Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Sanfermines

Wie Ernest Hemingway die Sanfermines von Pamplona erfand

Pamplona
Sanfermines
Ernest Hemingway
Die Sanfermines sind ein wilder Mix aus christlichem Fest und weltlichem Spektakel. Foto: W. Stock, April 2024.

Wenn man sich unter den Bewohnern von Pamplona umhört und den Namen Ernest Hemingway fallen lässt, so bekommt man allerlei zu Ohren. Ich hege gespaltene Gefühle in Bezug auf diesen Herrn, pikiert sich ein Mann. Ein anderer Pamplonese meint, der Amerikaner habe viel für die Stadt getan, nicht immer zum Guten. Dass der Nobelpreisträger von 1954 die Sanfermines weltweit populär gemacht hat, es ist ein Fakt, dieser Umstand stößt allerdings nicht überall auf Begeisterung. 

Von Gertrude Stein, seiner Mentorin in Paris, erhält Ernest den Tipp, den Encierro zu besuchen. Die Schriftstellerin aus Pittsburgh und ihre Gefährtin Alice Toklas kennen das Spektakel bereits seit 1915. Zu dem Zeitpunkt ist das Fest in Nordspanien ein lokales Ereignis, ein Geheimtipp für neugierige Weltenbummler. Zum ersten Mal kommt der junge Hemingway im Juli 1923 nach Pamplona, insgesamt wird er die Hauptstadt Navarras zehn Mal besuchen. Der Journalist aus Chicago zeigt sich bei seinem Trip ins Baskenland im Nu elektrisiert von dem mittelalterlichen Schauspiel, so etwas findet man in seiner Heimat nicht.

Sein Erstlingswerk Fiesta, dieses erscheint im Jahr 1926, lässt Ernest Hemingway überwiegend in Pamplona spielen. Im amerikanischen Original heißt der Roman The Sun Also Rises, er wird auf Anhieb zu einem Riesenerfolg. Mit einem Mal werden die Sanfermines mit den Stieraufläufen, den Prozessionen und Tänzen ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit katapultiert. In seiner epischen Erzählung schreibt der Debütant ausführlich über das Großereignis in der nordspanischen Stadt mit damals 35.000 Einwohnern. 

Seit fast 600 Jahren wird das Großereignis mit dem religiösen Ursprung aufgeführt. Gefeiert wird zu Ehren des heiligen Fermín, des Schutzpatrons von Navarra. Firminus der Ältere ist der Sohn eines römischen Offiziers, er wird zum Priester geweiht und im 3. Jahrhundert zum Bischof von Amiens ernannt. Fermín stirbt den Märtyrertod, ihm wird die Kehle durchschnitten. Seine Reliquien werden von Frankreich nach Pamplona überführt. Der Pañuelico – ein rotes Halstuch, das in Pamplona zum Fest getragen wird – erinnert an sein unseliges Schicksal.

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Beim Encierro werden die Stiere aus den Corrales durch die Altstadt von Pamplona zur Plaza de Toros getrieben. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Sanfermines beginnen alljährlich am 6. Juli mit dem Chupinazo, zur Mittagszeit, wenn 12 Feuerwerksraketen vom Rathausbalkon abgeschossen werden. Und endet nach acht Tagen, immer am 14. Juli um Mitternacht, mit dem Klagelied Pobre de mí. Ach, ich arme Seele. Im Laufe der Jahrhunderte hat das Fest zahlreiche Veränderungen durchlaufen. So eine Terminverschiebung von Herbst auf Sommer oder die Hinzunahme des Chupinazo-Rituals, das erst seit 1941 offizieller Bestandteil der Feierlichkeiten ist.

Der bekannteste Teil des Festes bleibt der Encierro. Um acht Uhr morgens findet der Auflauf der schwarzen Kampfstiere mit einem Gewicht von 600 Kilo statt. Der Trubel beginnt in den Stallungen im Norden und endet nach einer Hatz von 826 Metern durch die engen Gassen der Altstadt in der Plaza de Toros. Hunderte von Teufelskerlen – Einheimische wie Touristen – rennen bis zur Arena vor den Bullen her, manche werden von den Stieren zu Fall gebracht oder gar aufgespießt. Jeder Mozo, so werden die tollkühnen Läufer genannt, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose sowie das rote Halstuch und eine rote Schärpe.

Um die archaische Feier herum entwirft Ernest Hemingway in Fiesta ein Kaleidoskop menschlicher Irrungen und Wirrungen. Die amerikanischen Protagonisten Jake Barnes, Robert Cohn und Lady Brett Ashley auf Entdeckungsreise in Pamplona lassen nichts aus: Abenteuer, Raufereien, Stierkampf, sexuelle Ausschweifungen und vor allem Alkohol. Dem biederen Publikum in der Heimat fährt der Schreck in die Glieder, es ist das Jahrzehnt der Prohibition in den USA. Das ungehemmte Fest muss im Land der erzwungenen Abstinenz und des freudlosen Puritanismus wie ein Schreckensgemälde aus der Vorhölle gewirkt haben. 

