Am 29. September 1922 kommt Ernest Hemingway nach Istanbul, nach Konstantinopel, wie die türkische Metropole damals hieß, er soll für den Toronto Daily Star über die Friedensgespräche nach dem griechisch-türkischen Krieg schreiben. John Bone, der Chefredakteur des Star, hat seinen Paris-Korrespondenten an die Schnittstelle zwischen Orient und Okzident geschickt, weil in der Türkei die westliche Einflusssphäre verschoben wird.
Der 23-jährige Hemingway kommt mit dem Simplon-Orient-Express vom Pariser Gare de Lyon über das bulgarische Sofia nach Konstantinopel. Neben dem Toronto Star verdient sich Ernest etwas dazu, indem er unter Pseudonym die Hearst INS-Nachrichtenagentur von Frank Mason beliefert. Als John Hadley bessert er so mit Nachrichten für den amerikanischen International News Service sein spärliches Korrespondenten-Honorar auf.
Nach der Ankunft in der Türkei gerät Ernest Hemingway alsbald in Zwiespalt. Constantinople is noisy, hot, hilly, dirty, and beautiful. Die Stadt sei laut, heiß, hügelig, verschmutzt und wunderschön. Ankara ist wie eine Ehefrau, sagen die Einheimischen, Istanbul wie eine Geliebte. Kleine Cafés, winzige Läden, vor den Geschäften sitzen die Männer auf Holzkisten, rauchen viel und reden noch mehr, an den Zeitungskiosken wird lautstark die politische Lage diskutiert.
Zuerst steigt Ernest Hemingway im Grand Hôtel de Londres im europäischen Stadtteil Pera ab, ein Mitreisender im Orient-Express hat ihm das Hotel empfohlen. Fünf Tage später siedelt er in das Hôtel Montreal über. Mehrmals wird er die Unterkunft wechseln, der Mann aus Chicago ist nicht zufrieden mit dem Standard im alten Konstantinopel. Die Mücken beißen ihn, die Bettflöhe stechen, die Wanzen piesacken.
Kurz nach seiner Ankunft erkrankt Ernest Hemingway schwer. Mit hohem Fieber lässt er sich zur britischen Klinik fahren, in der er als Notfall behandelt wird. Eine Malaria wird von den Ärzten diagnostiziert, er bekommt Chinin und Aspirin. Der Journalist lässt sich bei einem türkischen Barbier die Haare vom Schädel rasieren, um den Läusen beizukommen. Seine Krankheit hält ihn nicht davon ab, die Stadt unsicher zu machen, auch bei den Bordellen im Galata-Viertel schaut er rein. Seine Artikel für den Toronto Star bilden keine große Herausforderung für ihn, er speist sie überwiegend aus den westlichen Quellen vor Ort.
Doch irgendwie erscheint Ernest Hemingway verloren in dieser ihm unbekannten Welt. Er ist kein Kind von Traurigkeit, er in Konstantinopel, die Ehefrau Hadley in Paris. Und an diesem Abend, als er sich vor Sehnsucht nach ihr innerlich ganz leer und elend fühlte, ging er am Maxim vorbei, las ein Mädchen auf und lud sie zum Essen ein. Hinterher nahm er sie in ein Tanzlokal mit, aber sie tanzte schlecht, und er tauschte sie gegen eine scharfe armenische Nutte, die ihren Bauch so heftig an ihm rieb, dass sie ihn beinahe versengte.
Ernest Hemingway spricht in seinen Artikeln offen über seine Befindlichkeit und auch über seine Gefühle, einerlei ob er sich selbst damit in ein schlechtes Licht stellt. Diese Subjektivität ist neu im Journalismus jener Tage und auch bei den Buchautoren. Wenn man seine Zeilen richtig deutet, so merkt man, er fühlt sich einsam und alleine, trotz der quirligen Welt da draußen.
Sein erster Artikel lautet