Der Stierkampf ist ein blutiges Schauspiel auf Leben und Tod. Der schwarze Riesenbulle gegen den kleinen bunten Torero. Im antiken Drama kommt der Tod im dunklen Gewand, im Stierkampf preschen 600 Kilo auf vier Beinen auf den Menschen zu. Ein ungleicher Kampf. Doch der Matador wehrt sich, er spielt mit dem Stier, was bleibt ihm übrig, denn er will den Kopf aus der Schlinge ziehen.
Sie sah, wie Romero jede schroffe Bewegung vermied und die Stiere für den letzten Augenblick schonte, wo er sie nicht erschöpft und gereizt haben wollte, sondern auf sanfte Weise ermüdet. Nun bleibt die Frage, wer auf sanfte Weise ermüdet wird. Doch der Stierkampf lebt eh von der Verkehrung des Sachverhaltes.
In seinem Erstling Fiesta – als scharfer und kluger Beobachter der Sanfermines – beschreibt der US-Amerikaner Ernest Hemingway das Spektakel in Pamplona. Zum ersten Mal hat der junge Autor im Jahr 1923 den Encierro und die anschließenden Stierkämpfe besucht. Und er wird insgesamt zehn Mal kommen, im Juli nach Pamplona. Der Mann aus Chicago begreift dieses Großereignis, das seit dem 16. Jahrhundert alljährlich aufgeführt wird, gleichermaßen in seiner weltlichen wie religiösen Tragweite.
Von Anfang an dringt Hemingway tiefgründig in die spanische Seele ein. Gerade über die Corrida de Toros. In Spanien wundern sich viele, wie profund ein Ausländer sich einfühlen kann in ihre Tradition. Zudem ein Amerikaner! Gerade Ernests Schilderungen von den Plazas de Toros und aus der Welt des Stierkampfes tragen gründlich zur Popularität des Amerikaners in Spanien bei.
Am Rande merkt Ernest Hemingway in Fiesta an, dass es für den Begriff Stierkampf oder Bullfight keine direkte Entsprechung in der spanischen Sprache gibt. Eine Corrida de Toros – der Auflauf der Stiere – zielt in eine andere Richtung, ebenso wie der Terminus Tauromaquia, der eher das fachliche Regelwerk umschreibt. Beiden spanischen Begriffen fehlt jedenfalls die Facette der Kampfhandlungen.
Dies ist kein Zufall, denn beim Stierkampf geht es nicht um ein blutiges Abschlachten. Der Mut und die Eleganz des Toreros sollen bewundert werden, ebenso wie das Temperament und die Energie des Bullen. Auch darauf hat Ernest Hemingway mehrmals hingewiesen. Der Tod des Stieres ist nicht vergnüglich, kein Tod ist dies. Das blutige Ende gilt nicht als Sinn und Zweck des Ganzen, wenngleich eher als Ergebnis des Spektakels.
„Die Stiere sind meine besten Freunde.“ (..)
„Sie töten Ihre Freunde?“, fragte Brett.
„Immer“, sagte er auf Englisch und lachte. „Damit sie nicht mich töten.“
Bei einer Corrida de Toros handelt es sich um eine Theateraufführung unter freiem Himmel am heiligen Sonntag. Zwei Akteure spielen vor Publikum auf. Das Leben und der Tod. Der Triumphator am Ende des Aufeinandertreffens erhält den Beifall. Sieger und Verlierer im Stierkampf sitzen allerdings einer Illusion auf. Menschlich verständlich. Denn die Lebensreise des Menschen endet anders. Sobald der Besucher erneut zuhause weilt, wird ihm bewusst, wer in Wirklichkeit auf sanfte Weise zu ermüden droht. Es ist der kleine Mensch.
Allerdings ein wenig tanzen zur Melodie des Todes – vielleicht hilft es. Es ist seit Jahrhunderten gelebte Tradition vom Baskenland bis nach Andalusien. Eine Phantasterei. Die Umkehrung der Kräfte bleibt, wie könnte es anders sein, eine Selbsttäuschung. Das Ende wird auf andere Weise eingeläutet. Als rasante Katharsis indes, zumindest als zuträgliche Narretei, kann der Ritus des Kampfes von Stier und Mensch im Freilichttheater vor Tausenden vedemrstanden werden.
Romero machte es auf die alte Weise, er wahrte die Reinheit seiner Bewegungen bei maximaler Gefahr und beherrschte den Stier, indem er ihm, während er ihn auf den Todesstoß vorbereitete, deutlich vor Augen führte, dass er unerreichbar war.
So ein Stierkampf bildet das richtige Leben ab. Allerdings spiegelverkehrt. Dieser ungehobelte Autor vom Michigan See führt es uns vor Augen. Mit seiner schlichten und klaren Prosa in The Sun Also Rises, ein Buch immerhin aus dem Jahr 1926. Für dieses Feingefühl und für seine Zuneigung werden die Spanier Ernest Hemingway immer verehren, ja lieben. Wie keinen anderen Autor aus dem Norden Amerikas, noch Jahrzehnte nachdem die schwarze Bestie den Kampf gewonnen hat.
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