Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Erotik

Ernest Hemingway – Sex als Kontrapunkt

Ernest Hemingway in den 1930er Jahren: Ein Angler, der seine Angelrute oft und weit wirft. Credit Line: Public Domain.

Neben seiner krankhaften Alkoholsucht und seiner rastlosen Gier nach attraktiven Frauen treibt ihn vor allem der Gedanke an den Tod um. Die Beschäftigung mit dem eigenen Ende und der Geschlechtstrieb scheinen offensichtlich als seine stärksten Kräfte. Alles andere kommt in seiner Werte-Skala weiter hinten. Die platonische Liebe? Ein romantischer Trugschluss. Kinder? Nur wenn sie so werden wie er. Geld? Unwichtig. Das Saufen? Nötig, um die Angst, vor dem eigenen Tod halbwegs auszuhalten.

Eigentlich schreibt dieser Mann, weil er nicht sterben will und weil er von den Frauen geliebt werden möchte. Aber, diese Frage plagt ihn im Alter, was passiert, wenn er nicht mehr im Stande ist, zu schreiben? Und, genauso schlimm, was passiert, wenn dieser Angler seine Angelrute nicht mehr hochkriegt. Im Alter wird der Schriftsteller des Öfteren von Potenzstörungen geplagt und es fühlt sich für ihn genauso an, wie wenn er eine leere Seite nicht mit Wörtern und Sätzen füllen kann.

Das körperliche Verlangen wird für Ernest Hemingway eine der Energien, die ihn am Leben hält. Gleichzeitig spürt er die Faszination des Todes. Und vielleicht ist diese morbide Faszination noch stärker als der Liebestrieb. Ernest Hemingway möchte lieben und er möchte im gleichen Sinne über Leben und Tod bestimmen. Lieben und töten. Auch so erklären sich seine unkontrollierten Wutausbrüche gegenüber Frauen und Freunden, sein gelegentlicher Hass auf jedermann, den er liebt. Oder auch die Vernichtung von anderen Lebewesen, seien es die Fische, die Vögel oder die Stiere.

Manchmal wünscht sich Ernest Hemingway, beim Liebesspiel, genau auf dem Gipfel der Lust, rumms, mausetot umzufallen. Welch prachtvoller Exitus! Für Ernest Hemingway gehören Libido und Tod irgendwie zusammen. Der Gedanke an die Sexualität führt den Schriftsteller nicht gerade selten an den Gedanken des Todes. Und umgekehrt genauso. Vielleicht deshalb, weil beide Empfindungen zugleich als die beiden Pole seines Lebens wirken.

Körperliches Verlangen ist die Voraussetzung für die Entstehung neuen Lebens, und der Tod bildet den unumstößlichen Schlusspunkt desselben Lebens. Der Liebes-Trieb und der Todes-Trieb erweisen sich als die zwei Pole derselben Lebensenergie, als ein Anzünden und als ein Erlöschen der Dynamik allen Lebens. Und für Ernest Hemingway besteht eine emotionale Verbindung zwischen diesen beiden Polen.

Doch der Antrieb für seine sexuelle Rastlosigkeit sitzt tiefer: Ihn schmerzt, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Menschen so begrenzt bleiben. Der Sex lenkt ihn ab und tröstet ihn zugleich. Die körperliche Explosion ist so etwas wie der Kontrapunkt zum Tod. Nach dem Geschlechtsakt fühlt sich Ernest Hemingway oft wie neugeboren. Bei wirklich gutem Sex ist es, wie wenn sich der Geist vom Körper trennt. Ein kleiner Teil des Lebens muss erst absterben und Platz machen für etwas Neues.

Es ist ein kleiner Tod, den man stirbt, bei jedem guten Orgasmus. Aber jeder erfolgreiche Orgasmus erzeugt auch ein neues kleines Leben. Man kann diese Argumentation auch ein wenig wenden. Solange er zu solchen Gefühlsausbrüchen fähig ist, solange ist er

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Ernest Hemingway und der große Vogel

Was passiert, wenn er einmal nicht mehr seine Angelrute in Anschlag bringen kann? Ernest Hemingway mit Ehefrau Mary auf der Pilar. Foto: George Leavens.

