Im Morgengrauen des 2. Juli 1961 beendet einer der größten Schriftsteller aller Zeiten sein Leben. Mit einer doppelläufigen Schrotflinte, die er sonst zur Taubenjagd nutzt, erschießt sich Ernest Hemingway im Eingangsbereich seines Landhauses in Ketchum.
Der entlegene Ort im US-Staat Idaho ist die letzte Lebensstation des Weltenbummlers. Der alt gewordene Schriftsteller, der seit 1952 (in diesem Jahr erschien sein Meisterwerk „Der alte Mann und das Meer“) kein Buch mehr veröffentlicht hat, ist ein gebrochener Mann. Hemingways maßloses Leben fordert nun seinen Tribut: Das letzte Lebensjahr ist von Krankheiten und Klinikaufenthalten überschattet.
Die Beerdigung des Nobelpreisträgers findet an einem Freitag in Ketchum statt, am 7. Juli 1961. Mary, seine Witwe, will eine Beerdigung im familiären Kreis. Es kommen seine drei Söhne John, Patrick und Gregory, dazu die vier Schwestern und der jüngere Bruder Leicester. Zahlreiche Beileidstelegramme aus aller Welt sind im Haus der Hemingways am East Canyon Run Boulevard eingetroffen. Das Weiße Haus, der Kreml und auch der Vatikan haben ihre Kondolenz übermittelt.
Der Ketchum Cemetery liegt am nördlichen Rand des ehemaligen Silberminen-Ortes. Es ist ein einfacher Dorffriedhof, auf dem der Nobelpreisträger neben Farmern und einfachen Händlern seine letzte Ruhe findet. „Oh, mein Herr und Gebieter“, betet Dorfpastor Waldemann, „gewähre deinem Diener Ernest Hemingway die Vergebung für seine Sünden.“ Ganz in schwarz gekleidet und mit dunkler Sonnenbrille wirft Miss Mary eine rote Rose hinab auf den Sarg ihres Ehemannes.
Der Mann, der auf dem schmucklosen Friedhof seinen letzten Segen erhält, ist in seinen 61 Lebensjahren kein Heiliger gewesen. Er hat seine vier Ehefrauen hemmungslos hintergangen, er hat sich halbtot gesoffen, die Kinder vernachlässigt, und er ist auch ein ziemlicher Angeber gewesen. Aber er konnte schreiben wie keiner vor ihm. Er hat die englische Literatur von der viktorianischen Altbackenheit eines Charles Dickens befreit, er ist ein Revolutionär gewesen mit neuen Themen und einem lebensnahen Stil.
Noch heute pilgern Anhänger aus aller Welt in das abgeschiedene Kaff der Rocky Mountains. Auf der Grabplatte aus klarem Quarzit liegen halbgetrunkene Whiskey-Fläschchen, kleine Geldmünzen, Schreibstifte oder andere Mitbringsel, die Bewunderer als Zeichen ihrer Ehrerbietung dagelassen haben. „Ich säubere die Grabstätte einmal pro Woche“, sagt der Friedhofswärter, „aber zwecklos, am nächsten Tag ist alles erneut verunstaltet.“
Ein paar Tage nach dem Selbstmord lässt