Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Max Schmeling

Ernest Hemingway verehrt den Boxer Max Schmeling

Max Schmeling
Der deutsche Boxer Max Schmeling, im Jahr 1938. Photo: C. Greene, World Telegram.

Das Boxen mochte er immer. Zumal dieser begnadete Schriftsteller sich für einen grandiosen Boxerkämpfer hält. Doch auf die Kenner der Materie wirkt der Mann aus Chicago eher wie ein Maulheld. My writing is nothing, my boxing is everything, solch einen blühenden Blödsinn sondert Ernest Hemingway gerne ab. Sein Schreiben sei nichts, seine Boxkunst alles. Es ist genau anders herum, wie sollte es auch sein, bei einem Nobelpreisträger und Star-Autoren.

Doch der Boxsport lässt Hemingway nicht kalt. Er zeigt sich gerne als Box-Kämpfer, lässt Fotos mit sich in Positur aufnehmen. Und er fightet gerne. Gegen Kollegen am liebsten. In seinen Pariser Anfangsjahren verdient er sich ein paar Francs dazu als Sparringspartner für Schwergewichtler. Boxer – wie der Kubaner Kid Tunero – gehören zu seinem engen Freundeskreis. Zeitlebens bleibt der Boxsport seine große Leidenschaft.

Wenn man sich das Oeuvre von Ernest Hemingway anschaut, merkt man über kurz oder lang, dass Boxen und auch die Boxsportler in zahlreichen Erzählungen vorkommen. Joe Louis, Georges Carpentier, Jack Walker, Kid Norfolk, Charles Ledoux, Jack Sharkey oder Max Schmeling – all diese Boxkämpfer finden sich in den Büchern des Nobelpreisträgers von 1954. In einigen seiner Kurzgeschichten geht es ebenso ums Boxen.

Nicht nur die Kriegsschlacht und der Stierkampf sind zentrale Motive seines Werkes. Auch das Boxen passt gut in die Erzählstränge seiner Romane. Denn anhand dieses Sports lassen sich die Tugenden und Ideale festmachen, über die Ernest Hemingway schreibt. Tapferkeit, Tollkühnheit, Kampfeslust und den Willen, niemals aufzustecken.

Einen Boxer bewundert er vor allem. Den Deutschen Max Schmeling. Am 22. Juni 1938 fliegt Ernest Hemingway von seinem Wohnort Key West nach New York, um sich den Kampf von Joe Louis gegen Max Schmeling im Yankee Stadium anzusehen. Der Schriftsteller mag beide Boxer. Herkunft, Hautfarbe, Reisepass, völlig schnurz für einen Fan wie ihn. Jubel in ganz Amerika, als Joe Louis dem Deutschen in der ersten Runde einen K.o.-Schlag verpasst. Beide Boxer werden trotz aller Rivalität zu Freunden.

Max Schmeling, der im September 1905 in Klein Luckow in Vorpommern geboren wird und der im Februar 2005 im niedersächsischen Wenzendorf stirbt, ist der populärste deutsche Schwergewicht-Boxer. Zwischen 1930 und 1932 ist er Box-Weltmeister. Ein Comeback als World Champion gelingt ihm nicht, trotz eines Sieges im Jahr 1936 gegen Joe Louis. Im entscheidenden Rückkampf vom Juni 1938 geht er mit Pauken und Trompeten unter. Seiner Popularität tut die Niederlage keinen Abbruch.

Bis heute gilt er als tadelloser Sportsmann, nicht nur in seiner Heimat. Gerade Max Schmeling, den er verehrt und häufig erwähnt, ist als Persönlichkeit wichtig: Der Box-Weltmeister zeigt Hemingway und der Welt in dieser schwierigen Zeit ein differenziertes Bild von Deutschland. Der Schwergewichtler lebt vor, dass man

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Ernest Hemingway und die Deutschen – ein kompliziertes Ding

Hemingway
Ketchum
Ernest Hemingway, die Skulptur von Robert Berks am
Hemingway Memorial, Ketchum. Foto: W. Stock, 2018.

