Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Photographen Seite 1 von 3

Wie wertvoll ist ein Hemingway-Foto?

Auf ebay finden sich Hunderte von Fotos mit Ernest Hemingway. Von billig bis sehr hochpreisig. Wie ist ihr Wert einzuschätzen?

Auf ebay, in den Antiquariaten, bei Kleinanzeigen oder Versteigerungen werden zahlreiche Fotos von Ernest Hemingway angeboten. Genauer gesagt: Fotografien, auf denen Ernest Hemingway abgebildet ist. Allein auf ebay erreicht man – bei der Suchmaske Ernest Hemingway photo – beachtliche 896 Fundstellen. Das billigste Foto wird bei ebay für 3,89 Dollar angeboten, das teuerste für 8.096 Dollar.

Was ist ein Foto mit Ernest Hemingway in Wirklichkeit wert? Gibt es neben dem Sammlerwert auch objektive Kriterien zur Wertbestimmung? Wie passt man auf, dass man als Käufer oder Käuferin nicht über den Tisch gezogen wird? In der Tat kann man etwas Licht in diesen Preis-Dschungel bringen. Von mir dazu ein paar Gedanken und Handreichungen, nach über 40 Jahren Befassung mit dem Schriftsteller.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass Ernesto seit fast 65 Jahren friedlich auf dem Dorffriedhof von Ketchum am Rande der Rocky Mountains ruht. Neue Fotos gibt es nicht, höchsten alte, die in irgendwelchen Schubladen neu entdeckt werden. Wir reden bei Hemingway-Fotos insofern tendenziell von historischen Fotos, was zunächst einmal für ein Potenzial an Wertsteigerung spricht. Nichts kann groß nachkommen.

Doch man muss genau hinschauen. Grob gesprochen gibt es drei Kategorien von Hemingway-Fotos. Da sind zunächst jene Fotos, die en masse nachproduziert werden. Was in Zeiten von Internet recht einfach ist. Man sucht sich im Netz das passende Foto aus, lädt es herunter und lässt beim Rossmann einen Papierabzug anfertigen. Ein neues Foto von einem alten Motiv. Wert in meinen Augen: von nix bis 5 Euro. Reine Dekoration, kein Sammlerwert. Von Urheberrechten will ich gar nicht reden.

Ernest Hemingway

Ein typisches Wirephoto. Mit entsprechendem Text zum Abdruck am rechten Rand.

Die zweite Kategorie sind jene, die in Amerika Wirephotos genannt werden. Das sind Pressefotos von und für Zeitungen und Zeitschriften. Im Zuge der Digitalisierung haben Medienhäuser weltweit ihre Archive digitalisiert und die vorhandenen Papierabzüge anschließend an Großabnehmer verkauft. Nun überschwemmen diese Fotos den Markt.

Meist sind solche Wirephotos bei Hemingway vielgenutzte Reproduktionen aus den 1950er und 1960er Jahren, sie tragen auf der Rückseite aufgedruckt die Redaktionsadresse, meist mit einem kurzen Text und den Copyright-Vermerken. Dazu Infos, wie und wann in der entsprechenden Zeitschrift oder Zeitung abgedruckt wurde. Diese Wirephotos sind schon hochwertiger als simple Vervielfältigungen. Je nach Motiv, Alter und Qualität – ich sage mal – 10 bis 40 Dollar.

Ernest Hemingway photo

Die Rückseite eines Wirephotos. Hier von der Agentur Associated Press. Oft genutzt in den Redaktionen. Heute ist für einen solchen Abzug in den digitalen Archiven kein Platz.

Die Königskategorie jedoch ist die dritte. Das sind die Originalfotos. Fotos, die exklusiv aus dem Labor des Fotografen stammen. Ernest Hemingway ist bekanntlich von den besten Fotokünstlern abgelichtet worden. Von Yousuf Karsh, von Robert Capa, von Alfred Eisenstaedt, um nur einige zu nennen. Wer ein solches Foto ergattern kann, der erhält eine Trouvaille für seine Sammlung.

Aber es sollte auf ein paar Formalien geachtet werden. Die Originalfotos müssen aus der Zeit der Aufnahme stammen und sollten den Herkunftsstempel des Fotografen auf verso  – auf der Rückseite – tragen. Etwas Handgeschriebenes, eine Nummerierung oder die Erklärung zu Ort und Zeit, kann nicht

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Eine kubanische Hemingway-Briefmarke erinnert an eine deutsche Fotografin

Ein Fotomotiv aus Peru (links oben) für Kuba. Ernest Hemingway auf der Miss Texas, April 1956.

Per Zufall stosse ich auf kubanische Briefmarken aus dem Jahr 2010 mit Ernest Hemingway. Genauer gesagt: auf eine kubanische Marke, mit Motiv Peru, von einer deutschen Fotografin geschossen. Gewidmet Ernest Hemingway. Dahinter steckt eine abenteuerlustige Geschichte. Es ist die Geschichte der Modeste von Unruh.

