La Temporada, die spanische Stierkampf-Saison, beginnt Mitte Juni und endet gut zwei Monate später Ende August. Für einen richtigen Aficionado zählen jedoch nur die Corridas in den großen Arenen von Andalusien, im Baskenland oder jene in den monumentalen Plazas de Toros in Madrid oder in Barcelona. Bei der Temporada im Jahr 1959, die Ernest Hemingway besucht, ist jedoch so vieles anders als früher.
Manche Wettkampfstätte ist halb leer, denn die Manager treiben die Eintrittspreise in schweinische Höhen. Das Spektakel um den schwarzen Stier hat sich mitunter zu einer Schmierenkomödie und zu einem Zirkus entwickelt. Oft werden Stiere manipuliert, sie werden falsch gefüttert, sie werden gespritzt, oder sie kriegen ihre Hörner geschleift. Aus mehreren Gründen also, besonders deswegen, weil mir der Publikumssport fremd geworden war, hatte ich viel von meinem alten Gefühl für den Stierkampf verloren. Doch eine neue Generation von Kämpfern war herangewachsen, und die wollte ich unbedingt sehen.
Vom 7. bis 14. Juli 1959 reisen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary Welsh nach Pamplona, zum Encierro, dem Bullenrennen der Sanfermines. Dieser Termin im Baskenland ist Ernest heilig wie wenig anderes. Nach Pamplona sollten Sie nie mit Ihrer Frau fahren. Mit ziemlicher Sicherheit wird sie dort krank, verletzt oder verwundet werden, zumindest wird man sie anrempeln und mit Wein beschütten (..) Freilich, wenn sie Spanisch kann, wenn sie tage- und nächtelang Wein trinken kann, wenn sie es für vernünftig und logisch hält, dass man sich aus freien Stücken und nur zum Spaß von einem Stier töten lässt, wenn sie sich bei einem Regenguss nicht gleich erkältet und Staub und Dreck mag, dann nehmen Sie Ihre Frau mit.
Um acht Uhr morgens werden beim Encierro sechs Kampfstiere durch die Altstadt bis zur Plaza de Toros gejagt. Auf dieser Strecke von 825 Metern, für die der Stier keine drei Minuten braucht, laufen in Pamplona auch Touristen mit. Jeder Mozo, so werden die Läufer genannt, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose sowie ein rotes Halstuch und eine rote Schärpe. Vor Beginn des Laufes bitten die Mozos an der Statue des Schutzpatrons San Fermín um Beistand „Viva San Fermín! Gora San Fermin!“ Es lebe San Fermín!, rufen die Läufer, auf Spanisch und auf Baskisch.
Nach der Temporada 1959 macht Ernest Hemingway keine Anstalten nach Amerika zurückzukehren. Spanien hält ihn in melancholischer Stimmung gefangen. Vermutlich sucht er Geborgenheit in seinem Spanien, vielleicht spürt er tief in sich eine Verlorenheit, nachdem er Kuba verlassen hat und in die Berge Idahos umgesiedelt ist, möglicherweise weiß er nicht so recht wohin mit seiner Seele. Spanien wirkt da wie die Rückkehr zu seiner Jugend, doch er weiß auch, er ist nicht mehr jung.
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