. Die Silhouette der am Nervión gelegenen Markthalle Mercado de la Ribera erinnert an ein Schiff. Die gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert wird von zahlreichen Pintxo-Kneipen umklammert. Ernest mag die Fischlokale wie das Victor Montes an der Plaza Nueva.

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Demut. Iván Fandiño als Skulptur vor der Plaza in Bilbao. Der baskische Torero stirbt durch eine cornada bei einem Stierkampf 2017 im französischen Aire-sur-l’Adour. Foto: W. Stock, 2024.

Auf seiner Rundreise während der Temporada bucht sich Ernest Mitte August 1959 ins Hotel Carlton von Bilbao ein. Zu jeder Plaza de Toros zieht es ihn wie magisch. Die Stierkampfarena von Bilbao stehe jenen in Pamplona, San Sebastián oder Biarritz in nichts nach. Besonders lobt der Kenner Hemingway die Qualität der Bullen im Baskenland. Antonio wollte seinen Kampf in Bilbao austragen, der schwierigsten Arena in Spanien. Hier sind die Stiere größer, das Publikum strenger und härter.

Der bärtige US-Autor schreibt im Sommer 1959 an seiner üppigen Reportage über das Mano a Mano für die Zeitschrift LIFE. Das Schlusskapitel von The Dangerous Summer spielt in Bilbao. Der Nobelpreisträger wohnt hier dem Zweikampf seines Freundes Antonio Ordoñez mit dem Rivalen Luis Miguel Dominguín bei. Doch in der Arena von Bilbao wird der Kampf kein gutes Ende nehmen. 

Die Ernüchterung wird groß, in jeder Hinsicht. Die Ehefrau des von ihm verhassten Diktators, Carmen Polo de Franco, ist Ehrengast in der Arena. Und Luis Miguel Dominguín wird von einem Kampfbullen so blutig aufgespießt, dass der Matador auf dem Notoperationstisch landet. Der Wettkampf ist damit beendet. Und auch für den Gefährlichen Sommer findet Ernest keinen guten Schluß.

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Ein Zitat von Ernest Hemingway befindet sich hoch neben dem Eingangsportal der Plaza de Toros von Bilbao. Foto: W. Stock, 2024.

Doch alles kommt an sein Ende. Im Juli 1961 nimmt sich Ernest Hemingway aus dem Leben. Zwei Monate nach seinem Tod macht auch die Arena in Bilbao dicht. Als wolle sie ihm folgen. Im Jahr 1962 eröffnet die neue Plaza de Toros. Dort, direkt links neben dem Eingang, prangt über Kopfhöhe eine Plakette mit einem Zitat des Schriftstellers. Auf Spanisch und auf Baskisch ist dort zu lesen:

Wenn euch die Hitze nicht abschreckt – diese wirklich schwere und dumpfige Hitze aus den Blei- und Zink-Bergwerken – und wenn ihr gewaltige und stattliche Stiere sehen wollt, atemberaubende Tiere, dann solltet ihr nach Bilbao kommen, während der Feria im August.

Jeder, der durch das Hauptportal die Arena betritt, der kommt heute an Ernest Hemingway vorbei. Als ob es ein krampfhaftes Festhalten an bessere Zeiten symbolisieren möchte. Denn dieser Tage ist der Stierkampf in Bilbao eine tote Leiche. Also doppelt hinüber. Die Gegend um die Plaza de Toros sackt beständig ab, das Areal wird nun als Parkplatz genutzt.

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Seit 2013 ist das Estadio de San Mamés die Spielstätte des spanischen Spitzenklubs Athletic Bilbao. Foto: C. Stock, 2024.

Ganz anders ein paar hundert Meter weiter, wo sich das futuristische Stadion des Fußballklubs Athletic Bilbao befindet. Jungs bolzen auf dem Vorplatz herum, ein Fußball-Museum lockt und der Merchandising-Shop macht prächtige Umsätze. Hier spielt die Musik, bekommt der Betrachter unbefangen präsentiert, das Stier-Spektakel ist aus der Zeit gefallen. 

Zwar kommt der gesamte Stierkampf in Spanien an seinem Schutzpatron aus Chicago nicht vorbei. Die Afionados zwischen Baskenland und Andalusien beten ihn an und lieben ihn, weil er so schön über ihre Passion schreiben konnte. Doch Ernesto liegt seit über 60 Jahren auf dem Dorffriedhof von Ketchum in den Rocky Mountains. Und kriegt nicht mehr mit, wie trostlos das Ende von The Dangerous Summer in Wirklichkeit hätte ausfallen müssen.

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Der gefährliche Sommer

Im Sommer 1959 schickt das Magazin LIFE Ernest Hemingway nach Spanien, auf eine lange Reise. Eine große Reportage über 10.000 Wörter ist ausgemacht. Der Nobelpreisträger soll über Spanien, den Stierkampf und vor allem die Rivalität der beiden großen Stierkämpfer Antonio Ordóñez und Luis Miguel Dominguín berichten.

„In dieser Woche sind wir alle glücklich“, schreibt die hochformatige Zeitschrift im Editorial, „einen alten Freund und Mitarbeiter auf den Seiten von LIFE wieder begrüßen zu dürfen. Es ist acht Jahre her, dass Ernest Hemingway ein großes Werk veröffentlicht hat. Und nun veröffentlichen wir die erste Folge seines neuen großartigen Buches The Dangerous Summer.“

Am 13. Mai 1959 macht sich Ernest Hemingway auf nach Madrid, in der Hauptstadt beginnt er seine Stierkampf-Tour, die den Schriftsteller kreuz und quer durch Spanien führen wird. Er fährt nach Sevilla, nach Córdoba und Ronda, nach Aranjuez, nach Alicante, dann Algeciras am 21. Juni, nach Saragossa, natürlich nach Barcelona, dann nach Burgos, am 7. Juli sodann nach Pamplona, auch nach Valencia, wo er gleich zweimal einer Corrida beiwohnt, am 25. und am 27. Juli 1959. Seine Reise führt ihn

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