Modeste von Unruh, sie ist vom Jahrgang 1927, verbrachte ihre Kindheit in Babelsberg bei Potsdam und durchlief nach Schulabschluss eine Ausbildung zur Fotoreporterin bei Hamburger Tageszeitungen. Ihre Familie stammte aus Westpommern, wo ihr Vater als Landwirt das Hammermühler Gut des Grafen Krockow verwaltete, später wanderte der Vater dann nach Australien aus. Auch Modeste von Unruh wurde bald vom Fernweh gepackt. Kurzentschlossen ließ sie im Jahr 1954 ihren VW-Käfer über den Atlantik verschiffen, denn ihre Leidenschaft gehörte dem amerikanischen Kontinent. 

Nach einem Jahr Panamericana blieb die junge Frau auf dem Highway in Peru hängen. In Lima lernte Modeste von Unruh dann den ungarischen Kunsthistoriker Dr. László von Balás-Piry kennen. Die beiden heirateten und bezogen ein hübsches Häuschen mit Garten und Pool in Chaclacayo, gut 40 Kilometer östlich von Lima, in 650 Metern Höhe, in einem Ort mit ständigem Frühlingswetter. Als freie Korrespondentin arbeitete Modeste von Unruh in Peru für das Hamburger Magazin Kristall.

Ein Auftrag führte sie nach Cabo Blanco, in den Norden Perus, wo Ernest Hemingway auf Besuch weilte. Es ist der 26. April 1956. Und es ist ein Donnerstag, an dem sich der Weg der jungen Fotojournalistin und der Weg des gefeierten Schriftstellers kreuzen. Im Cabo Blanco Fishing Club steht die 28-Jährige am frühen Abend vor dem Nobelpreisträger, der doppelt so alt ist wie die deutsche Fotografin.

Welch eine imposante Erscheinung, dieser Ernest Hemingway, denkt die junge Frau bei sich. An den Schriftsteller erinnert sie sich als an einen Mann von mittlerer Größe, jedoch von kräftiger Statur, like a tree trunk, wie ein wuchtiger Baumstamm, wird die Reporterin später zu einem Foto für die Londoner Bildagentur Black Star schreiben. 

Nachdem der prominente Schriftsteller die deutsche Fotografin kritisch gemustert hat, bricht schnell das Eis und Ernest Hemingway scheint die junge Frau zu akzeptieren. Die forsche Hamburgerin erkennt ihre Chance. Nehmen Sie mich mit auf das Boot, sagt die schlanke blonde Frau keck zum weltberühmten Schriftsteller. Und fügt dann an: Ich werde Ihnen Glück bringen.

Mit solch einer Berühmtheit wie Ernest Hemingway einen ganzen Tag lang auf einem Boot zu verweilen, ist ein seltener Glücksfall für einen Reporter. Normalerweise nimmt der Nobelpreisträger nie die Presse mit an Bord. Doch hier macht er eine Ausnahme. Der Schriftsteller kommt auf die Miss Texas, in Bermudas, einem kurzärmeligen Baumwollhemd, darüber die Jacke, auf dem Kopf eine graue Jockey-Kappe als Schutz. Und Ernest Hemingway behandelt die junge Modeste von Unruh mit ausgesuchter Aufmerksamkeit, vielleicht erinnert er sich an seine Anfänge als Journalist, vielleicht mag er sie einfach.

Ernest Hemingway in Cabo Blanco.

Ein Schnappschuss mit Ernest Hemingway auf der Miss Texas. Wie das Motiv auf der Briefmarke. Cabo Blanco, im April 1956. Foto: Modeste von Unruh.

Modeste von Unruh sollte mit ihrer kessen Glücksvorhersage vom Vortag richtig liegen. Denn als die junge Fotografin an diesem Tag das einzige Mal mit dem Schriftsteller, seinen kubanischen Freunden und der peruanischen Crew hinausfährt, geschieht das Unerwartete. Endlich, zum ersten Mal seit fast zwei Wochen, kommt das Anglerglück, auf das er seit Tagen so sehnsüchtig hofft, zu Ernest Hemingway. Und es erweist sich als das ganz große Anglerglück. Ein kolossaler Schwarzer Marlin von 730 Pfund Gewicht wird an Bord gehievt.

Der Schriftsteller umarmt als ersten den peruanischen Kapitän der Miss Texas. Ich danke dir sehr, sagt ein ausgelassener Schriftsteller zu Jesús Ruiz More, du bist ein erstklassiger Schiffsführer. Anschließend herzt der Schriftsteller die adrette Fotografin. Modeste von Unruh hat

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Ernest Hemingway vergöttert seine Katzen

Hemingway
Katzen 
Cats
Ernest Hemingway mit einer Katze auf Finca Vigía, im Herbst 1949. Fotografiert von Paul Radkai. By courtesy of Marton Radkai

Nach San Francisco de Paula, viele Nebenstraßen sind nicht asphaltiert, braucht man von Havanna eine halbe Autostunde, zum Meer sind es von dem Anwesen gerade einmal zehn Meilen. Etwas außerhalb dieses ärmlichen Dorfes wohnt der illustre Schriftsteller auf seiner Finca Vigía, mehr als zwanzig Jahre lang. Dort lebt er zusammen mit Ehefrau Nummer Drei und Ehefrau Nummer Vier, nacheinander natürlich, sowie mit sechs Hunden und achtunddreißig Katzen. 