Bei einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Allensbach aus dem Jahr 1987 sind die Deutschen gefragt worden, wer die zwei bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts seien. Die Antwort ist eindeutig ausgefallen: Thomas Mann und Ernest Hemingway. Es gibt sie, die Verehrung und die Zuneigung der Deutschen zu dem bärtigen Autor, der auf dem Dorffriedhof von Ketchum in Idaho begraben liegt.

Der US-Amerikaner aus Chicago und das Land der Teutonen – es ist beileibe keine einfache Beziehung. Eine Liebe auf den ersten Blick, wie bei Italien und Spanien, das ist es schon gar nicht. Ein Kreativitäts-Turbo wie das Flair von Paris, das ist Deutschland auch nicht gewesen. Von einem Wohlfühl-Ambiente wie auf Kuba, keine Spur. Zugleich ist da allerdings auch kein Hass und keine Verachtung gewesen, wie manche uns weismachen wollen. 

Vielmehr ist es ein ziemlich kompliziertes Ding. Doch diese Vielschichtigkeit macht neugierig, der Sache auf den Grund zu gehen. Schauen wir uns die Sache von seiner Seite an. Im Ersten Weltkrieg wird er schwer verwundet, getroffen von österreichischen Granatsplittern, Österreich und Deutschland sind die Gegner der entente cordiale. Im Zweiten Weltkrieg sieht er die Gräuel der Wehrmacht an der Front im Hürtgenwald bei Aachen. Auch persönlich setzten die Deutschen dem US-Schriftsteller heftig zu. Sein Sohn Jack wird von den Deutschen als Kriegsgefangener inhaftiert. Alles keine gute Basis für überbordende Sympathie.

Umso merkwürdiger: Drei seiner vier Ehefrauen haben deutsche Vorfahren. Pauline Pfeiffer, Martha Gellhorn, Mary Welsh. Die Nachnamen verraten es. Die Großeltern von Marys Mutter Adeline Beehler stammen aus dem Badischen. Auch gehören einige Deutsche zu seinem engen Freundeskreis. Marlene Dietrich beispielsweise. Oder der Dresdener Peter Viertel, ein Drehbuchautor, der in Los Angeles lebt.

Er selbst kann ein paar Brocken Deutsch, nichts weltbewegendes, am liebsten Schimpfwörter wie Schweinehund. Er hat sie bei seinen mehrmonatigen Winteraufenthalten im österreichischen Schruns aufgeschnappt. Genau 291 deutsche Wörter und Begriffe findet man in Hemingways Werk, ein akribischer Kopf hat nachgezählt. In allen Büchern – mit Ausnahme In einem andern Land – kommen Deutsche als Personen oder als Begrifflichkeit vor.

In seinen vollen Bücherwänden auf Finca Vigía findet man zahlreiche Werke deutschsprachiger Autoren. Thomas Mann, Heinz Helfgen, Joachim Ringelnatz, Rainer Maria Rilke, Erich Maria Remarque, Arnold Zweig, Ludwig Renn, Gregor von Rezzori, B. Traven, Kurt Tucholsky, Stefan Zweig. Was er davon gelesen hat? Schwer zu sagen. Aber er ist Nicht-Akademiker, er muss sich sein Wissen hart erarbeiten.

Mit Rainer Maria Rilke geht er in Die Grünen Hügel Afrikas hart ins Gericht: Ich habe keine Geduld für so etwas. Er ist mir zu versnobt. Na ja, ein hartes Urteil, aber so ganz unrecht hat er nicht. Andererseits, Joachim Ringelnatz findet er grandios. Es zeigt: Für ihn gibt es solche und solche. Nicht nur in der Literatur. In allen Sparten, auf jeder Seite, in allen Ländern.

Ernest Hemingway schert nicht alle und alles über einen Kamm. Nicht nur schwarz oder weiß. Eher schwarz und weiß. Doch der Nobelpreisträger von 1954 versteht auch die Zwischentöne. Er vermag, abwägend zu urteilen. Viele Deutsche sind für Hitler. Doch viele kämpfen auch gegen ihn. Er weiß es aus persönlicher Erfahrung. Manche seiner Freunde machen ihn darauf aufmerksam.

Am 22. Juni 1938 fliegt Ernest Hemingway von seinem Wohnort Key West nach New York, um sich den bedeutenden Kampf von Joe Louis gegen Max Schmeling im Yankee Stadium anzusehen. Der Schriftsteller mag

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