In seinen Werken findet man die Erotik zwischen Mann und Frau in Hülle und Fülle, auch wenn Ernest Hemingway den Sex kunstvoll hinter den Zeilen verstecken muss, die Zeiten sind halt prüde. Wie in Über den Fluss und in die Wälder, als Contessa Renata und Colonel Cantwell zusammen sind und the great bird had flown out of the closed window. Der große Vogel ist plötzlich durch das geschlossene Fenster nach draußen geflogen. Ein flatternder Vogel, wen wundert’s, der für den Orgasmus steht.

Oder wenn ein Mann und eine Frau in Hemingways Erzählungen in trauter Zweisamkeit zusammen weilen, und es an der Oberfläche zwar merklich knistert, doch der Eisberg-Maestro sich wie üblich weitere Details verkneift. Wenn allerdings Ernest Hemingway anschließend seinen nächsten Satz mit einem Dann oder Danach einleitet, so ahnt der Kenner, dass es zuvor wohl heftig geklingelt hat.

Auch im Leben des Ernest Hemingway ist die Sexualität eine der maßgeblichen Triebfedern, der Schriftsteller fühlt sich zeit seines Lebens als körperlicher Mann. Viele Fotografien mit ihm, auch wenn sie scheinbar ein ganz anderes Thema abbilden, strotzen nur so vor unterschwelliger Erotik. In Liebesdingen verhält sich Ernest Hemingway wie ein nimmersatter Narzisst, der ohne körperliche Anerkennung nicht auskommen kann.

Denn die schnell entflammte Zuwendung einer neuen Eroberung lässt ihn spüren, dass es ihn als Mensch gibt und dass er lebt. Ein Nachlassen dieser Aufmerksamkeit vermag er nicht zu ertragen, denn es erinnert ihn an die eigene Begrenztheit. So wundert es nicht, dass besonders in gefahrvollen Ausnahmesituationen sein Bindungsbedürfnis besonders stark ausschlägt.

In die Krankenschwester Agnes von Kurowsky verliebt Ernest sich – schrecklich verwundet – während des Ersten Weltkriegs. Mit Martha Gellhorn turtelt er in Madrid und um ihn herum schlagen die Granaten des Spanischen Bürgerkrieges ein. Mary Welsh schließlich macht er den Hof, beide in der Uniform eines Kriegskorrespondenten, zwischen den Schlachten des Zweiten Weltkriegs.

Das körperliche Verlangen wird für Ernest Hemingway eine der Energien, die ihn am Leben hält. Gleichzeitig spürt er die Fesselung durch den Tod. Und zeitweise ist diese Faszination des Morbiden noch stärker als der Liebestrieb. Ernest Hemingway möchte lieben und er möchte im gleichen Sinne sich über Leben und Tod erheben. Auch so erklären sich seine unkontrollierten Wutausbrüche gegen seine Ehefrauen, sein gelegentlicher Hass auf jedermann, den er liebt. 

All die sexuellen Eroberungen plustern seine Allmacht auf und das solcherart gestärkte Ego lenkt Ernest Hemingway für eine Weile ab vor dem bedrohlichen Gedanken an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Doch je mehr sein Ruhm wächst, desto dünnhäutiger wird er. Weil die Erfolge im Liebesleben – auch wegen seines Narzissmus –  sich nicht als besonders tragfähig herausstellen.

Dieser Mann fällt immer in das gleiche Muster: Wenn er das Gefühl hat, von seinen Ehefrauen gekränkt zu werden, in seinen Empfindungen verletzt zu werden oder nicht genug beachtet zu werden, dann reagiert er wie ein angeschossenes Raubtier. Ernest Hemingway kontert dann

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