Achtunddreißig Katzen. Das ist keine Zuneigung, es ist eine Hingabe mit Haut und Haaren. Liebevoll betreut der Nobelpreisträger in seinem kubanischen Refugium die Katzen, er sorgt sich um sie, streichelt und drückt sie ans Herz. Und der bärtige Autor spricht mit ihnen wie mit einem Menschen. Als guter Vater kümmert er sich fürsorglich um die Kreaturen. Der Schriftsteller ist ganz vernarrt in die Katzen.

Denn Ernest sieht seine Tiere als Seelenverwandte. Eine Katze ist redlich in ihren Gefühlen. Menschen, aus welchem Grund auch immer, können ihre Gefühle verbergen, aber eine Katze kann das nicht. Auch er kann seine Gefühlswelt schwer verheimlichen, er lässt seine Umgebung und eigentlich die ganze Welt teilhaben an seinem Inneren, und selbst an seinen Lastern.

All seine Katze kennt er beim Namen, er gibt ihnen Identität und Persönlichkeit. Einer seiner Lieblingskater heißt Cristobal Colón und dieser Christoph Kolumbus wird von ihm gekrault, selbst wenn er am Schreibpult steht und an einem Manuskript arbeitet. Eine andere Katze, eine Angora, ruft er Princesa, eine weitere Good Will, Feather Puss, Furhouse und Boise. Viele Katzen nennt er nach Berühmtheiten, so Zane Grey, dem Schriftsteller, oder Clark Gable, dem Schauspieler.

Die Katzen besitzen auf der Finca Vigía Narrenfreiheit, Ernest ist kein gestrenger Vater, er erlaubt so ziemlich alles. Die Tiere dürfen auf Tischen und Schränken streunen, auf der Küchenanrichte naschen, sich in den Hausschuhen und in den Safari-Stiefeln bequem machen, und überall in Haus umherstreifen und über das weitläufige Landgut stromern. Für die Katzen räumt der Autor eine ganze Etage des Arbeitsturms frei. Ernest schreibt im Obergeschoss, die Haustiere dürfen auf der unteren Ebene des Turms machen, was sie wollen.

Als Paul Radkai im Herbst 1949 auf die Finca Vigía kommt, gelingt es dem ungarischen Fotografen, die Liebe Hemingways zu seinen Tieren wunderbar einzufangen. Der Schriftsteller spielt mit den Katzen und die Fotos von der Farm zeigen einen ausgeglichen und doch melancholischen Ernest inmitten der heilen Landschaft. Die Tiere und der Mensch als Schöpfung der Natur, in Verbundenheit.

Dennoch bemerkt man eine zerbrechliche Gemütslage über diesen Momentaufnahmen aus dem tropischen Paradies. Wo das Leben ist, da lauert auch der Tod. Ernest wird seit Jahren von depressiven Schüben übermannt, da fällt er innerlich in sich zusammen, und auch der Alkohol vermag ihn immer weniger zu trösten. Die Katzen sind seine Medizin. Nur die Katzen, in ihrer Unbekümmertheit, frei von Sorgen, schenken dem Autor kurze Augenblicke des Glücks. 

Den Katzenfriedhof auf dem Anwesen, versteckt hinter den Steinplatten der rückwärtigen Veranda, lässt der Schriftsteller liebevoll instand halten. Die Grabstätten der Tiere sind mit Sorgfalt gestaltet, mit Kreuzen und Grabplaketten, so als würde es sich um Menschen handeln, die hier begraben liegen. Gerade in den Katzen sieht Ernest Hemingway das Idealbild von Zartheit und Lauterkeit, es sind zerbrechliche und unschuldige Glücksmomente.  

In seinem karibischen Garten Eden auf der geliebten Finca Vigía, in seinem Imperium inmitten der tropischen Vegetation, bei seinen Katzen, findet dieser suchende Mensch die

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Wir alle hatten gute Tage

Ernest Hemingway macht sich Notizen im Gemeinschaftsraum
des ‚Cabo Blanco Fishing Clubs‘, im April 1956.
Foto: Modeste von Unruh.

Gut 3.000 Kilometer Luftlinie entfernt, in seiner Wahlheimat Kuba, werden die Filmarbeiten am peruanischen Pazifik aufmerksam verfolgt. Der Nobelpreisträger Ernest Hemingway und der kubanische Sportfischer Elián Argüelles halten sich mit einigen Kameraleuten vor der Küste Cabo Blancos in Peru auf, um einen tausend Pfund schweren Marlin vor die Kamera zu bekommen, berichtet der Diario Nacional aus Havanna. Mehrere Kameramänner filmen die Fangversuche der beiden Männer in peruanischen Gewässern. Hemingway und Argüelles haben bereits je zwei Schwertfische gefangen. Die Kamera lief, als Hemingway seinen zweiten Marlin am Haken hatte. Aber der Fisch widersetzte sich stark und verteidigte sein Leben. Wahrscheinlich werden jene Aufnahmen, die man von seinem Überlebenskampf filmte, auch in dem Spielfilm verwendet werden.

Ernest Hemingway wirkt von der Anspannung der letzten Wochen erschöpft, das trockene Klima mit seinen sengenden Sonnenstrahlen bereitet ihm an Armen und Beinen nun Schmerzen, die Pigmentflecken auf seiner Gesichtshaut haben sich entzündet. Zudem piesackt ihn ein unverfrorenes Bataillon aus Schmeißfliegen, Mosquitos und Zancudos, die jeden Abend unerbittlich sein winziges Hotelzimmer in Beschlag nehmen und nervtötend umher surren oder schmerzhaft zustechen. Sein Wohlbefinden wird in Cabo Blanco auf eine harte Probe gestellt.

Doch im Fishing Club und an Bord der Miss Texas lässt der Nobelpreisträger sich nicht groß etwas anmerken und er beklagt sich auch nicht. Bei einer der letzten Ausfahrten nimmt Ernest Hemingway den peruanischen Bootskapitän Jesús Ruiz More kumpelhaft zur Seite. Am liebsten würde ich noch sechs Tage länger bleiben, Jesús, bedeutet der Schriftsteller dem untersetzten Bootsmann aus Cabo Blanco. Vámonos, Don Ernesto, entgegnet Jesús Ruiz, nur zu, da draußen springen so viele Marline im Wasser, die nur auf uns warten.

In den Artikeln, die er nach seiner Abreise aus Nordperu auf der Finca Vigía verfasst, zieht der amerikanische Autor ein inspirierendes Resümee seiner Expedition nach Cabo Blanco. Wir alle hatten gute Tage, weil es dort rau und stürmisch war. Diese anregende Heimeligkeit entspricht nicht ganz der Wahrheit, denn in Wirklichkeit hat

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This Fish was caught by Elicio Argüelles

Das ikonische Foto der Modeste von Unruh, ein Original aus dem Archiv der Fotografin: Elicio Argüelles II, der Marlin von 730 Pfund und Ernest Hemingway. Im Hintergrund rechts, die Ehefrau von Kip Farrington.
Cabo Blanco, am 27. April 1956.

In Cabo Blanco kommen die Kinder des Dorfes zur Pier gelaufen, um das Schauspiel zu beobachten. Und auch die Frauen aus dem Fishing Club haben sich neugierig zum Landungssteg aufgemacht, nachdem die roten Fähnchen auf der Miss Texas den kapitalen Fang angekündigt haben. Von einer einfachen Kranhütte aus Sperrholz wird eine Ladewinde per Hand gesteuert und der leblose Monsterfisch von der Miss Texas auf die Landungsbrücke herübergezogen. Ein Riesenfisch – ein schwarzer Marlin – ist zur Strecke gebracht worden.

Im Hafen von Cabo Blanco wird am späten Nachmittag dieses 27. April 1956 der erlegte Monstermarlin kopfüber mit einem festen Seemannstau an den Querhaken der Stahlwinde aufgeknüpft, die fünf Meter hoch in den azurblauen Himmel Perus ragt. Und nun baumelt der tote König des Meeres an einem verrosteten Spreizhaken regungslos über den Planken der abgenutzten Pier herunter. Der schwarze Marlin wird jetzt gewogen, Ernest und die Freunde schauen voller Erwartung auf die Hängewaage. Die Messingnadel schlägt bei 730 Pfund aus.

Der bisher beste Fang, nicht nur für die US-Amerikaner, seit Wochen ist kein Fisch eines solchen Gewichtes in Cabo Blanco und Umgebung gefangen worden. Auch für den Nobelpreisträger stellt dieser Riesenfang einen persönlichen Rekord dar, niemals zuvor hat er einen größeren Fisch aus dem Wasser gezogen. Nach all den erfolglosen Ausfahrten, nach den Fehlschlägen und Enttäuschungen, steht der Schriftsteller am zwölften Tag auf der Pier in Cabo Blanco endlich neben der begehrten Beute.

Der einheimische Maat Máximo Jacinto Fiestas bindet das Maul des Schwarzmarlins mit einer dünnen Kordel zusammen, die Knopfaugen des toten Tieres haben sich geweitet und stechen hervor. Das Auge des Fisches blickte so starr wie die Spiegel in einem Periskop oder wie ein Heiliger in einer Prozession. Der Monsterfisch hängt mit dem Kopf voran an der Seilwinde nach unten, mit seiner spitzen Lanze eine Hand breit über den Holzbohlen der Landungsbrücke. Auf der Mole ist ein Schienenpaar eingelassen, das eine flache Lore mit Gütern zwischen Hafenkai und den Anlegeplätzen der Boote hin und her transportiert.

Auf dem langen Landungssteg, der auf Holzpfählen über hundert Meter in den Pazifik hinein ragt, schießt Modeste von Unruh nun ein Foto nach dem anderen. Die Fotografin wählt für ihre Fotos meist die Land-Perspektive und stellt sich für ihre Aufnahmen mit dem Rücken zum Meer. Das untergehende Sonnenlicht sorgt dafür, dass der tote Marlin auf den Bildern kraftvoll und kontrastreich vor den grauen Wüstenhügeln Nordperus baumelt. Es ist ein milder Spätnachmittag in Cabo Blanco, die Sonne neigt sich im Westen, ein dünner Wolkenteppich taucht das satte Blau des Himmels über dem Pazifik in ein mattes Licht.

Die beiden Männer stellen sich – erschöpft und voller Stolz – in das Fotomotiv, der erlegte Monsterfisch wird in die Mitte genommen. Ernest Hemingway platziert sich links des Marlins und packt den toten Fisch bei der dünnen Bauchflosse. Und Elicio Argüelles bringt sich rechts neben den kapitalen Fang in Positur, eine Hand ruht fest auf der mächtigen Rückenflosse des Tieres. Die Frauen der Amerikaner, zahlreiche Einheimische und die vielen Kinder schauen dem Spektakel voller Staunen zu. Modeste von Unruh schießt mehrere Dutzend Fotos des erlegten Marlins mit dessen beiden Bezwingern.

Ein solches Siegerfoto besitzt eine lange Tradition in Cabo Blanco. Das Ritual läuft immer gleich ab: An der Seilwinde wird der tote Fisch an der Schwanzflosse emporgezogen, anschließend wird er gewogen und dann baumelt er, Schwert und Kopf voran, nach unten über der Landungsbrücke. Der leblose Körper des Fisches muss sodann für die Statistik herhalten. In weißer Farbe wird das Gewicht aufgepinselt, hierauf das Datum, dann der Fangort Cabo Blanco. Und zum guten Schluss werden die Schnappschüsse für die Nachwelt geschossen.

Ernest Hemingway ist froh, eine professionelle Fotografin in Cabo Blanco an seiner Seite zu wissen. In den Tagen der Fehlschläge hat es nichts zu reportieren gegeben, der gescheiterte Versuch gleicht für ihn einer Niederlage. Nach einem Erfolg allerdings sorgt er dafür, dass die Menschen auf dem Globus die richtigen Bilder aus seiner Macho-Sphäre zu Gesicht bekommen. Die Kultfigur, zu der er sich über die Jahre aufgebaut hat, ist nicht zuletzt all den ikonischen Darstellungen zu verdanken, die von Top-Fotografen aufgenommen worden sind…(Anfang von Kapitel 18 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken).

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Rote Wimpel vor Cabo Blanco

Modeste von Unruh mit Ernest Hemingway auf der ‚Miss Texas‘.
Cabo Blanco, am 27. April 1956.

Der Fotografin ist die Verärgerung anzumerken. Modeste von Unruh legt in Chaclacayo bei Lima die Ausgabe La Prensa vom 17. April 1956 aus der Hand. Zum wiederholten Male hat sie bei sich zu Hause Jorge Donayres Artikel über Ernest Hemingway und dessen Eintreffen in Cabo Blanco durchgelesen. Die Deutsche, die seit über einem Jahr in Peru lebt, empfindet die verunglimpfende Berichterstattung der Tageszeitung als massive Zumutung.

Alleine die abfällige Überschrift ärgert sie mächtig. Er ist ein bekennender Trinker, Sportfischer und Abenteurer, liest sie in fetten Lettern als Kopfzeile der Reportage auf Seite eins. Bekennender Trinker, es hört sich ähnlich an wie bekennender Katholik, so als wäre das Saufen eine Religion. Der Bericht in La Prensa, einer Zeitung, der in jenen Jahren fast stärkerer Einfluss zukommt als dem elitären El Comercio, stellt den US-Schriftsteller vor allem als Lebemann und Trunkenbold dar. Von Literatur ist nur am Rande die Rede, umso mehr von Whiskey und anderem Alkohol.

Zwei Tage später setzt La Prensa noch eins drauf. Asi es un Dia de Hemingway a las orillas de Cabo Blanco, wird ein Zweispalter von Jorge Donayre am 19. April überschrieben. So verläuft ein Tag von Ernest Hemingway an den Gestaden von Cabo Blanco. Und nicht weniger als fünfmal kommt in der knappen Abhandlung das Wort Whiskey vor. Aufstehen, Whiskey. Auf dem Boot, Whiskey. Beim Mittagessen, wiederum Whiskey – und so weiter. Auf 56 Zeilen fast ein halbes Dutzend Mal den Alkohol unterzubringen, auch dies ist eine Kunst.

Jorge Donayres boshaftes Portrait in der massentauglichen La Prensa passt so ganz zu der anti-amerikanischen Stimmung in Peru in jenen Tagen. Diese Art der Hassliebe gegenüber dem schwerreichen Bruder im Norden zieht sich durch die gesamte Geschichte des verarmten Andenlandes. Es ist ein hochgekochter Mix, angerührt aus Neid, Minderwertigkeitsgefühl und echtem Unmut.

Pobre México, tan lejos de Dios y tan cerca de Estados Unidos!, hat der mexikanische Präsident Porfirio Díaz vor über hundert Jahren wehmütig ausgerufen und sein Lamento macht sich der ganze Subkontinent zu eigen. Armes Mexiko, so weit entfernt von Gott und so nahe an den Vereinigten Staaten. Mit ihrem wirtschaftlichen und kulturellen Hegemonialanspruch machen sich die gringos aus dem Norden jedenfalls nicht besonders viele Freunde in Lateinamerika.

Mit Ernest Hemingway schlägt man allerdings den falschen Sack auf dem richtigen Esel. Wie auch immer, die junge Frau aus der Nähe von Lima beurteilt die Berichte aus Cabo Blanco als geringschätzig im Inhalt und wertet sie journalistisch als herbe Enttäuschung. Wie nur kann man derart respektlos und unfein mit diesem bedeutenden Schriftsteller umspringen? Ein Säufer, der den Nobelpreis bekommen hat, so liest Modeste von Unruh zwischen den Zeilen.

Ihr scheint all dies ein krudes Zerrbild, ein schiefer Eindruck, den La Prensa von Ernest Hemingway in den Zeitungsspalten zeichnet. Für Modeste von Unruh, sie ist im November 1927 geboren, ist dieser Autor ein ganz anderer. Die Novelle Der alte Mann und das Meer und das Bürgerkriegsepos Wem die Stunde schlägt stehen im Bücherschrank der jungen Frau. Sie hat diese Romane, wie auch andere Erzählungen von ihm gelesen und als packende und ungewöhnlich einfühlsame Literatur in Erinnerung.

Sie verspürt, wie diesem Ausnahme-Schriftsteller, aus welchen Gründen auch immer, hundsgemein mitgespielt wird. Ihr journalistischer Ehrgeiz wird durch die unfaire Darstellung geweckt… (Anfang von Kapitel 17 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken).

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Ein Hemingway-Zwilling auf Facebook

Die launige Huldigung des Wayne Collins an Ernest Hemingway ist auf Facebook zu bestaunen.

Die Vergötterung des Ernest Hemingway nimmt nicht selten ausgelassene Züge an. Wer beispielsweise auf Facebook einen wachen Blick auf die Hemingway-Verehrung lenkt, der kommt aus dem Staunen und dem Amüsement nicht mehr heraus. Da findet sich zum Beispiel Wayne Collins, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alte Fotomotive des Nobelpreisträgers möglichst realistisch nachzustellen.

Ernest Hemingway in Afrika, der Schriftsteller in Spanien oder auf dem Meer vor Kuba, sein Zwilling aus heutiger Zeit folgt ihm, stellt ihm nach und stellt ihn nach. Ein wenig hilft, dass dieser Wayne Collins dem Schriftsteller-Genie aus Chicago in Statur und Antlitz nicht ganz unähnlich wirkt.

„Als wir vor ein paar Jahren auf Trip in der Karibik waren, und mit den Jahren, hatte ich einen grauen Bart, der länger und länger wurde“, erzählt Wayne Collins über seine Anfänge als Hemingway. „Am Strand meinte meine Tochter dann, ich sähe Ernest immer ähnlicher.“ 

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Ernest Hemingway boxt in Afrika, Wayne Collins in seinem Garten.

Wayne, ein Mann aus North Carolina, ist Hemingway-Fan seit er denken kann. In Key West, Hemingways hometown in den 1930er Jahren, mischt er jedes Mal mit beim look-a-like contest, der seit 1981 jedes Jahr im Juli um die Kneipe Sloppy Joe’s herum veranstaltet wird.

„Wir haben da einen Wettbewerb, an dem ich und andere look-a-likes teilnehmen. Wir tummeln uns fröhlich auf der Bühne, kleiden uns wie er, reden über ihn, trinken wie er und veranstalten ein Bullenrennen durch Key West, mit falschen Stieren natürlich.“ Sein Traum ist, diesen Wettbewerb zu gewinnen.

Noch ist Wayne bei der Gaudi im Sloppy Joe’s ein wannabe. Erst wenn man den Wettbewerb gewinnt, gilt man als Papa, wie der Kosename des Schriftstellers lautet. „Wir freuen uns jedes Jahr auf die Reise nach Key West. Mit dem Auto die Florida Keys hinabzufahren ist etwas, das man in seinem Leben einmal getan haben muss.“ Ein bucket list item, das jeder auf seiner Lebensliste haben sollte.

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In ‚La Cónsula‘, im andalusischen Churriana, steht der Nobelpreisträger am Schreibpult. Und Wayne kopiert Jahrzehnte später Habitus und Kleidungsstil.

Man schaut auf die Replik-Fotos des Wayne Collins mit Heiterkeit und Vergnügen. Das Augenzwinkern, das bei diesem skurrilen  Steckenpferd regiert, ist nicht zu übersehen. Und auch der Nicht-Aficionado beginnt zu ahnen, welch ein Gigant dieser Autor sein muss, wenn ihn 60 Jahre nach seinem Ableben Dutzende gestandener Mannskerle voller Enthusiasmus nachstellen.

Zudem begreift man, dass die Verehrung dieses Nobelpreisträgers weit über das Literarische der Romane und Erzählungen hinausgeht. Die Verneigung erfolgt nicht nur vor dem Autor, sondern zudem vor dem Menschen und seiner ausgeprägten Lebenszugewandtheit. „It is a really great time!“, Wayne Collins lächelt.

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Ernest Hemingway und der große Vogel

Was passiert, wenn er einmal nicht mehr seine Angelrute in Anschlag bringen kann? Ernest Hemingway mit Ehefrau Mary auf der Pilar. Foto: George Leavens.

In seinen Werken findet man die Erotik zwischen Mann und Frau in Hülle und Fülle, auch wenn Ernest Hemingway den Sex kunstvoll hinter den Zeilen verstecken muss, die Zeiten sind halt prüde. Wie in Über den Fluss und in die Wälder, als Contessa Renata und Colonel Cantwell zusammen sind und the great bird had flown out of the closed window. Der große Vogel ist plötzlich durch das geschlossene Fenster nach draußen geflogen. Ein flatternder Vogel, wen wundert’s, der für den Orgasmus steht.

Oder wenn ein Mann und eine Frau in Hemingways Erzählungen in trauter Zweisamkeit zusammen weilen, und es an der Oberfläche zwar merklich knistert, doch der Eisberg-Maestro sich wie üblich weitere Details verkneift. Wenn allerdings Ernest Hemingway anschließend seinen nächsten Satz mit einem Dann oder Danach einleitet, so ahnt der Kenner, dass es zuvor wohl heftig geklingelt hat.

Auch im Leben des Ernest Hemingway ist die Sexualität eine der maßgeblichen Triebfedern, der Schriftsteller fühlt sich zeit seines Lebens als körperlicher Mann. Viele Fotografien mit ihm, auch wenn sie scheinbar ein ganz anderes Thema abbilden, strotzen nur so vor unterschwelliger Erotik. In Liebesdingen verhält sich Ernest Hemingway wie ein nimmersatter Narzisst, der ohne körperliche Anerkennung nicht auskommen kann.

Denn die schnell entflammte Zuwendung einer neuen Eroberung lässt ihn spüren, dass es ihn als Mensch gibt und dass er lebt. Ein Nachlassen dieser Aufmerksamkeit vermag er nicht zu ertragen, denn es erinnert ihn an die eigene Begrenztheit. So wundert es nicht, dass besonders in gefahrvollen Ausnahmesituationen sein Bindungsbedürfnis besonders stark ausschlägt.

In die Krankenschwester Agnes von Kurowsky verliebt Ernest sich – schrecklich verwundet – während des Ersten Weltkriegs. Mit Martha Gellhorn turtelt er in Madrid und um ihn herum schlagen die Granaten des Spanischen Bürgerkrieges ein. Mary Welsh schließlich macht er den Hof, beide in der Uniform eines Kriegskorrespondenten, zwischen den Schlachten des Zweiten Weltkriegs.

Das körperliche Verlangen wird für Ernest Hemingway eine der Energien, die ihn am Leben hält. Gleichzeitig spürt er die Fesselung durch den Tod. Und zeitweise ist diese Faszination des Morbiden noch stärker als der Liebestrieb. Ernest Hemingway möchte lieben und er möchte im gleichen Sinne sich über Leben und Tod erheben. Auch so erklären sich seine unkontrollierten Wutausbrüche gegen seine Ehefrauen, sein gelegentlicher Hass auf jedermann, den er liebt. 

All die sexuellen Eroberungen plustern seine Allmacht auf und das solcherart gestärkte Ego lenkt Ernest Hemingway für eine Weile ab vor dem bedrohlichen Gedanken an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Doch je mehr sein Ruhm wächst, desto dünnhäutiger wird er. Weil die Erfolge im Liebesleben – auch wegen seines Narzissmus –  sich nicht als besonders tragfähig herausstellen.

Dieser Mann fällt immer in das gleiche Muster: Wenn er das Gefühl hat, von seinen Ehefrauen gekränkt zu werden, in seinen Empfindungen verletzt zu werden oder nicht genug beachtet zu werden, dann reagiert er wie ein angeschossenes Raubtier. Ernest Hemingway kontert dann

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Ernest Hemingway dankt Modeste von Unruh

Ernest Hemingways Brief vom 21. Mai 1956 an die Fotografin Modeste von Unruh aus dem peruanischen Fischerdorf Cabo Blanco.

Der Schriftsteller setzt sich an den kleinen Tisch und verfasst ein Schreiben an Modeste von Balás-Piry. Er befindet sich in Cabo Blanco, im Norden Perus, und der Kalender zeigt den 21. Mai 1956. Der Nobelpreisträger spricht die deutsche Fotografin Modeste von Unruh mit ihrem Ehenamen an, so wie er auf ihrer Visitenkarte steht. Auf dem mauven Briefpapier des Cabo Blanco Fishing Clubs schreibt der bärtige Amerikaner einen herzlichen Gruß an seine Fotografin und übermittelt ihr nochmals seinen Dank.

Er findet, dass die Fotos auf der Miss Texas die Marlin-Jagd glänzend einfangen und er, der wilde Naturbursche, steht im Mittelpunkt von all dem. Über den Schnappschüssen, die in der Hamburger Zeitschrift Kristall erscheinen sollen, weht ein Hauch von Draufgängertum und Verwegenheit, so soll ihn die Welt sehen.

Die Fotos der Modeste von Unruh halten seinen Triumph fest, sie schmeicheln seiner durch das Alter verletzten Eitelkeit. Die Bilder aus Cabo Blanco künden der Welt von seiner Vitalität, einerlei, wie es in ihm drinnen aussieht. Die Botschaft vom Sieg des alternden Mannes richtet sich nicht nur an die Welt da draußen, die Botschaft geht vor allem an ihn selbst.