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Blutrot und stierschwarz sind die Farben der Sanfermines. Für die Stiere endet der Encierro bei der Corrida am Abend, derweil so mancher Mozo als Alkoholleiche unterm Tisch einer Kneipe in der Altstadt liegt. Foto: W. Stock, April 2024.

Wie eine Mischung aus christlicher Tradition und überdrehter Volksfeier kommen die Sanfermines daher. Die sommerliche Vorführung in der Kleinstadt wird dank Hemingway und dank Fiesta – als Buch und später als Hollywood-Verfilmung – zu einem kosmopolitischen Radau-Magneten. Wohl als Ventil für die unterdrückten und eingezäunten Bedürfnisse der Feierwütigen, wo auch immer auf diesem Globus. Die unbekümmerte Mischung aus religiöser Wehmut und sakraler Ausgelassenheit faszinieren – pars pro toto – den Mann aus der bigotten Vorstadt wie kaum etwas anderes.

Denn es ist nicht nur das Saufen. Der Autor aus Oak Park entdeckt in Pamplona, beim Fest des Heiligen Firminus, noch etwas. Tief in der Seele des Spektakels werden jene Tugenden gefeiert, die dem Schriftsteller auf seinem Lebensweg wichtig sind: Tapferkeit, Furchtlosigkeit, Stolz und Würde. Und hinter allem Budenzauber erkennt Ernest einen weiteren schwarzen Stier. Den

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Vor genau 100 Jahren: Ernest Hemingways erster Encierro in Pamplona

Pamplona
Fiest de San Fermin
Ernest Hemingway
Der Besuch des Bullenrennens im Juli 1923 dient als Grundlage für Ernests Hemingways erste große Erzählung The Sun Also Rises.

Seit Ende 1921 lebt Ernest Hemingway mit seiner Frau Hadley in Paris. Privat reist das frisch vermählte Ehepaar viel und erkundet den Kontinent. Als junger Korrespondent in Europa entwickelt Ernest Hemingway ein genaues Sensorium für Menschen und Milieus. Der 22-jährige Amerikaner aus Chicago erweist sich als messerscharfer Beobachter von Personen und Geschehnissen.

Er hatte gesehen, wie die Welt sich veränderte; nicht nur die großen Ereignisse; obwohl er viele davon miterlebt und die Menschen beobachtet hatte, aber er hatte die feineren Veränderungen gesehen und konnte sich erinnern, wie die Menschen zu verschiedenen Zeiten gewesen waren. Er war dabei gewesen, und er hatte es beobachtet, und es war seine Pflicht, darüber zu schreiben.

Vor allem entdecken die beiden Amerikaner die iberische Halbinsel für sich. Von Gertrude Stein erhalten sie den Tip, den Encierro in Pamplona zu besuchen, die Schriftstellerin aus Pittsburgh und ihre Gefährtin Alice Toklas kennen das Spektakel seit 1915. Noch ist es ein Geheimtipp, ein lokales Ereignis im Baskenland. Erst Ernest Hemingway sollte es mit seinen Erzählungen in das Bewusstsein der Welt katapultieren.

Am 5. Juli 1923 besteigen Ernest und Hadley in Paris einen Zug nach San Sebastian. Von dort geht es weiter nach Pamplona. Am 7. Juli beginnt das Spektakel. Um acht Uhr morgens werden beim Encierro sechs kräftige Kampfstiere mit einem Gewicht von 600 Kilos frei laufend durch die abgeriegelten Straßen der Altstadt bis zur Plaza de Toros gejagt. Auf dieser Strecke von 826 Metern, für die die Stiere keine vier Minuten brauchen, laufen übermütige junge Männer vorweg.

Jeder Mozo, so werden die Läufer genannt, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose sowie ein rotes Halstuch und eine rote Schärpe. Vor Beginn des Laufes bitten die Mozos an der Statue des Schutzpatrons San Fermín um Beistand „Viva San Fermín! Gora San Fermin!“ Es lebe San Fermín!, rufen die Läufer, auf Spanisch und auf Baskisch.

Im Sommer 1923 ist das Wetter fürchterlich im Baskenland, es regnet und am 10. Juli verzeichnet der iberische Nordosten ein mildes Erdbeben von 12 Sekunden. Der Encierro wird an diesem Tag ausgesetzt. Auch am nächsten Morgen, am 11. Juli, wird es nicht besser. Ein Erdbeben von drei Sekunden folgt und es schüttet unaufhörlich. Das Bullenrennen wird ein weiteres Mal aufgeschoben.

Erst am Nachmittag des 12. Juli 1923 hört es dann endlich auf zu regnen. Um 17,30 Uhr findet das verschobene Bullenrennen mit anschließender Corrida statt. Am nächsten Tag, dem 13. Juli, einem Freitag, haben die Toreros Pech. Zwei Matadores werden

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