Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Ernest Rowohlt

Wer ist Zuckmayer? – Drei Hemingway-Freunde auf Sylt

Ein Thron vor weitem Meer. Der rheinhessische Dramatiker Carl Zuckmayer atmet tief die Nordsee-Luft. Foto: W. Stock, 2024.

Seit 2008 findet der Besucher auf Sylt einen Kunst- und Kulturpfad, mit dem das Dorf Kampen zahlreiche Kunstschaffende ehrt. Künstler, die in der einen oder anderen Weise in dem Friesenort gewirkt und gelebt haben. Denn die Kultur hat sich von Sylt inspirieren lassen, genauso wie die Kultur die Insel inspiriert hat. So lädt die facettenreiche Landschaft zwischen Dorf, Dünen und Nordsee ein zu einem anregenden Spaziergang von acht Kilometern.

Auf dem liebevoll angelegten Kulturpfad rund um das Dorf vermag man so auf den Spuren vergangener Tage zu wandeln. Es ist eine Vergangenheit mit Namen bekannter Maler, Schriftsteller und Verleger. Drei der 40 Gedenktafeln sind Künstlern gewidmet, deren Lebenslinien sich mit jenen des US-Schriftstellers Ernest Hemingway merkbar gekreuzt haben.

„Einen Tummelplatz der freien Geister“ nennt Ernst Rowohlt seinen Verlag. Einer seiner Spitzenautoren wird Ernest Hemingway – und er ist es noch heute, ein Jahrhundert später. Rowohlt, ein gebürtiger Bremer, reist 1927 zum ersten Mal nach Kampen und kommt bei seinen Besuchen in den Logierhäusern Klenderhof und Kliffende unter. „Mit seiner Urfröhlichkeit beherrschte er jeden Kreis“, so erinnerte sich seine Pensionswirtin an den erfolgreichen Buchverleger. 

Als er 1908 seinen ersten Verlag gründet, in Leipzig, da ist Rowohlt gerade 21 Jahre alt. In beiden Weltkriegen dient der Verleger als Soldat, wobei er zeitweilig ins Visier des Nazi-Regimes rückt: Mehrere seiner Autoren sind von den Bücherverbrennungen betroffen, so auch Hemingway. Zudem wird Rowohlt 1938 wegen „Tarnung jüdischer Schriftsteller“ aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was de facto einem Berufsverbot gleichkommt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Rowohlt1-768x1024.jpg

Ernest Hemingways deutscher Verleger Ernst Rowohlt, unweit vom Hotel Rungholt, blickt über die Heide in den Norden der Insel. Foto: W. Stock, 2024.

Er geht ins Exil – Schweiz und Brasilien – und kehrt 1940 nach Deutschland zurück und wurschtelt sich durch die Kriegstage. Mit dem Ende der Nazi-Diktatur kommt auch Ernest Hemingway zurück als Autor zu seinem alten Verlagshaus. Der Verleger des Rowohlt-Verlags bleibt ein bunter Hund in der Buchbranche. Heute geht der Blick des großen Verlegers zur Lister Bucht. „Ich lese keine Bücher“, meint er flapsig, „ich rieche sie nur und verlasse mich auf mein Näschen.“

Wer ist Zuckmayer?, erwidert der Strandwärter auf meine Frage, wo Zuckmayer zu finden sei. Volkstümlicher Dramatiker mit Tiefgang. Es liegt mir als Replik auf der Zunge. Der Hauptmann von Köpenick. Des Teufels General. Doch dann halte ich meinen Mund und zeige bloß meine Kurkarte vor. Dabei hat Zuckmayer den besten Platz in Kampen. An der Sturmhaube, Rotes Kliff, mit Aussicht auf den Weststrand.

Der damals 30-jährige Autor Carl Zuckmayer bringt Ernest Hemingways Roman In einem andern Land in Deutschland auf die Bühne. Gustav Fröhlich, Käthe Dorsch, Paul Hörbiger und Brigitte Horney verkörpern die Protagonisten der Erzählung, die im Ersten Weltkrieg spielt. In Berlin feiert die Aufführung von KAT – in Anspielung auf die weibliche Protagonistin Catherine Barkley – am 1. September 1931 die Premiere. Ernest Hemingway reist eigens dafür in die deutsche Hauptstadt. Es wird ein Besuch, den man so schnell nicht vergessen wird.

In der Silvesternacht 1932, im Kampener Ferienhaus des Verlegers Peter Suhrkamp, greift Carl Zuckmayer zur Feder und bringt die Gedanken, die ihn am Jahresende umtreiben, zu Papier:

Es schläft das Meer, es ruht das Watt,
die Wildgans schläft von Muscheln satt,
der Wachs tropft von den Lichtern.
Wir trinken unsern Portwein still,
mag kommen, was da kommen will
– der Himmel helf‘ den Dichtern.

