Life Alfred Eisenstaedt

Alfred Eisenstaedt photographiert Ernest Hemingway für LIFE

Der große Alfred Eisenstaedt kommt nach Kuba um den großen Ernest Hemingway zu photographieren. Eisenstaedt, der Staatsmänner und auch allerlei Schurken wie Joseph Goebbels vor der Kamera hatte, gilt bei Kennern der Materie als der Aristokrat unter den Photographen. Weil der gebürtige Pole es so oft schafft, die Brennweite seiner Linse für die Ewigkeit zu stellen.

Ende der 20er Jahre lebt Alfred Eisenstaedt in Berlin, er arbeitet für das Berliner Tageblatt, und flieht 1935 vor den Nazis in die USA. Das Magazin LIFE wird seine neue berufliche Heimat. Eisenstaedts berühmtestes Photo gilt noch heute als ikonisch, es hängt als schwarz-weißes Poster an Tausenden Wänden: Im Freudentaumel nach dem Sieg über die Japaner am 15. August 1945 küsst ein Matrosen am Times Square eine überraschte Krankenschwester.

Und nun Ernest Hemingway. LIFE hat Alfred Eisenstaedt nach Kuba geschickt, um eine Titelstory für die September-Ausgabe des Jahres 1952 zu knipsen. Der Vorabdruck des Kurzromans Der alte Mann und das Meer wird just in jener Ausgabe erscheinen. Dazu braucht die Zeitschrift ein paar bunte Impressionen aus den Tropen.

Doch auf Kuba findet Alfred Eisenstaedt einen mürrischen, herrischen und wegen Kleinigkeiten aufbrausenden Mann vor. Einen alternder Mann, der irgendwie an einem Wendepunkt seines Lebens steht. Der 53-jährige Schriftsteller steckt in der Krise. Der Nobelpreis für Der alte Mann und das Meer ist noch nicht da, aber auch dieser sollte die Krise bestenfalls hinauszögern.

Alfred Eisenstaedt kriegt auf Finca Vigía tagelang den Stinkstiefel vorgeführt: Einen Angeber, den Super-Macho, einen Alkoholiker, der vom frühen Morgen bis zum späten Abend kräftig zulangt und einen wortkargen Mann, der, wenn er den Mund aufmacht, ins Obszöne abgleitet. A crazy berserk, ein verrückter Berserker, wird Eisenstaedt später in einem Interview zusammen fassen.

Der Photograph geht mit Hemingway hinaus in den karibischen Paradiesgarten, sie fahren ans blaue Meer, nach Cojímar, nach Havanna, in der Hoffnung, der Mann werde dort runterkommen. Und in der Tat findet Alfred Eisenstaedt die wenigen Momente der inneren Stille, um Ernest Hemingway abzulichten.

Auf den Photos erkennen wir einen Ernest Hemingway, immer noch knurrig und ein wenig missgelaunt drein blickend, einen Mann mit schütterem grauen Haar, der ziemlich geladen in die Welt schaut. Trotzdem verleiht Alfred Eisenstaedt dem Miesepeter seinen aristokratischen Touch.

Auch wenn dem Autor die Lebenslust abhold scheint, Eisenstaedt fängt doch einen kernigen Mannskerl ein. Einen Burschen, der viel gesehen und erlebt hat, und dem langsam vielleicht die Zweifel kommen. Jemand, der schreiben muss wie ein König und der doch nur einfach leben möchte wie ein Bauer. Jemand jedenfalls, der eine Stinkwut in sich hat, auf die Leute um sich, auf die Welt, auf sich wohl auch, und wahrscheinlich auch auf den lieben Gott. Wer weiß es schon?

Alfred Eisenstaedt hat formidable Photos im Koffer, als er nach New York zurück kehrt. Aber es war ein hartes Stück Arbeit. “He was,” meint Eisenstaedt im Rückblick, “the most difficult man I ever photographed.”

Loading