Ernest Hemingway ist gut unterwegs in Europa. In einem Brief an William D. Horne vom 17. Juli 1923 blickt er zurück: Und wir flogen (von Paris, W.S.) nach Straßburg, und wir wanderten durch den gesamten Schwarzwald und fischten Forellen, wir fingen viele, und wohnten in kleinen Gasthäusern, und wir machten miteinander Liebe, und wir fuhren dann den Rhein entlang von Frankfurt nach Köln und besuchten Chink.
Nach ihrem Schwarzwaldurlaub unternehmen Ernest und Hadley Ende August 1922 von Mainz aus eine lange Schiffsfahrt durch das Rheintal. Und im Frühjahr kann man am Rhein sehr gut Enten jagen. Als wir im vorigen Frühjahr auf dem Rhein von Mainz hinunter nach Köln reisten, begegneten wir Enten in rauen Mengen, schreibt Ernest Hemingway in seinem Artikel Game-Shooting in Europe für den Toronto Star am 3. November 1923. Hemingways Reise fand zwar nicht im Frühjahr statt, sondern tatsächlich im Spätsommer, wir wollen jedoch nicht kleinlich sein, kreative Freiheit.
Die Hemingways passieren den Abschnitt, den die Bewohner als Romantischen Rhein bezeichnen, Rüdesheim, die Burg Katz, den Loreley-Felsen, schließlich erreicht das Ehepaar Koblenz. Von dort geht es weiter, vorbei an den kleinen malerischen Dörfern des Mittelrheins wie Linz und Unkel, bis die beiden Amerikaner schließlich in Köln eintreffen.
Wegen seiner zentralen Lage ist Köln ein Drehkreuz zwischen West und Ost, zwischen Nord und Süd. Über das Rheinland sind die Soldaten an die Westfront marschiert, hierher kommt die geschlagene Armee nach der Niederlage 1918 wieder zurück. Köln wird zur Lazarettstadt, Zerstörung, Not und Hunger beherrschen die Stadt. Der Journalist, der für eine kanadische Tageszeitung schreibt, wäre am liebsten im Grandhotel Excelsior Ernst direkt am Bahnhof untergekommen, dort allerdings haben die britischen Besatzungstruppen ihr Quartier aufgeschlagen.
Oberflächlich betrachtet erscheint die Rheinmetropole in einem guten Licht. Köln selbst macht einen wohlhabenden Eindruck, schreibt er in einem Artikel für den Toronto Daily Star vom 9. Mai 1923. Die Schaufenster glänzen. Die Straßen sind sauber. Doch wirtschaftlich und moralisch liegt das Rheinland am Boden. Land und Region befinden sich in Unruhe, auf die Hohenzollern entlädt sich die Wut der Bevölkerung. Wilhelm I und II haben unsägliches Elend über Deutschland gebracht. Das Vermögen der Deutschen ist in den Kriegsanleihen des Kaisers verpulvert, das Land liegt in Trümmern, man hat sie in eine Schlacht geschickt, die noch sinnloser war als die meisten Kriege.
Der 23-jährige Hemingway kann als Vertreter der Siegermacht die angenehmen Seiten des Währungsverfalls ausleben. An die Familie in Chicago schreibt er am 25. August 1922 einen enthusiastischen Brief: Mit 62 Mark kann man sechs Bier im Krug kaufen. Zehn Tageszeitungen. Fünf Pfund Speiseäpfel, oder eine Eintrittskarte fürs Theater. Ich versuche, Euch das nächste Mal etwas von dem schmucken Geld zu schicken. Die Deutschen haben einige Geldscheine, die sehr schön sind. Ich habe ein paar für Euch zurückgehalten, musste sie dann aber doch ausgeben. Ernie.
Die Rampen der Dombrücke werden von Monumenten preußischer Könige und deutscher Kaiser flankiert. Die rechtsrheinische Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I. und das linksrheinische Reiterstandbild von Wilhelm II. symbolisieren das Zeitalter der verhassten Hohenzollern-Herrscher in der Rheinprovinz. Ernest Hemingway informiert darüber im Toronto Star Weekly am 30. September 1922 aus der Domstadt. Riots are Frequent Throughout Germany lautet die Überschrift seines Artikels.
Ein paar Tage vor Hemingways Ankunft haben die Kölner ihren ehemaligen Kaiser vom Sockel stürzen wollen. Die riesige Reiterstatue von Kaiser Wilhelm, die auf der Kölner Seite der schönen Hohenzollernbrücke über den Rhein steht, weist alle Spuren eines kürzlichen Vorfalls auf, als Deutsche zeigten, was noch in ihnen steckte. Die beiden Mauervorsprünge an Wilhelms mächtigen Eisenstiefeln waren abgebrochen und die Klinge seines Schwertes ist verschwunden. All das wurde zerschlagen, als einige Kölner versuchten, die gewaltige Statue umzustürzen. Es war ein Handgemenge, das als Revolution angelegt war und als kleiner Tumult endete.
Ein Polizist, der versucht die Verwüstung des Denkmals zu stoppen, wird von der Menge ohne lange zu fackeln in