Doch der Himmel hilft nicht. Bei den Nationalsozialisten eckt der Jude Zuckmayer mit seiner pazifistischen Haltung an, die Werke des gebürtigen Rheinhessen werden im Jahr 1933 verboten. Carl Zuckmayer entscheidet sich für das Exil. Zunächst in Österreich, 1938 geht er in die Schweiz, ein Jahr später in die USA. Als er dort ankommt, unbekannt und ohne Arbeit, stellt Ernest Hemingway ihm ein Empfehlungsschreiben aus.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Sintenis1-768x1024.jpg

Renée Sintenis Gedenktafel am Leuchtturm von Kampen. Mit ihrem freien Lebensstil passt die Künstlerin wunderbar zu Sylt. Foto: W. Stock, 2024.

Ganz vernarrt ist Ernest Hemingway in die Skulpturen der Renée Sintenis. Der US-Amerikaner erwirbt einige kleinformatige Plastiken der Künstlerin, die in Berlin residiert. „Der erste Eindruck von dir, 1924, ist immer geblieben: dein schmales, scheues, lächelndes Gesicht.“ So erinnert sich Clara Tiedemann, die Besitzerin der Pension Kliffende, an Renée Sintenis.

Ab den 1920er Jahren verbringt die Pferdenärrin regelmäßig die Sommerferien in Kampen, wo sie mit Vergnügen am Strand ausreitet. Mit ihrer mondänen Erscheinung ist Renée Sintenis ein Glanzpunkt der Berliner Szene, Joachim Ringelnatz und Rainer Maria Rilke zählen zu ihren Freunden. Im Jahr 1931 nimmt die Künstlerin an einer Gruppenausstellung im Museum of Modern Art in New York teil.

Ernest Hemingway, der mehrmals Berlin besucht hat, wird Sammler ihrer Werke, zu denen viele Tier- und Sportlerplastiken zählen. Die braunen Machthaber erzwingen den Austritt der Halbjüdin aus der Preußischen Akademie der Künste. Ihre Skulpturen werden von den Nazis als Entartete Kunst gelistet, aber sie erhält kein Ausstellungsverbot.

Nach dem Krieg wird Renée Sintenis 1955 als Professorin an die Berliner Akademie der Künste berufen, wo sie bis zu ihrem Tod lehrt. Das bekannteste Werk der Renée Sintenis, der Berliner Bär, wird seit 1951 als vergoldete oder versilberte Miniatur an die Preisträger des Filmfestes Berlinale verliehen. Ein sonniger Platz direkt am Kampener Leuchtturm erinnert an die große Künstlerin.

Berliner Bär
Westerland
Sylt
Hotel Miramar

Der Bär der Renée Sintenis vor dem Hotel Miramar in Westerland. Bis Berlin ist es weithin. Foto: W. Stock, 2024.

Ungeachtet aller Spuren der Weggenossen sollte eines noch erwähnt werden: Auf

Loading

Ernest Hemingway und sein deutscher Verleger Ernst Rowohlt

Eine Synchronität von Verleger und Autor. Ernest Hemingway bei Ernst Rowohlt im Rowohlt Verlag. Aus: 100 Jahre Rowohlt, Rowohlt Verlag, Hamburg.

My dear Ernst, schreibt der amerikanische Schriftsteller 1946 einem Brief an seinen deutschen Verleger Ernst Rowohlt, Du hattest sicher die Hölle von einem Krieg, und ich freue mich, dass Du nicht einer der vielen Krauts warst, die wir in der Schnee-Eifel oder im Hürtgenwald umgelegt haben. Wenn Ernest Hemingway jemanden so ruppig angeht, dann weiß man, es ist Zuneigung im Spiel. Und in der Tat hat sich zwischen Ernest Rowohlt und Ernest Hemingway eine tiefe lebenslange Sympathie entwickelt.

Alles fängt 1928 an. Im November jenes Jahres erscheint Ernest Hemingways Erstlings-Erfolg The Sun Also Rises unter dem Titel Fiesta im Berliner Verlag von Ernst Rowohlt. Bis zur Machtübernahme durch die Nazis werden drei weitere Romane folgen: Männer (1929), In einem andern Land (1930) und In unserer Zeit (1932). Nach dem Krieg erscheinen nach und nach alle weiteren Werke, Rowohlt wird zum deutschen Hausverlag für den Nobelpreisträger von 1954.

Die beiden Ernst und Ernest kabbeln sich gerne, von Anfang an. My Dear Herr Rowohlt, schreibt der Amerikaner am 18. Februar 1930 aus Key West, vielen Dank für Ihren Brief vom Januar 1930 mit dem Vertragsentwurf. Leider kann ich den Vertrag nicht unterschreiben, weil ich kein Wörterbuch habe und deshalb nicht sicher sein kann, ob ich alles richtig lese. Und auf der Insel hier gibt es auch keinen, der besser Deutsch kann als ich.