Denn das Bulletin seines kubanischen Hausarztes Doktor José Luis Herrera Sotolongo spricht eine klare Sprache. Doch die Fotos lindern seine Pein ein wenig, zwar nicht den Schmerz des Körpers, aber den der Seele. Deshalb richtet Ernest Hemingway herzliche Worte des Dankes an Modeste von Balás-Piry, in einem eng beschriebenen Brief, über eine volle Seite.

Zunächst bittet er die junge Fotografin, sie veröffentlicht unter ihrem Mädchennamen Modeste von Unruh, um weitere Abzüge. Dann spricht er seine Anerkennung aus. I wish you could have been with us all the time, with your beautiful camera and your good luck. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die ganze Zeit bei uns gewesen wären, mit Ihrer wundervollen Kamera und Ihrem guten Glück.

The good luck, das gute Glück, das sich von der Fotografin auf den Autor überträgt, weil sie hilft, den großen Fisch zu fangen. The good luck beschreibt jenen

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Paul Radkai und das Raubein, das eine Katze krault

Paul Radkai, auf Finca Vigía im Herbst 1949, fotografiert Ernest Hemingway.
Foto: Karen Radkai, by courtesy of Marton Radkai

Paul Radkai, als Pal Laszlo Ratkai 1915 in Budapest geboren, reiht sich ein in die Riege erstklassiger ungarischer Fotografen wie Robert und Cornell Capa, Brassaï oder André Kertész. Wie die meisten seiner Kollegen findet er sein künstlerisches Glück jedoch erst in der Ferne. Als 19-Jähriger wandert Radkai in die USA aus, wo er sich als Journalist und insbesondere als Fotograf einen guten Namen macht.

Zusammen mit seiner Ehefrau Karen schaut Paul Radkai im Herbst 1949 bei den Hemingways auf Kuba vorbei. Eigentlich arbeitet Radkai überwiegend in der Modefotografie, er hat aber auch mit einer Artikelserie für Furore gesorgt, in der er Berühmtheiten wie Virgil Thomson, José Limón oder Rex Harrison in deren Domizil porträtiert. Nun kommt also Ernest Hemingway an die Reihe. Die Chemie zwischen dem Ungar und dem Schriftsteller stimmt von Anfang an.

You have the only lens that shows how many times my nose was broken. Also you have a lovely wife, dankt Hemingway in einem Brief dem Fotografen. Radkais Leica sei so fein, das nur deren Linse zeige, wie oft seine Nase gebrochen worden sei. Und, übrigens, er habe eine liebenswerte Frau. So ist es: Karen Radkai, 1919 geboren und ebenfalls eine bekannte Modefotografin, in den 1950er Jahren für Vogue, beeindruckt als fachkundige und aparte Frau neben ihrem Ehemann.

Ernest Hemingway weiß die Arbeit von Paul und Karen Radkai zu schätzen und er stapelt mal wieder tief. I am not fascinated by my own face but I love to look at Mary’s, schreibt Ernest Tage nach ihrem Treffen an den Fotografen. Von seinem eigenen Gesicht sei er nicht groß fasziniert, aber er schaue jenes von Miss Mary gerne an. Der Artikel mit den Fotos erscheint in Harper’s Bazaar im März 1950 unter dem Titel The Hemingways in Cuba auf den Seiten 172 und 173.

Paul Radkai kitzelt auf seinen Fotografien besonders Ernest Hemingways liebevoller Umgang mit seinen Katzen und den Hunden heraus. An seinem Hund Black Dog hängt Ernests Herz. Der schwarzzottelige Spaniel Black Dog ist ihm zugelaufen in einer Skihütte im Sun Valley in Idaho, halb verhungert und menschenscheu. Der Schriftsteller hat sich des malträtierten Tieres angenommen, den Jagdhund aufgepäppelt und ihn dann mit nach Kuba genommen.

Black Dog kratzt sich, hat der grauhaarige Schriftsteller im September 1956 zu einem Foto in der Zeitschrift LOOK räsoniert, das ihn und seinen schwarzen Hund zeigt, er ist alt geworden und kann weder gut sehen noch gut hören. Aber er hat einen gesunden Appetit und liebt das Leben. Der treue Freund weicht nicht mehr von seiner Seite.

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Den Umschlag von Across the River and into the Trees hat Hemingways Schwarm, die junge Italienerin Adriana Ivancich, gestaltet. Auf dem Rückumschlag findet sich ein Foto von Paul Radkai. Das Raubein Hemingway mit einer kleinen Katze im Arm.

Die Hunde liebt Ernest Hemingway abgöttisch. Als im Jahr 1958 ein Militärkommando des Diktators Batista mitten in der Nacht die Finca Vigía durchkämmt, auf der Suche nach Waffen der Rebellen, und sein Hund Machakos am Tor Wache hält, da wird der gutmütige Hund von einem Soldaten mit dem Gewehrkolben erschlagen. Der Verlust von Machakos trifft den Schriftsteller tief, er fällt in eine schwere Depression.

Wie keinem anderen Fotografen gelingt es Paul Radkai, die Liebe des Ernest Hemingway zu seinen Tieren festzuhalten. Dieser Charakterzug ist

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