Im Jahr 1954 wird der Schriftsteller in zwei beinahe tödliche Flugzeugunglücke verwickelt, es hat nicht viel gefehlt. Das Ehepaar Hemingway befindet sich auf einer mehrmonatigen Safari-Reise in Ostafrika. Im Januar stürzt eine Cessna 180 ab mit Mary und Ernest Hemingway an Bord über Murchison Falls im Nordwesten Ugandas, nachdem der kleine einmotorige Propellerflieger die Leitungen eines Telegraphenmastes berührt hat.
Ein zweites Flugzeug, eine britische De Havilland Dragon Rapide, mit dem das Ehepaar am nächsten Tag von Butiaba nach Entebbe zurückkehren will, fängt beim Abflug Feuer. Der Pilot Reginald Cartwright und Mary, die beide vorne sitzen, winden sich flink aus dem zweimotorigen Doppeldecker. Doch bei Ernest, der auf der Rückbank hockt, klemmt die verkrümmte Hintertür. Mit Schulter und seinem dicken Schädel als Rammbock findet schließlich auch Ernest im letzten Moment nach draußen.
Die Nachrichtenagentur United Press schickt am 24. Januar 1954 eine Eilmeldung um den Globus. Kampala, Uganda, Afrika: Der bärtige Pulitzer-Gewinner, der Autor Ernest Hemingway und seine Frau sind vermutlich bei einem Crash mit ihrem gecharterten Flugzeug im Urwald von Uganda ums Leben gekommen. Die Zeitungen in den USA drucken, meist riesig auf der Titelseite, die Meldungen von seinem Tod.
Ernest Hemingway darf im fernen Afrika seinen eigenen Nachruf lesen. Er nimmt es mit Humor, das Überleben seines eigenen Todes amüsiert ihn. Mein Glück ist mir weiterhin treu, dementiert er am nächsten Tag gegenüber der Presse lässig sein Ableben. Trotz schwerster Verletzungen trägt der Autor die Abstürze zunächst mit dem üblichen Galgenhumor.
Das prominente Ehepaar überlebt beide Unglücke, jedoch die Verletzungen stellen sich als verheerend heraus, besonders bei Ernest. Der Schriftsteller erleidet eine schwere Gehirnerschütterung, die Schulter wird ausgekugelt, dazu kommen Darmquetschungen, ein Nierenriss und die Verletzung der Leber. Besonders schmerzvoll sind die Verbrennungen an den Beinen, am Bauch, am rechten Unterarm, an der linken Hand und am Kopf.
Seinem Verwalter Roberto Herrera schreibt er am 5. Februar aus dem New Stanley Hotel in Nairobi einen Brief: Everybody is okay. Und Ernest Hemingway fügt dann handschriftlich hinzu: Los dos cojones intactos. Hubo derrame cerebral pero contenido OK. Die beiden Eier unversehrt. Hatte Schlaganfall, aber innen drin alles ok. Seinen Humor hat er nicht verloren, aber okay ist gar nichts, in Wirklichkeit leidet der Schriftsteller unter höllischen Schmerzen.
Der Kopf und die inneren Organe sind derart verletzt, dass er sich davon nie mehr ganz erholen sollte. Die beiden Unfälle beeinträchtigen sein Seh- und Hörvermögen, es fällt ihm fortan schwer, sich zu konzentrieren, und auch das Schreiben bereitet ihm nun Mühe. Die beiden Flugzeugunglücke sind eine Zäsur in seinem Leben, nichts wird mehr so sein wie vorher.
Bitter wird er nun auf die Gewissheit gestossen, dass ein solcher Pfundskerl wie er doch nicht für die Ewigkeit gebaut ist. Auch seine Uhr tickt, die Zeit, sich etwas vorzulügen, scheint vorüber. Er wird fortan kein Buch mehr veröffentlichen und in den verbleibenden sieben Lebensjahren mehr Krankenzimmer von innen sehen, als er sich in seinen schlimmsten Träumen vorzustellen wagte.
Der große Ernest Hemingway ist schlecht beieinander ab dem Schicksalsjahr 1954. Sein opus magnum, die Novelle Der alte Mann und das Meer, ist geschrieben und veröffentlicht, doch er ist ausgepumpt und angeschlagen. Ab jetzt geht es körperlich rapide bergab – und geistig erst recht.