Ernst Rowohlt wird am 23. Juni 1887 in Bremen geboren. Im Jahr 1908 gründet der gelernte Buchhändler – mit 21 Jahren – einen Verlag in Leipzig. Rowohlt verlegt die Werke von Hugo Ball, Max Brod, Franz Kafka und Arnold Zweig. Kurt Pinthus und Walter Hasenclever arbeiten als Lektoren im Verlag. Nach dem Ersten Weltkrieg gründet der Norddeutsche den Rowohlt-Verlag neu, diesmal in Berlin, das Verlagshaus wird von 1919 bis 1943 verlegerisch tätig sein.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Fiesta1Jahr1928-711x1024.jpg

Die deutsche Erstausgabe von Fiesta, aus dem Jahr 1928. Erschienen im Ernst Rowohlt Verlag, Berlin.

Ab 1928 nimmt der Verleger auch zeitgenössische amerikanische Literatur ins Programm, so William Faulkner, Sinclair Lewis, Thomas Wolfe und eben Ernest Hemingway. Damit ist Rowohlt weltweit der erste Verleger, der Hemingway herausgibt, mit Ausnahme der USA. Und mehr noch: Der Mann vom Michigan-See wird zum Lieblingsautor von Ernst Rowohlt.

Im November 1929 besucht Ernest Hemingway seinen deutschen Verleger in Berlin. Es stehen Verhandlungen mit Ernst Rowohlt an über die deutschen Rechte zu A Farewell to Arms, das auf Deutsch In einem andern Land heißen wird. Ein Hauen und Stechen entwickelt sich beim Aushandeln der Tantiemen. Rowohlt bietet einen Vorschuss von 200 Dollar, Ernest Hemingway möchte 400 Dollar.

Während der Weimarer Republik laviert der Verlag durch wirtschaftlich heikle Zeiten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nehmen die Schwierigkeiten nochmals zu. Ernst Rowohlt tritt 1937 der NSDAP bei, er wird kein Opponent zum Regime oder gar Widerstandskämpfer. Der Verleger eckt jedoch mehr als einmal mit den Nazi-Behörden an, weil er versucht, jüdische Mitarbeiter und Autoren zu schützen.

Wie schon im Ersten Weltkrieg verdingt sich Ernst Rowohlt auch im Zweiten Weltkrieg als Soldat, wobei er stets als unsicherer Kantonist im Visier der Nazi-Schergen bleibt. Zumal mehrere seiner Autoren von den Bücherverbrennungen betroffen sind. Schließlich wird Ernst Rowohlt 1938 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot als Verleger gleichkommt. Lektoren und Autoren entscheiden sich für die Emigration. Ernst Rowohlt selbst wird im Februar 1941 Hauptmann bei der Wehrmacht und arbeitet europaweit in einer Propagandakompanie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründet die Familie Rowohlt den Verlag abermals neu, zuerst Anfang 1946 in Stuttgart. Heinrich Maria Ledig, der älteste Sohn von Ernst Rowohlt, erhält dort von den Amerikanern eine Verlagslizenz. Zu den Autoren des wiedereröffneten Verlages gehören Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky. Und wiederum der Amerikaner Ernest Hemingway.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist RowohltAndremLand1-754x1024.jpg

Ernest Hemingways In einem andern Land als rororo-Roman für 50 Pfennig.

Im März 1946 erhält auch Ernst Rowohlt von den Briten in Hamburg eine Lizenz für einen Verlag. Vier Jahre später siedelt dann die Stuttgarter Firma nach Hamburg über. Im Dezember 1946 erscheinen bei Rowohlt die ersten vier Bände der sogenannten Rotations-Romane. Den Anfang macht Ernest Hemingway mit einer Neuauflage seiner bereits 1930 erschienenen Anti-Kriegs-Erzählung In einem andern Land.

Wegen des Mangels an Buchpapier druckt der Verlag diese ersten Romane im großen Zeitungsformat auf einer Rotationsmaschine. Es wird eine Erfolgsgeschichte, die monatlich verlegten rororo-Zeitungsromane etablieren sich mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren als preiswerte Massenlektüre im Nachkriegs-Deutschland. Auch nach der Umstellung auf das Taschenbuch-Format drei Jahre später wird der Markenname rororo – für Rowohlt-Rotations-Roman – beibehalten. 

Am 1. Dezember 1960 stirbt Ernst Rowohlt an den Folgen eines Herzinfarktes, er wird auf dem Friedhof Volksdorf beigesetzt. Sein Sohn Heinrich Maria Ledig leitet fortan das Unternehmen, das 1960 nach Reinbek verlegt wird. Ernest Hemingway bleibt

Loading

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén