Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Máximo Jacinto Fiestas

Ernest Hemingway lebt!

Don Máximo Jacinto Fiestas, der mit Ernest Hemingway den ersten Whiskey seines Lebens trank. Cabo Blanco, im März 2016. Foto: W. Stock

Im Dorf scheint die Uhr still zu stehen, die Bewohner gehen unaufgeregt ihrem Alltag nach. Viel zu gehen und zu tun gibt es in Cabo Blanco allerdings nicht. An windreichen Tagen fallen die Surfer ein, ein paar Backpacker verirren sich, doch meist bleiben die Fischer und die Kleinhändler unter sich. Die jungen Leute aus dem Ort haben sich schon längst aufgemacht nach Talara oder Piura oder gar nach Lima, wo es mehr Arbeit gibt und eine bessere Bezahlung. Und so bestimmen die Rentner das Bild der Ortschaft, ältere Herrschaften, die in ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda ihres Häuschens den Vormittag vor sich hinwippen und den Nachmittag gleich mit.

Jeder kennt jeden in diesem Nest, es sind gerade einmal 200 Familien, die in dem Fischerdorf leben. Du fragst, wo wohnt Rufino, und man antwortet dem Besucher, die Straße hoch, das dritte Haus auf der rechten Seite. Denn ein jeder weiß, wer mit Rufino gemeint ist, nicht nur, weil es nur einen Rufino in diesem Fleckchen gibt, sondern weil jeder hier alles vom anderen weiß, die Bewohner leben wie in einer Großfamilie.

Den Stolz auf ihr Dorf eint alle. Jeder im Ort – vom Halbwüchsigen bis zum Greis – wird dir zweierlei erzählen: Erstens, dass es in Cabo Blanco Tage gab, an denen man vor der Küste den größten Fisch auf diesem Planeten fangen konnte. Und zweitens, dass der beste Schriftsteller aller Zeiten fünf Wochen seines Lebens in Cabo Blanco verbracht hat, Tage voller Glück und Zufriedenheit. Mit ihrem Urteil liegen die Einheimischen nicht falsch. Der bärige Amerikaner hat seinen Aufenthalt am peruanischen Pazifik mit Leib und Seele genossen.

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Don Rufino Tume, der Kapitän der ‚Pescadores Dos‘, der Mary Welsh hinaus auf das Meer fuhr. Cabo Blanco, im März 2016. Foto: W. Stock

Nach der Heimkehr widmet er in einem Artikel für die Zeitschrift LOOK vom 4. September 1956 seinem Gastland eine lange Passage, die sich wie eine typische Liebeserklärung à la Hemingway liest. In Peru, wohin wir gegangen waren, um zu versuchen, für den Film einen großen Fisch aufzunehmen, war es ganz anders. Wir haben 32 Tage gefischt, von der ersten Stunde des Morgens bis zur Dämmerung, bis es schwierig wurde, zu filmen. Das Meer glitzerte wie ein riesiger Berg mit Schnee auf dem Gipfel. Wir konnten vom Kamm der Welle hinüber schauen aufs Land, dort wo der sandige Wind die Hügel an der Küste umschlang.

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Don Máximo aus Cabo Blanco liebt das Meer und das Fischen

Máximo Jacinto Fiestas – auf dem Foto als Maat auf Hemingways Boot und heute.
Photo by W. Stock

Máximo Jacinto Fiestas, der pausbäckige Maat, der dem Schriftsteller die Köder präparierte und mit ihm auf hoher See den Johnnie Walker trank, ist verdammt dünn geworden. Er lebt im Norden von Cabo Blanco, an der Carretera nach El Ñuro, einen Steinwurf vom Pazifik Perus entfernt, in einem bescheidenen Häuschen. Freundlich empfängt uns der Greis und bittet uns in sein kleines Haus.

Dort findet man im Wohnzimmer eine schmale Kommode, auf der gerahmte Fotos stehen, dahinter ist die Holzwand hochgezogen mit angehefteten Bildern, ein Aufbau, der einem katholischen Altarschrein gleicht. Die zahlreichen Fotos auf dem Tisch und an der Wand kennen nur ein Thema, sie alle halten die Ereignisse aus dem Jahr 1956 wach.

„Das war die beste Begegnung in meinem Leben, ich bin Gott dankbar, dass ich Ernesto kennenlernen durfte“, murmelt der 93-Jährige glücklich. „Don Ernesto war der umgänglichste Gringo, der je nach Cabo Blanco gekommen ist. Ich kann es nicht erklären, aber er war so ganz anders als die anderen.“ Man habe sich gut verstanden, aber Hemingway habe nicht viel Spanisch gesprochen.

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Der junge Fischer Máximo Jacinto Fiestas mit Ernest Hemingway auf dem peruanischen Pazifik vor Cabo Blanco. Photo by Modeste von Unruh.

Don Máximo Jacinto, so geht die Fama um in seinem Dorf, sei in seinen Tagen der beste Carnalero zwischen Tumbes und Chiclayo gewesen. Carnalero, so nennen die Einheimischen jene Fischer mit der Fertigkeit die Carnada, den für die Großfisch-Jagd so entscheidenden Köder, fachgerecht zu präparieren. Und Ernest Hemingways Köder-Präparator erzählt noch heute mit Stolz von der Begegnung mit dem berühmten Schriftsteller. „Auf einer Ausfahrt hatte sich ein Marlin mit der Angelschnur unter dem Boot verheddert. Hemingway rief mich, ich zog mir die Badehose an und ging unter das Boot. Auch das gehörte zu meinen Aufgaben.“ Die Augen des alten Fischers lächeln schelmisch. „Mit einer Zange schnitt ich die Angelschnur durch, damit der Marlin sich befreien konnte.“

Das Schicksal hat dem Fischer Máximo Jacinto nicht immer gut mitgespielt. Er ist fast blind, und er mag am liebsten seinen Stuhl auf der Veranda nicht verlassen. Doch der Fischer Máximo Jacinto Fiestas aus Cabo Blanco ist keiner, der dem Leben große Vorhaltungen macht. „Ich bin mit meinen Leben zufrieden, weil ich das Meer und das Fischen liebe.“ Pescar, den Fisch fangen, das sei seine Aufgabe gewesen, die Pesca habe für sein Auskommen gesorgt. Das Meer hat sein Leben geprägt, dies hat er mit seinem berühmten Freund gemeinsam. „Deshalb bin ich auch in der dritten Klasse von der Grundschule weg und Fischer geworden.“

Der greise Mann, der in seinem Schaukelstuhl alte Tageszeitungen liest, scheint mit dem Leben, so wie es nun mal ist, in Harmonie. Er hat seine Ziele erreicht, was ja nicht jeder sagen kann, wo auch immer er leben mag. „Ich habe meine Familie zusammen gehalten. Einer meiner Söhne ist Taucher und zwei meiner Töchter haben sich mit Fischern verheiratet.“ Eine grenzenlose Wertschätzung besitze er für das Meer, ja, eine fast göttliche Hochachtung. Der Natur muss man nur gehorchen, man darf sie nicht dominieren wollen. Dafür gibt dir das Meer viel zurück, es lässt dich innerlich zur Ruhe kommen. So ähnlich sieht es Ernest Hemingway, der bärtige Amerikaner blickt wie ein Fischer auf die Welt.

Er könne zwar nicht mehr die Strandpromenade entlang schlendern wie noch vor einiger Zeit, aber er liest jeden Tag seine Zeitungen und gerade sei ein

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