Máximo Jacinto Fiestas, der pausbäckige Maat, der dem Schriftsteller die Köder präparierte und mit ihm auf hoher See den Johnnie Walker trank, ist verdammt dünn geworden. Er lebt im Norden von Cabo Blanco, an der Carretera nach El Ñuro, einen Steinwurf vom Pazifik Perus entfernt, in einem bescheidenen Häuschen. Freundlich empfängt uns der Greis und bittet uns in sein kleines Haus.
Dort findet man im Wohnzimmer eine schmale Kommode, auf der gerahmte Fotos stehen, dahinter ist die Holzwand hochgezogen mit angehefteten Bildern, ein Aufbau, der einem katholischen Altarschrein gleicht. Die zahlreichen Fotos auf dem Tisch und an der Wand kennen nur ein Thema, sie alle halten die Ereignisse aus dem Jahr 1956 wach.
„Das war die beste Begegnung in meinem Leben, ich bin Gott dankbar, dass ich Ernesto kennenlernen durfte“, murmelt der 93-Jährige glücklich. „Don Ernesto war der umgänglichste Gringo, der je nach Cabo Blanco gekommen ist. Ich kann es nicht erklären, aber er war so ganz anders als die anderen.“ Man habe sich gut verstanden, aber Hemingway habe nicht viel Spanisch gesprochen.
Don Máximo Jacinto, so geht die Fama um in seinem Dorf, sei in seinen Tagen der beste Carnalero zwischen Tumbes und Chiclayo gewesen. Carnalero, so nennen die Einheimischen jene Fischer mit der Fertigkeit die Carnada, den für die Großfisch-Jagd so entscheidenden Köder, fachgerecht zu präparieren. Und Ernest Hemingways Köder-Präparator erzählt noch heute mit Stolz von der Begegnung mit dem berühmten Schriftsteller. „Auf einer Ausfahrt hatte sich ein Marlin mit der Angelschnur unter dem Boot verheddert. Hemingway rief mich, ich zog mir die Badehose an und ging unter das Boot. Auch das gehörte zu meinen Aufgaben.“ Die Augen des alten Fischers lächeln schelmisch. „Mit einer Zange schnitt ich die Angelschnur durch, damit der Marlin sich befreien konnte.“
Das Schicksal hat dem Fischer Máximo Jacinto nicht immer gut mitgespielt. Er ist fast blind, und er mag am liebsten seinen Stuhl auf der Veranda nicht verlassen. Doch der Fischer Máximo Jacinto Fiestas aus Cabo Blanco ist keiner, der dem Leben große Vorhaltungen macht. „Ich bin mit meinen Leben zufrieden, weil ich das Meer und das Fischen liebe.“ Pescar, den Fisch fangen, das sei seine Aufgabe gewesen, die Pesca habe für sein Auskommen gesorgt. Das Meer hat sein Leben geprägt, dies hat er mit seinem berühmten Freund gemeinsam. „Deshalb bin ich auch in der dritten Klasse von der Grundschule weg und Fischer geworden.“
Der greise Mann, der in seinem Schaukelstuhl alte Tageszeitungen liest, scheint mit dem Leben, so wie es nun mal ist, in Harmonie. Er hat seine Ziele erreicht, was ja nicht jeder sagen kann, wo auch immer er leben mag. „Ich habe meine Familie zusammen gehalten. Einer meiner Söhne ist Taucher und zwei meiner Töchter haben sich mit Fischern verheiratet.“ Eine grenzenlose Wertschätzung besitze er für das Meer, ja, eine fast göttliche Hochachtung. Der Natur muss man nur gehorchen, man darf sie nicht dominieren wollen. Dafür gibt dir das Meer viel zurück, es lässt dich innerlich zur Ruhe kommen. So ähnlich sieht es Ernest Hemingway, der bärtige Amerikaner blickt wie ein Fischer auf die Welt.
Er könne zwar nicht mehr die Strandpromenade entlang schlendern wie noch vor einiger Zeit, aber er liest jeden Tag seine Zeitungen und gerade sei ein Artikel über ihn in einem Buch erschienen. Ab und an kommen alte Freunde vorbei, und er sei glücklich, dass Gott ihm noch die Zeit gebe, seine Frau, die sieben Kinder und all die Enkel und das Meer zu sehen. So sei sein Leben.
Ich zeige dem Fischer das Foto, das Modeste von Unruh vor 60 Jahren von ihm aufgenommen hat, Máximo Jacinto füllt im Hochformat das ganze Bild aus. Der junge Kerl in weißem Hemd, grauer Hose und mit einer hellen Sonnenkappe auf dem Kopf befindet sich an Bord der Miss Texas und als Carnalero näht er gerade einen kleineren Fisch in den Angelhaken ein.
Der greise Peruaner sieht das Motiv zum ersten Mal. Máximo Jacinto schaut sich lange das großformatige Bild an, so als ob er die Erinnerungsstücke an die eigene Jugend von weit herholen muss. Der junge Bursche auf dem Foto ist unverkennbar er. Máximo Jacinto Fiestas ist seither gewiss sechs Jahrzehnte gealtert, doch die dünnen zweiflerischen Mundwinkel sind dieselben, damals wie heute.
Don Máximo Jacinto Fiestas aus Cabo Blanco ruht auf der Veranda seines Häuschens in einem schrottreifen Schaukelstuhl und schaut auf sich als junger Kerl. Er könne das Foto behalten, sage ich, ein kleines Geschenk. Vielen Dank, sagt der alte Mann zufrieden und reicht das Foto seiner Frau. Ich bin sicher, es wird im Wohnzimmer seinen Platz finden, auf dem Hemingway-Altar.
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